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dir. 304

Samstag, den 28. Dezember 1929

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102. Jahrgang

Richtlinien für die Haager Konferenz

Beratungen im Reichskabinett

TU Berlin« 28. Dez. Das Reichskabinett beschäftigt« sich am Freitag in Anwesenheit des Reichdbankprästdenten Dr. Schacht in sehr ausgedehnten Beratungen mit den mit der bevorstehenden zweiten Haager Konferenz zusammenhängen­de» Fragen. Amtlich wurde hierüber folgende Mitteilung ausgegeben:

,DaS Reichskabinett beschäftigte sich in seiner Kreitag- sitzung in Anwesenheit d-S NeichSbaukpräsi-cnten in einge­hender Aussprache mit den ans de» bevorstehende« Haager Konferenz zur Beratung stehende« Problemen. Die Erörte­rungen werden am Samstag gleichfalls «ater Beteiligung hes NeichSbankpräsidenten fortgesetzt."

Wie man hört, dürsten die Kabinettsberatunge» unter Teilnahme Schachts unter anderem auch der Festlegung be­stimmter einheitlicher Richtlinien gegolten haben, die von der nach dem Haag zu entsendenden deutschen Abord­nung zu befolgen sein werden. Ueber die Zusammen­setzung der deutschen Abordnung ist Endgültiges noch nicht entschieden,' ebenso ist noch unklar, ob als sozial­demokratischer Minister Reichsinnenminister Severin« oder Reichswirtfchaftsminister Robert Schmidt nach dem Haag gehen wirb. Zur deutschen Abordnung dürfte auch Dr. Schacht gehören und von den Ministern Rcichsautzcnmini- stcr Curtius, RcichSfinanzmintster Moldenhauer und Reichs- Minister für die besetzten Gebiet« Wirth.

lieber die Neubesetzung des Postens des Staatssekretärs im Neichlsinanzministerium nach dem erfolgten Ausscheiden des Staatssekretärs Popitz ist gleichfalls noch nicht ent­schieden. Die Kandidatur des Ministerialdirektors im Ncichswirtschastsministerium, Dr. Hans Schaffer, steht je­doch nach wie vor im Vordergründe.

Innere Klärung.

ImVorwärts" veröffentlicht der sozialdemokratische Abg. Brcitscheid einen Artikel, in dem er sich ausführ­lich mit den Ereignissen bis zum Rücktritt Hilserdings aus- vinanderseht. Dabei kommt er zu dem Schluß, daß jetzt zu­nächst die Straße für die Verhandlungen der Haager Schlnß- konferenz frei sei. Di« Frage sei nur, was hinterher wer­den solle. Die Meinung der Sozialdemokratie sei durch die Erklärung, wie sie schon vor der Einbringung des Til-

gungsgcsetzeo im Reichstag abgegeben worden sei, verständ­lich genug zum Ausdruck gebracht worden. Es komme dar­auf an, daß die Bokkspartei und mit ihr die anderen bür­gerlichen Krr-.'pen die notwendige Klärung schassten. Sic müßten sagen, wie sie die vorgesehene Speisung deß Til­gungsfonds mit ihren Stenersenkungsabsichtcn in Einklang bringen wollten, und welche Ersparnisse sie an dem neuen Hanshaltplan vorznnehmen gedächten. Die Gegensätze zwi­schen der Sozialdemokratie und den bürgerlichen Koalitions- Parteien würden anch von -er Sozialdemokratie anerkannt. Wenn die Sozialdemokratie Ihnen znm Trotz in d^ Negie­rung geblieben sei, so wegen ihres starken Verantwortungs­gefühls gegenüber den Staatsnotwcndigkeiten. Daß sie nicht an der Regierung und dieser Koalition klebe, dürfte jeder­mann wissen.

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VorbesprechungenderVerhandlungsgeqner

Rene englisch-französische Besprechungen über die BIZ.

TU Paris, 28. Dez. Der Gouverneur der Bank von Frankreich, Moreau, wird sich am Sonntag in Begleitung des Untergonvernenrs Moret und des Sachverständigen Qnesnes nach London begeben, um dort mit den englischen Sachverständigen noch einmal die Organisation der BIZ zu besprechen. Ueber die Frage des Treuhänöervcrtrages der Internationalen Bank scheint zwischen den Gläubiger­mächten ein« Einigung erzielt worden zu sein. Man befürch­tet, daß die deutsche Abordnung im Haag Einwendungen er­heben wird, die die in den Verhandlungen zwischen den Gläubigermächten erzielten Ergebnisse zunichte machen könnten. Die französischen Finanzleutc iverden am Diens­tag nach Paris zrrnckkehren.

Jaspar in Paris.

Ministerpräsident Jaspar, der Vorsitzende der Haager Konferenz, ist erneut nach Paris gefahren, um mit der fran­zösischen Negierung vorbereitende Besprechungen bezüglich der Haager Konferenz abzuhalten. Belgien wünscht sich der französischen Hilfsstellung bezüglich des Bvungplans zu ver­sichern, wobei Belgien besonders in der Marksrage interes­siert ist. Man nimmt an, daß Jaspar von Paris unmittel­bar nach dem Haag reisen wird.

Tages-Spiegel

DsS Reichskabinett beschäftigte sich gestern in Anwesenheit Dr. Schachts mit der Vorbereitung der Haager Konferenz. D'e Beratnng wird heute fortgesetzt.

Präsident Hoover hat das Nücktrittsqesnch -es »«erikani- schen Botschafters in Berlin, Schurman, genehmigt. Der Botschafter wird im Januar nach Amerika -nrtEkehre«.

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Die französische Kammer beendete gestern die General­debatte über die Außenpolitik. Tardie« sorderte am Ende der Anssprache, in der Brian- von rechts stark angegrif­fen wurde» das Vertrauensvotnm und erhielt es mit 61L gegen 17 Stimmen.

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In die Kammerdebatte «mrde von de« Rechtsdepntierten Relbel ein Dokument Fachs aus dem Jahre 1926 hinein» gezogen, das Brianü nicht bekannt war. Empört wandt« sich BrianL unter deui Beikall der Mehrheit gegen ein sol­ches Vorgehen.

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Der Bollzugsrat des Allindischen Nationalrates hat eine Entschließung vorbereitet, in der die vollständige Unab­hängigkeit Indiens gefordert wird.

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Die Nanktnger Regierung hat beschlossen, ab 1. Jannar die Exterritorialität für alle in China ansässigen Ausländer anfzuhcbcn.

Botschafter Schurman zmückqetreten

TU Berlin, 88. Dez. Wie di« Telegraphen-Union er­fährt, hat der amerikanische Botschafter in Berlin, Jakob GoulL Schurman am Freitag von Präsident Hoover ein Telegramm erhalten, in dem dieser das von Echnrman ge­legentlich des Präfidentenwcchsels in Amerika eingereichte Nücktrtttsgesuch anuimmt Botschafter Schnrman wird Ber­lin bereits im Lau'e des Monats Januar verlassen.

Die Berliner Botschaft der Vereinigten Staaten von Nordamerika teilt mit:

Botschafter Schurinan bestätigt die Nachricht, daß sein Nücktrtttsgesuch vom Präsidenten angenommen worden ist. Der Botschafter hat diese Maßnahme schon seit einiger Zeit erwartet und in Voraussicht dessen hat seine Familie Ber­lin im September endgültig verlassen und In ihrer Woh­nung in Newyork Aufenthalt genommen. Der Botschafter hat es für die Pflicht eines guten Soldaten gehalten, b s zu seiner Abberufung auf seinem Posten zu verbleiben. Er wird jetzt Berlin verlassen, sobald er es ermöglichen kann und im Laufe des Monats Januar in Newyork eintrcffcn.

Botschafter Schurman, der sich in den Jahren seiner Verl ner Amtstätigkeit um die Verbesserung der deutsch- amerikanischen Beziehungen außerordentlich verdient ge­macht hat, steht tm 76. Lebensjahr. Trotz dieses auch für einen Diplomaten verhältnismäßig hohen Alters hat er das schwierige Amt eines Botschafters sehr gesch ckt und er­folgreich verwaltet. Dabei beschränkte sich sein Interesse nicht nur auf Dinge der Politik und der Diplomatie. In zahlreichen wissenschaftlichen Vereinigungen hat sein Name einen außerordentlich guten Klang. In aller Erinnerung ist noch die am b. Mai 1928 erfolgte Ernennung SchurmanS zum Ehrendoktor der Universität Heidelberg für Verdienste» die er sich um die Universität erworben hatte.

Wie aus Washington verlautet, nimmt man an, daß der Präsidcnt mit der Ernennung eines neuen Botschafters für Berlin nicht lange zögern wird. Genannt werden in unter­richteten Kreisen einstweilen zwei Namen: Eugen Meyer, der früher den amer kanischen Finanzausschuß ge­leitet hat, und der gegenwärtige Botschafter in -er Türkei, G r e w.

Aushebunq der Exlerrilorialiläl in China

TU Nanking, 88. Dez. Der politische Zentralrat hat ln seiner außerordentlichen Sitzung beschlossen, am 1. Januar einen Erlaß zu veröffentliche«, durch den dr« Exterritoriali­tät an'gehobeu wird und die in China ansässigen Ausländer de« chinesische« Gerichten «nterftellt werden. Ei» mit die­sem Erlaß verkündetes Gesetz regelt die Rechtsorrsahre» zwischen Chinesen und Ausländern.

Schließung der ausländische« Gerichte.

Der gesetzgebende Rat der Republik hat am Freitag die Schlicßmrg sämtlicher ausländischer Gerichte in China znm 1. Januar 1SM angeordnet. Unter Führung des chinesische« Justizministers wurde ein Ausschuß gebildet, der die Ge­bäude der ausländischen Gerichte übernehmen wird. Wei­ter wird gemeldet, daß die chinesische Negierung beschlösse» hat» sämtliche Angestellte der ausländischen Gerichte solange lm Dienst zu behalten, bis die ch nesische Gerichtsbarkeit auSgebaut ist. Die chinesische Regierung hat ferner ange­ordnet, - die japanischen Sondcrgcrichte tu der Nord- mandfchurei vorläufig bis 1. Mürz 1930 weiterbestehe« solle«.

Billigung der französischen Außenpolitik

Das Kabinett Tardieu erhält ein starkes Vertrauensvotum

Ein beachtlicher Sieg Briands in der Kammer.

Paris. 28. Dez. In der französischen Kammer wurde gestern die Generaldebatte über die Außen­politik Briands fortgesetzt. Die Aussprache brachte er­neut die bekannten Angriffe der Rechten, wobei«sich wiede­rum Frankl^'B o u t l l o n besonders hervortat. Nach sei­ner Darstellung ist Frankreich immer das durch die Locar­nopolitik bks zur Hilflosigkeit geschwächte Land, während Dentschland bis aufs Aeußerste gerüstet, wahrscheinlich im nächsten Augenblick schon einen Angriffskrieg beginnen will. Neu ist nur, daß der letzte russische Angriff auf China nach den Behauptungen Franklin Bouillons von deutschen Offi­zieren kommandiert worden sein soll. Brtand versuchte, ihm tm einzelnen zn widerlegen und betonte iviedcr, seine Gegner sollten doch eine andere Politik vorschlagen oder da­für sorgen, daß die gegenwärtige Regierung abgescht werde.

Zn heftigen dramatischen Szene« kam es, als der Depu­tierte Neibel, Mitglied der Partei des Kricgsm nisterS- Maginot, eine Note znr Verlesung brachte, die der verstor­bene Marschall Fvch im Jahre 1020 an den Präsidenten der Republik und an den damaligen Ministerpräsidenten Poin- cars richtete, und in der der Führer der alliierten Armeen auScinandersetzte, daß die Nheiiilandbcsctzung die Sicherheit Frankreichs garantiere, während er vor einer raschen Nheinlandränmung warnte. Briand versicherte erregt, daß er dieses Dokument garnicht kenne, daß es eine ernste Sache sei, ein solches Dokument auf den Tisch des HanseS zu legen, denn Fach sei in seiner Eigenschaft als interalli­ierter Marschall auch Chef der Militärkontrollkommission gewesen und Brtand wandte sich eigentlich gegen Foch selbst, als er heftig auSrief: Wie konnte ein Marschall, in den wir das größte Vertrauen hatten, solch ein Papier zum Präsi­denten der Republik tragen, ohne daß der Außenminister davon wußte? DaS ist eine traurige Angelegenheit! Briand gewann mit diesem Ruf den Beifall des ganzen HanseS mit Ausnahme der äußersten Rechten.

Paul Boncour sprach sich für «in internationales Bündnis aus. daS imstande sei, die drei großen Forderungen Frankreichs zn erfüllen: Schiedkgericht, Sicherheit und Ab­rüstung. Louis Marin unterzog hierauf in ähnlicher

Weise wie Franklin Bouillon die Haager Abmachungen einer abfälligen Kritik. Nach seiner Ausfassung bildet der Aoungplan keine befriedigende Lösung des Neparationspro» blems, und zumr deshalb nicht, weil Frankreich keinerlei Garantie in Händen habe, um Deutschland zur Einhaltung seiner Verpflichtungen -zn zwingen.

Ministerpräsident Ta »dien erinnerte daran, unter wel­chen Umständen die Bestimmungen über die militärische Be­setzung des Rheinlands in den Versailler Vertrag ausge­nommen wurden. Die Alliierten Frankreichs waren einer Besetzung deutschen Bodens entschieden abgeneigt. Gegen ihren Widerstand vermochte Elemente au die franzö­sische Forderung durchzudrücken und die betreffenden Arti­kel in den Versailler Vertrag einzufügen. Immerhin, stellt« Tardieu sest, seien die französischen Unterhändler gezwun­gen gewesen, eine zeitliche Begrenzung dieser Be­setzung zuzusichern.

Nach einer kurzen Rede Lvnis Mar ins, der die Äuße­rungen Briands und Tarüiens als unbefriedigend erklärte, wurde die allgemeine Diskussion geschlossen. Die Kammer trat in die Einzelberatung des Etats für das Außenmink- sterium ein. Der erste Artikel, in dem das Gehalt des Außenlnifters festgesetzt wird, ist während der Debatte von Briand selbst als die geeignetste Gelegenheit für ein Ver­trauens- oder Mißtrauensvotum bezeichnet worden.

Tardieu ergriff von neuem das Wort. Er richtete einen scharfen Tadel an den Deputierten Reibel, daß er die Denkschrift Jochs in die Debatte gezogen hatte. Der Mi­nisterpräsident forderte die Kammer nochmals auf, sich jetzt zu entscheiden, ob sic der Regierung ein Vertrauens­votum für die Haager Konferenz und die Lon­doner Secabrüstungsverhanölnngen mitgeben wolle oder nicht. Wenn die Mehrheit der Kammer der Auffassung sei, die Haager Konferenz müsse abgesagt werden, so hätte sie jetzt Gelegenheit, dies mit einem Mißtrauensvotum kund- zntun. Von der Rechten wurde ein Antrag eingebracht, den ersten Artikel -es Budgets an die Kommission znrückzuwei- scn. Tardieu stellte gegen diese Zurückweisung im Namen der Regierung die Vertrauensfrage.

Mit S18 gegen 17 Stimmen sprach die Kammer der Re­gierung das Vertraue« a«S. Tie Sozialisten und zahlreiche Radikale hatte« sich der Stimme enihalken und so der Ne­gierung z« einer überraschend großen Mehrheit vo» 68S Stimme» vcrüolfe«.