Rundschau.
— Der St.-Anz. veröffentlicht die Anträge , welche die k. Generaldirektion der StaatSeisenbahneii bei dem k. Ministerium der ausw. Angelegenheiten, Abt. für die Per- kehrsanstalten, in Bezug auf den Sommerfahrplan 1898 gestellt hat. Was die Enz- bahn betrifft, so sollen folgende Aenderungen des Winterfahrplans für den Sommerdienst 1898 cintreten:
Wildbad-Pforzheim.
Wie im vorigen Sommer, soll Werktags ein Personenzug ausgesührt werden:
Wildbad ab 4 40 Vorm.
Pforzheim an 5.35 „
Der nur an Sonn- und Feiertagen laufende Personenzug 797 soll hinausgerückt werden:
Pforzheim bisher: ab 1.10 Nm. künftig: 1.35 Nm. Wildbad bisher: an 2.00 Nm. künftig: 2.25 Nm.
Die Schnellzüge 316 u. 317 sollen wie im vorigen Sommer wieder ausgeführt werden:
Witdbad ab 3,40 Nm. Pforzheim an 4,20 Nm. Pforzheim ab 4.52 Nm. Wild- dad an 5.30 Nm.
Wie im vorigen Sommer soll an Sonn- und Feiertagen der Personenzug 791, Wildbad ab 9.05 Nm. Pforzheim an 9.55 Nm. wieder ausgeführt werden.
Heilbronn, 1. März. Von einem schweren Unfall wurde heute früh 7 Uhr der Leimfabrikant Josef V. betroffen. Derselbe huldigte der so oft gerügten Unsitte, beim Feueranmachen unter einem Kessel Erdöl auf das Holz zu gießen. Die Flamme schlug dem Unvorsichtigen sofort ins Gesicht und brachte ihm so schwere Brandwunden bei, daß er unverzüglich ins Spital überführt werden mußte.
Diefenbach, 3. März. Ein l'/i Jahr altes Kind eines hiesigen Bauern spielte in Abwesenheit seiner Eltern an der Wiege des jüngsten Schwesterlcins, als plötzlich die Wiege umfiel und das Kind durch Anschlägen an einen Koffer sich eine Gehirnverletzung zuzog, die seinen Tod zur Folge halte.
Mergentheim, 3. März. Einer Bahn- wärtersfrau hatte sich ein sogen. Holzbock in der Nähe des AugeS festgesetzt, den sie durch Kratzen mit dem Nagel zu entfernen suchte. Dadurch entstand eine Verletzung deö Auges und Blutvergiftung, welche den Tod der Frau zur Folge hatte.
Ehingen, 4. März. Aufsehen erregt die Verhaftung eines Teils des Hotelpersonals vom „Wücttemberger Hof" wegen des Verdachts zum Nachteil des Besitzers vielerlei Gegenstände entwendet zu haben. Die Untersuchung zieht immer weitere Kreise.
Karlsruhe, 2. März. (Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft.) In der heutigen Sitzung der zweiten Kammer des Landtags teilte Staalsminister Dr. Nokk mit, daß seit der letzten Landtagsperiode Ansprüche wegen Entschädigung unschuldig Verurteilter an das Justizministerium nicht gelangt seien. Dagegen wurden in sechs Fällen Ansprüche wegen Entschädigung unschuldig erlittener Untersuchungshaft erhoben. In vier Fällen wurden die Ansprüche anerkannt und insgesamt 167 ^ Enschädigung für erlittene Tagelohnausfälle gewährt. In zwei Fällen wurden die Ansprüche zurückgewiesen. Ferner machte der Minister die Mitteilung, die Regierung gedenke, wann ein Reichögefetz über die Entschädigung unschul,
big Verurteilter komme, auch die aus BMg- keitSgründen gewährte Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft beizubehalten. Diese Mitteilung wurde im Hause mit Beifall ausgenommen.
Köln, 2. März. Heute nachmittag stürzte Hierselbst ein großes Gebäude, das gesellschaftlichen Zwecken dienen sollte, in besten gesamten Innern man mit RenovierungSarbeiten beschäftigt war, et». Sämtliche drei Eiagen bilden einen Trümmerhaufen. Eine Person blieb tot, vier wurden schwer verletzt herausbefördert und in hoffnungslosem Zustande dem Hospital überliefert.
Köln, 3. März. Von den bei dem gestrigen Hauseinsturz schwer verletzten Personen ist noch eine im Hospital gestorben. Zwei Tote befinden sich noch unter den Trümmern. Eine Straße wurde für den Verkehr abge- sperrr, da eine große Umfassungsmauer gleichfalls einzustürzen droht. Die Ursache des Unglücks ist noch nicht festgestellt.
Breslau, 3. März. Der Holzbildhauer Stehn aus Hamburg, ei» siebzehnjähriger Bursche, versuchte gestern abend im Postamt am Malthiasplatz einen Raub. Zwei Freimarken fordernd ergriff Stehn zwei Geldschwingen, die 8000 bezw, 2000 ^ enthielten, und entfloh. Im Hausflur wurde ihm die erste Schwinge entrissen, die andere auf dem Manhiasplatz, nachdem die Festnahme des Räubers gelungen war.
Wurzbach (Reuß), 2. März. Auf einem herrschaftlichen Schieferbruche wurden 9 Arbeiter verschüttet und tot hervorgezogen.
Bombay, 3. März. In vergangener Woche sind 1097 Personen an der Pest gestorben. Die Gesamtsterblichkeitsziffer betrug 2080 Personen oder 120,98 pro Tausend. Die unter dem Namen Black Blister bekannte Krankheit ist in 2 Ortschaften im Gebiete Nizams und Haidaradad ausgebrochen, woselbst täglich 50 Todesfälle zu verzeichnen sind.
Athen, 2. März. Es ist nunmehr konstatiert worden, daß das Attentat auf den König von einer Verschwörer-Bande bestehend aus unzufriedenen bürgerlichen und militärischen Elementen seil langer Zeit geplant und vorbereitet war und daß Karditze und seine Genossen nur deren Werkzeuge waren. Die Polizei soll bereits sämtliche Mitglieder der Bande verhaftet haben. Man erwartet demnächst noch eine große Anzahl von Verhaftungen.
— Ein pikantes Liebesabenteuer, das der „B. L. A." erzählt, bildet gegenwärtig in einer Stadt in Obcrschlesien das Tagesgespräch. Ein dortiger Fabrikant empfing eines schönen Abends in seiner Wohnung den Besuch einer jungen Dame aus den besseren Gesellschaftskreisen daselbst. Dieses Rendezvous war jedoch den Verwandten der jungen Dame hinterbracht worden, und da jenen die Extravaganz ihrer Koustne nichts weniger als angenehm war, so besetzten sie das Haus des Fabrikanten, um der Maid beim Verlassen desselben gründlich „hcim- zuleichten". Die Liebenden, welche zu späi die Belagerung der „Festung" bemerkt hatten, zogen sich nun zu einem „Kriegsrat" zurück. Das Resultat desselben gipfelte, da ein erlösender Luftballon nicht zur Stelle war, in folgendem Besreiungsplan: Der Fabrikant sandte nämlich seinen Hausdiener Johann nach einem Hotelomnibus und nähte in der Zwischenzeit die gefährdete Dame in einen
großen Sack ein. Dann ließ er baS „Paket" durch Johann zum Wagen hinuntertragen. Aechzend und stöhnend lud dieser das Paket auf seine Schultern und keuchte die Treppe hinunter. Doch wie einst Polyphemos am Ausgange seiner Höhle genau Achtung gab, um den schlauen „Niemand" zu erwischen, der ihm sein einziges Auge ausgebrannt hatte, so warteten die Verwandten der jungen Dame vor der HauSthür auf diese, und wie Poly- phem ferner auch die breiten Rücken seiner Höcke betastete, so befühlten auch nun diese das verhängnisvolle Paket, das Johann vorsichtig herniedergleiten ließ. Plötzlich wurde ein niedlicher Damenstiesel sichtbar, der neugierig aus dem Paket hervorlugte. Ange- sichis dieses „erdrückenden Beweismaterials" brauste eine Lachsalve über den weiten Marktplatz, worauf das Paket von den empörten Verwandten nach einem nahen Barbiergeschäft getragen wurde. Dort ist eS dann der eingenähten Dame bei ihrer nun folgenden Befreiung nicht sonderlich gut ergangen.
— Eine hübsche japanische Sitte. Wenig bekannt dürfte es sein, baß jeder Japaner seinen Lebens- oder vielmehr Heiratsdaum besitzt. An dem Tage nämlich, an dem im Lande der Chrysanthemen ein Baby zur Welt kommt, pflanzt der stolze Vater ein junges Bäumchen, das gleich dem zarten lebenden Wesen, dessen Namen eS teilt, die sorgsamste Pflege genießt. Geht das Bäumchen trotz aller Sorgfalt ein, was jedoch nur höchst selten passiert, dann setzt man wenig Hoffnung auf das Gedeihen des Kindes. Gewöhnlich treibt der kleine Baum lustig empor und ist groß und kräftig, bevor der japanische Weltbürger sehr in Jahren vorgeschritten ist. Sobald nun der Tag naht, an dem der junge Mann oder die jugendliche Maid in das süße Ehejoch zu schlüpfen gedenkt, wird der HeiraiSbaum gefällt und aus seinem Holz ein Möbel gefertigt, welches das junge Ehepaar als das schönste Stück im ganzen Haushalt betrachtet und mit größter Pietät behandelt.
— Alte Liebe rostet nicht. Die Braut eines Berliner Braumeisters war vor länger als einem Jahrzehnt mit einem Artisten davongegangen. Vor einigen Monaten hatte sie von Melbourne in Australien dem schmählich Verlassenen geschrieben, daß sie jener Künstler als Millionärswitwe zurückgelassen habe, sie dem unvergessenen Geliebten Herz und Hand anbiete und, im Falle er es an- nehme, sofort zurückkehren wolle. Der Braumeister schrieb, daß er glücklicher Gatte und Vater von drei Kindern sei, sie also ruhig in Melbourne bleiben könne. Statt der lie- bensdurstigen Frau langten vor wenigen Tagen drei Bankanweisungen von je 300000 Mark für jedes der drei Kinder an. Dieses hat der wackere Braumeister nicht auSge- schlagen.
— Ae größte Schule der Welt ist di« jüdische Sckule in Whitechapel (London). Sie zählt 3500 Schulkinder und 100 Lehrer. Die Kinder rekrutieren sich aus den aller- ärmsten jüdischen Familien deS Ostendes. Die Anstalt könnte sich nicht halten, wenn Rothschild ihr nicht reiche Zuwendungen machte. Jeder Schüler, der es wünscht, erhält morgens freies Frühstück. Außerdem schenkt Rothschild einmal oder zweimal jedem Kinde der Schule einen neuen Anzug.