es sein künstliches Gebiß von neun Zähnen nicht finden konnte, so glaubte es, dieses im Schlafe verschluckt zu haben und so zu den Schmerzen und Beschwerden gekommen zu sein. Im Krankenhaust konnte man von dem Gebiß auch nicht eine Spur entdecken, da das Mädchen aber dabei blieb, genau zu wissen und zu fühlen wo es stecke, so behielt man es da, um den sonderbaren Fall weiter zu behandeln. Am letzten Besuchlage aber kam eine überraschende Aufklärung. Ein Angehöriger kam und brachte der Kranken das Gebiß mit: man hatte et unterdessen im Bett zwischen der Planke und der Matratze gefunden. Sobald das Mädchen, das ununterbrochen bis zum letzten Augenblick Schmerzen empfunden hatte, das Gebiß vor Augen sah, schwand sofort die Einbildung, die Krankheit machte auf der Stelle völliger Gesundheit Platz, jedes Schmerzgefühl war geschwunden. Die Wiedergevesene verließ sofort das Krankenhaus.
— Im Eisenwerk Gröba (Königreich Sachsen) wurde eine dort noch nicht vorgc- lommene Arbeit beendigt, nämlich die Spreng ung eines 160 Zir. schweren Amboßes mittelst Dynamit. Der Amboß hatte einen Durch
messer von l'/i Meier und eine tiefe von 2 st» Meter; zum Gießen des KollosseS hatte seiner Zeit ein besonderer Ofen erbaut werden müssen. Bei der Sprengung wurden durch jeden Schuß Stücke im Gewicht von 20 Zentnern abgesprengt.
— Nach der Unterzeichnung des Ultimatums durch den Präsidenten Mac Kinley hat Spanien sofort die diplomatischen Beziehungen abgebrochen; es ist also gar nicht zur Ueberrcichung deS Ultimatums gekommen. Es ist auch schon der erste Schuß gefallen und zwar auf amerikanischer Seite. Es galt einem spanischen Frachtschiff, das bei der Insel Key-West an der Spitze von Florida, wo ein Teil der amerikanischen Flotte versammelt ist, angehalten und mit Beschlag belegt wurde.
Kunst u. Wissenschaft.
— DaS erste Quartal der in Stuttgart erscheinenden „Neuen Musik-Zeitung" (Verlag von Carl Grüninger) bringt mustkpäda- gogische Abhandlungen von A. Friedmann (Gottfr. Kellers Beziehungen zur Musik), H. Adert (Zur Musikästhetik der Griechen), Biographisches aus dem Leben von I. Brahms, Beruh. Pollini, C. Gottl. Reissiger, Rich.
Strauß, ausführliche Auszüge aus neuen musikgeschichtlichen Schriften und musikalischen UnterrichtSwerken, kritische Berichte über neue Opern, Virtuosen, Novitäten aus dem Ko»- zertsaal, Bildnisse und Biographien oer Damen Th. Behr, A. Bricht-Pyllcmann, Cl. Butt, L. Coomber, R. Elandi, I. Hied- lcr, L. Lehmann, B. Macdonald, G. Meitner, Michalek, R. Oiitzka, A. Osborne, M. Remmert, H. Ritter, H. Schelle, D. Walle- Hansen, der Herren H. Gura, M. Herwegh, R. Heuberger, F. Naval, O. Neitzel, K. Prill, E. Risler, van Rooy, Fr. Zierau, deS weiteren spannende Erzählungen von H- Abt (JanusmaSken), L. D>ehl (Hedi u. Hcki) und schließlich gewählte Klavierstücke, Lieder und Duos für Geige und Klavier von G. Bartel, CH. Govard, Grieg, O. H H, E. Heuser, C. Jmhof, C. Kistler, M. Oberdörfer, R. F. Prochazka, E. Waldteufel, B. Wandelt, R. Wiutzer, F. Zierau.
(Der vierteljährliche AbonnemcntSpreis beträgt nur 1 Mark. Probenummern versendet an Interessenten jede Buch- u. Musikalienhandlung, sowie der Verlag von Carl Grüninger in Stuttgart aus Verlangen gratis und franko.)
Aus der Irrfahrt des Lebens.
Roman nach dem Englischen von Jenny
Piorkowska.
(Nachdruck verboten.)
34.
Siebzehntes Kapitel.
Am Donnerstagmorgcn wurde es sehr zeitig Tag in AlewickShof. Mittag wollte man zur Abreise gerüstet sein. Selbst Frau Jork war schon um zehn Uhr im Frühstücks- zimmer, das an ihr Schlafgemach stieß. Finch schüttelte die Kissen des Lehnstuhles auf und schob denselben an das Fenster Es war ein schöner Wintertag und die Landschaft lag in völliger Klarheit.
„Ist alles eingepackt?" fragte Frau Jork.
„ES steht alles bereit," antwortete Finch. „Ich habe nichts mehr zu thun, weil sie cs für gut befand, die Zeit damit auszufülleu, ihrer Herrin von der Gefangennahme Hungs und dessen Geständnis zu erzählen.
„Der Mann ist verhaftet und hat auch schon gestanden," sagte sie, „er hat auSge- sagt, daß er sich in Herrn Doktor Jansen's Garten geschlichen und ihn getötet habe."
Maria hielt ihr Taschentuch vor das Gesicht, um den Schrecken zu verbergen, der sich auf demselben malte.
„Wer ist der Verhaftetelt" brachte sie mühsam hervor.
„Ein Mann Namens Hung, Madam, einer von der schrecklichen Bande, die man von Anfang an im Verdachte hatte."
„Schicke Fräulein Hardisty zu mir," murmelte Maria.
Die Gewünschte kam. Sie erzählte Frau Jork die ganze Geschichte, so viel sie selbst davon wußte.
Plötzlich unterbrach sie ihre Erzählung und stieß einen lauten Schrei aus, denn da, mitten im Zimmer, stand Sir Jork.
Er schien eben von der Reife gekommen zu sein, über den Arm trug er einen Ueber- zieher, um den Hals hatte er einen Shawl geschlungen, den er im Begriff war abzubinden. Er legte Beides aus einen Stuhl, kam näher und stand vor seiner Frau.
„Bist Du jetztzusriedengestellt, Maria?"
Was sollte sie glauben? War er schuldig oder nicht? Mit seltsam flehendem Ausdruck auf ihrem Gesicht, die abgezehrten Hände zusammengesaltct, sah sie zu ihm auf. Fräulein Hardisty ergriff im Eifir Jorks Arm.
„So waren Sie unschuldig?"
„Ja," sagte er heftig und tiefe Röte bedeckte seine Stirne. „Ich war es, der den Elenden in seinem Werke störte — wie er jetzt eingesteht. Wollen Sie mich ein paar Augenblicke mit meiner Frau allein lassen, Fräulein Hardisty?"
Fräulein Hardisty, plötzlich von der Wahrheit seiner Worte und ihrem eigenen Irrtum überzeugt, Verließ fast gedemütigt bas Zimmer und ging die Treppe hinab. Herr Jork stand wie vorher seiner Frau gegenüber; hochauf- gerichtet und mit verschränkten Armen sah er zu ihr nieder.
„Sprich, Arthur, was ist wahr?" hauchteste.
„Brauchst Du noch zu fragen?" war seine ernst gesprochene Antwort.
„Aber warum sagtest Du es mir nicht gleich?"
„Willst Du mir erst eine Frage beantworten, bevor ich Dir auf die Deine er« wiedere? — Wenn ich es Dir gesagt hätte, wenn ich so weit gegangen wäre, meine Un. schuld zu beschwören — würdest Du mir geglaubt haben?"
Nein, sie fühlte daß sie das nicht gekonnt hätte.
»Ich sah, daß alle Versicherungen meinerseits den Verdacht, den Du nun einmal hegtest, nicht hätten verscheuchen können," fuhr Jork fort. „Darum könnte ich die Aufklärung nur der Zeit überlassen. Ich that, was ich konnte. Ich fitzte eine hohe Belohnung aus. Ich übergab die ganze Sache der Londoner Geheimpolizei. Als ich von hier ging, und Du mich so ruhig einer lebenslänglichen Verbannung überwiesest, reiste ich direct nach Schottland. Wenn die Umstände Dich nicht in Deiner Meinung so bestärkt und unterstützt hätten, Moria, würde ich Dich vielleicht beim Wort genommen und
unsere Trennung zu einer ewigen gemacht haben."
Da siel cs ihr wie Schuppen von den Augen. Sie war plötzlich von seiner Unschuld, von der Wahrheit seiner Worte überzeugt, und laut schluchzend sank sie ihm an die Brust.
Sir Jork umschlang seine Frau zärtlich und klärte sie vollständig über die ganze Sache auf. Er war an jenem Abend zurück in das Dorf gegangen, um Dvctcr Jansen in seinem eigenen Hanse aufzusuchen und ihm seine weiteren Besuche zu untersagen. Er wartete auf Jansen's Heimkehr, aber an der Vordcrthür. Inzwischen war Jansen, ohne von Jork gesehen zu werden,' durch die Gartenthür gekommen. Während er so da stand und wartete, hörte er wiederholtes Stöhnen und näherte sich der Stelle, woher der Ton zu kommen schien. Der Angreifer des Doc- tor Jansen wandte sich und überfiel nun ihn; bei diesem Handgemenge wurde die Flinte zerbrochen. Der Räuber entkam und er, Herr Jork, kniete nieder, um Doctor Jansen zu untersuchen. Er Halle Streichhölzer in der Tasche, zündete diese an und sah, daß Jansen unwiederruflich tot war. Da verließ er ihn und wollte nach Hauseilen; aber bei dem dichten Nebel kam er vom Wege ab und geriet in einen Tümpel."
„Warum machtest Du nicht Lärm? Warum sprachst Du nicht davon?" fragte Frau York.
„Kaum weiß ich selbst warum," entgegnen ihr Mann. „Mein Herz war an jenem Abend mit Bitterkeit gegen Jansen erfüllt. Ich würde ihn nicht wie jener Schurke ermordet haben, ober ich mochte nicht behaupten, daß es nur ein Gefühl des Mitleids gewesen wäre, das meine Brust bewegte, als ich ih» tot vor mir liegen sah."
Maria sprach nicht. Ihr Gesicht war in ihren Händen vergraben.
(Schluß folgt).
Merk'sl
Heutzutage sagt mancher, er kenne eine Gegend, wenn er an ihr vorübergefahren ist.
Redaktion, Druck untz Verlag von Beruh, Hefwanu ln Wilhhg-,