Rundschau.
Stuttgart, 2. Jan. (Neujahr.) Die Neujahrsnacht ist in Stuttgart ohne bedeutendere Ausschreitungen vorübergegangen. Bei Hofe ging die Neujahrscour vor den Majestäten in üblicher Weise vor sich. An derselben beteiligten sich die Mitglieder der Kgl. Familie , die obersten Hofchargen u. s. w. Zwischen Sr. Majestät dem Kaiser und dem König wurden die gegenseitigen Glückwünsche auf telegraphischem Wege vermittelt. Als Vertreter des würlt. Armeekorps waren der kommandierende General und der Kommandeur des Katser-Wilhelm-Regiments aus Weingarten in Berlin.
Stuttgart. Wie der „St.-Anz." erfährt, werden die im Jahre 1897 ausgehobeneo Ersatzreservistenkrankenwärter ihre erste zehnwöchentliche Uebung in der Zeit vom 19. Jan. bis 29. März d.J. bei den Garnison- lazareten Stuttgart, Ludwigsburg, Utm und Weingarten ableisten. Die militärische Ausbildung erhalten dieselben vom 19. Jan. bis 16. Febr. und zwar diejenigen, welche beim Garnisonlazaret Stuttgart üben, beim Infanterieregiment Nr. 125, diejenigen, welche in Ludwigsburg üben, beim Infanterieregiment Nr. 121, diejenigen in Ulm beimGrc- nadierregiment Nr. 123 und die in Weingarten beim Infanterieregiment Nr. 120. — Die Ersatz-Reservisten-Krankenwärler, welche ihre zweite (sechswöchenlliche) Uebung abzulcisten haben, üben vom 5. Januar bis 15. Febr. d. I. ebenfalls bei obengenannten 4 Garnisonlazareten.
Cannstatt, 31. Dez. (Schwimmbad.) Die bürgerlichen Kollegien beschlossen die Errichtung eines Schwimmbades. Den Ausschlag zu diesem Beschluß gab eine Stiftung des Privatiers Pfeiffer in Stuttgart, der zu diesem Zwecke der Stadl Cannstatt 100000 ^ schenkte.
Murrhardt, 1. Jan. (Stiftung.) Herr Gerbereidcsitzec I. Oeltinger stiftete als Christgeschenk der hiesigen Gemeinde für die Stadlkirche eine Glocke, deren lieser Ton dem übrigen Geläute entsprechen wird. Der Guß dieser etwa 25 Zentner schweren Glocke wurde dieser Tage Herrn Glockengießer Kurz aus Stuttgart übertragen.
Allmendingen, 2. Jan. In der 12. Stunde vergangener NeujahrSnachl erfolgt, in dem Hause des Oekonomen Karl Crist dahier eine bedeutende Putvcrexploston. Ledige Burschen hielten eine größerer Quantität Pulver parat, um dieselbe zum Neujahrsschießen zu verwenden. Durch Entzüuden einer Rakete fing das Pulver Feuer und explodierte. Nahezu sämtliche Fenster wurden zertrümmert, die Thüren ausgehoben, viele Kleidungsstücke verbrannt. Von den anwesenden Burschen erhielten mehrere schwere Brandwunden im Gesicht und es mußte einer, Max Knoll, infolge der bedeutenden Verletzungen dem Ehinger LczirkSkrankenhause übergeben werden- Leider wurde auch ein 4jahr. Knabe im Gesicht schwer verbrannt. Untersuchung ist eingeleitet.
Winzeln, O.A. Oberndorf, 31. Dez. Ein alter gebrechlicher Flurschütz erhielt ein hübsches Neujahrsgeschenk in Gestalt einer Altersrente, welche ihm für die Zeit vom 1. Jan. 1891 bis auf heute im Betrog von 756 hcrausbezahlt wurde.
Schramderg, 29. Dez. Heute mittag eilte das Gericht durch die Stabt, daß der im Tierstein wohnende Taglöhner Friedrich
Timmermann gestern abend seine Ehefrau im Streit durch einen Stich verletzt habe und diese über Nacht gestorben sei. Die sofort eingeleitete Untersuchung ergab jedoch, daß die Verstorbene sich beim Aufschneiden einer mit Schnur zusammengebundenen Holzbüschel durch Ausgleiten ihres hiezu benützten sehr scharfen und spitzen sogenannten Metzgermessers in den Unterleib stach und trotz ärztlicher Hilfe heute nacht 1 Uhr an innerer Verblutung gestorben ist. Der vorläufig fest- genommene Ehemann wurde nach beendigter Untersuchung wieder auf freien Fnß gesetzt.
UlM, 31. Dez. (Verhaftet.) Gestern gelang der hiesigen Polizei die Verhaftung zweier sehr gefährlicher ausländischer Verbrecher, des Italieners Minasso, der am 16. Mai v. I. in Lyon in einem Kloster 100000 Frks, gestohlen hatte und dann in der Nacht vom 8. auf 9. Dez. aus dem Kriminalgefängnis mit außerordentlicher Raffiniertheit, unter Beihilfe eines früheren Mitgefangenen, ausgebrochen war. Minasso und sein Helfershelfer flüchteten über Nancy und wollten sich nach München begeben.
Zwiefalten, 2. Jan. Das Neujahrs- schießen, welches dieses Jahr in etwas auffallender Weise betrieben wurde, forderte wieder ein Opfer. Einem aus Sonderbach gebürtigen Müllerlehrling ging unvorsichtiger Weise die geladene Pistole los und verletzte demselben die rechte Hand schwer, so daß dieselbe wahrscheinlich amputiert werden muß.
Leutkirch, 29. Dez. Ein schwerer Un- glücköfall ereignete sich gestern in Berkheim. In der „Graben-Mühle" geriet der 17jähr. Dienstknecht Konrad Rapp von Mcttenberg auf unaufgeklärte Weise in das Wafserad. Der Hinterkopf des Unglücklichen wurde völlig zerquetscht.
Gerabronn, 30. Dez. Ein kaum glaublicher Fall ereignete sich dieser Tage in dem bei Niederstetten gelegenen Ort Vorbachzimmern. Daselbst sollte eine 42 Jahre alte Frau, die nach kurzer Krankheit starb, beerdigt werden. Als nun die Vorbereitung zur Beerdigung vollendet und selbst der Schreiner mit seinen Gesellen sein Amt vollzogen und den Leichnam in den Sarg gelegt halte, richtete sich die Tote auf und sah erstaunt um sich. Die Umstehenden wurden vor Schrecken fast gelähmt und alsbald wurde die Scheintote wieder ins Bett zurückgebracht. Wäre die Totgeglaubte eine Minute später erwacht, so wäre sie lebendig begraben worden.
Bruchsal, 31. Dez. Der hier wohnhafte Bremser Moritz Sladtmüller, 56 Jahre alt und Vater von neun Kindern, wollte gestern abend um 10 Uhr sich an den von ihm zu begleiteten Brellener Gütcrzug begeben, als er von der Maschine des von Heidelberg einfahrenden Personenzugs erfaßt und augenblicklich lotgefahren wurde. Sein Körper wurde als zerstückelte formlose Masse aufgefunden.
Pforzheim, 1. Jan. Gestern Vormittag ereignete sich hier ein schwerer Unglücksfall. Der verheiratete Maurer Geiler wollte, als er gerade durch die enge Brötzingerstraße ging, zwischen einem Bierwagen und der Wand noch hindurch gehen, wurde aber von dem Wagen an die Wand gedrückt, von den Rädern erfaßt und überfahren. Er wurde alsbald in Spital gebracht, doch wird an seinem Aufkommen gezweifelt.
Straßburg, 31. Dez. (Verbrannt.) In der Hütte ,Rote Erde" bri Deutjch-Oth er
eignete sich ein gräßliches Unglück. Zwei Arbeiter stürzten in die glühende Masse eines Hochofens und verschwanden spurlos. Ein Dritter, der gleichsfalls in den Hochofen fiel, konnte noch dem Feuerschlunde entrissen werden, erlag aber seinen Brandwunden. Als Ursache des Unglücks wird der Umstand bezeichnet, daß eine lohartige Kleisterkruste, mit welcher Füllstcllen der Hochöfen bedeckt werden, um ein langes Fortglühen der Oefen zu ermöglichen, beim Betreten durch die Arbeiter zusammenbroch.
Ludwigshafen, 30. Dez. (Zurückgekehrt.) An der GefängniSihüre des kgl. Amtsgerichts klopfte cs heute abend zu später Stunde an, und als der Gefängnisverwalter öffnete, baten die Sträflinge Josef Geistnger und Martin Wolf, die am Sonntag abend den Gefängnisaufseher bei der Revision der Zellen überfallen, ihn cingesperrt und dann die Flucht ergriffen hatten, um Wiederaufnahme iä das Gefängnis. Die Befriedigung des Hungers war in ihnen stärker als der Trieb nach der goldenen Freiheit.
— Die deutschen Wälder nehmen nicht ab sondern zu. Nach offiziöser Mitteilung sind seit 11 Jahren wenigstens 4000 da jährlich mehr aufgeforstet, als abgeholzt worden. Besonders auf Haiden und Oedländereien werden Wälder angelegt.
— Der längste Soldat des deutschen Heeres ist, wie man im Berl. Tagbl. liest, gegenwärtig der Garde du Corps Konrad von der 3. Schwadron des Regiments. Der Riese, ein Schiffsbauer aus der Stettiner Gegend, dient dreijährig-freiwillig und hat eine Größe von 2,04 Meter.
München, 31. Dez. (Verkauf.) Gestern nachmittag wurde der Vertrag vereinbart, wonach der Rentier Mox jPschorr für 600000 Mark sein Großgrundstück bei der Bavaria- Statue an die Stadt verkauft. Mit diesem Kapital errichtet Herr M. Pschorr eine Wohlthätigkeitsstiftung, deren Zinsen alljährlich an die Armen zu verteilen sind. Die Stadt hat die Verwaltung der Stiftung.
— Ueber das Befinden des Fürsten Bismarck weiß die „Mil. Pol. Korr." wenig Gutes zu berichten. Sicheren Nachrichten zufolge, die aus Friedrichsruh eintrafen, soll das Befinden des Fürsten ein solches sein, daß voraussichtlich auf Wochen nur die aller- dringendsten Sachen zu seiner Kenntnis gelangen dürfen. Er muß auf ärztlichen Rat von jeder Arbeit abgehalten und vor jeder Aufregung streng bewahrt werden.
Düsseldorf, 31. Dez. (Eisenbahnunglück.) Beim Passieren der Eisenbahnstrecke zwischen Oberhausen und Sterkrade in der vergangenen Nacht wurde bei nicht geschloffener Bar- riäre ein Wagen mit einer aus 17 Personen bestehenden Düsseldorfer Jagdgesellschaft in seinem Hinteren Teile von einem heranbrausenden Zuge erfaßt. Der königliche Oberförster Merrem aus Homburg von der Höhe, ein Schwiegersohn des Malers Prof. Emil Huentens, wurde gelötet. Mehrere andere, darunter Landgerichtsdirektor Wolf, sind schwer, einige leicht verletzt.
Stargard, 28. Dezember. (Folgen eines Scherzes.) In Wulkow ist ein junges Mädchen durch einen schlechten Scherz wahnsinnig geworden. Mehrere Mädchen kamen des Abends aus der Spinnstube und waren in fröhlichster Laune. Als sie am Kirchhof vorüberkamen, stürzten hinter einem Grabe zwei weiße Gestalten hervor. Eines der Mädcheq