Me Wernefis.
Novelle von Walter Hogarth.
(Nachdruck verboten.)
3.
Dann peinigte ihn auch der Gedanke, wie er aus RabenS Schlingen sich befreien sollte. Raben war in seiner Weise immer noch recht gefällig und großmütig gegen ihn gewesen, hatte ihm sogar noch weitere f nf- zigtausend Francs zugcsagt, um morgen sein Glück von Neuem zu versuchen. Aber ein von Minute zu Minute wachsender Widerwille stieg jetzt im Herzen EggonSbergS gegen den Rittmeister auf, er entsann sich auch, daß dieser schon in der Residenz wegen seiner Neigung zum Hazardspiel einen verdächtigen Ruf genossen hatte, und er schrieb deshalb den dämonischen Verführungskünsten des Rittmeisters sein ganzes Unglück zu, und beschloß, dessen weitere Gefälligkeit morgen nicht anzunehmen, mochte cs kommen, wie es wollte.
Mit stechenden Kopfschmerzen erwachte Rupprecht von EggonSberg am anderen Morgen sehr zeitig aus einem unruhigen Schlafe und sprang wie von Furien gequält sofort aus seinem Bette, denn die Gewissensbisse über sein gestriges wahnwitziges Thun folterten ihn aufs Neue und ließen ihm keine Ruhe. Ec kleidete sich rasch an, bestellte sich ein Frühstück und eilte dann hinaus in den Garten des Hotels und von dort weiter tn die herrliche Umgebung Monacos.
Nirgends fanv der unglückliche junge Mann Ruhe, und kein einziger rettender Gedanke stieg in seiner Brust auf, um ihn von der Spielschuld zu befreien.
„Es ist unmöglich, gänzlich unmöglich," seufzte der junge Mann, „ich bin unrettbar einem finsteren Geschick verfallen und werde meinem guten Vater den schrecklichen Leichtsinn beichten müssen, um die Schuld zu tilgen, denn an die Hoffnung mit dem mir noch vo» Raben angebotenen Geld im Spiel das Verlorene wieder zu gewinnen, wage ich nicht einmal zu denken, und ich will auch mit diesem gleißenden Verführer, dem Raben, Nichts weiter zu schaffen haben.
EggonSberg Geist schweifte weit, weit zurück in seine glückliche Kindheit, wo er fast wie im Paradiese gelebt hatte, und alle Erinnerungen seines vergangenen Lebens verfolgend fand er nicht die geringste Ursache zu einem solchen Leichtsinn, wie er gestern gezeigt. Seine Gemütsstimmung wurde dadurch nur noch trostloser, Sein halbes Leben hätte er darum geben mögen, wenn er die gräßliche Spielschuld und seinen gestrigen Leichtsinn hätte lügen können.
Mechanisch trugen ihn seine Füße weiter und er verirrte sich allmählich in die benachbarten Berge. Plötzlich stand er an einem gähnenden Abgrunde, in dessen Tiefe ein düsterer Gebirgssee sichtbar wurde.
„Ein Sprung in die T'efe und alles Elend ist zu Ende I" rief es in seinem Innern, aber EggonSberg wieberstand der Versuchung standhaft, denn er war viel zu gottes- fücchtig, um selbst in diesem schweren Kummer sein Leben mit einem Selbstmord zu enden.
Eine wunderbare Beruhigung griff, als er die Versuchung überstanden in seinem Gc- müte Platz, ovwohl er selbst noch keinen Gedanken daran hatte, daß das Unheil, welches
seine Zukunft bedrohte, von ihm genommen werden könnte.
Seltsam beruhigt i» seinem angeregten Gemüte, obwohl er sich immer noch nicht Rechenschaft über die Ursache dieser Umwandlung in seinem Innern geben konnte, setzte sich EggonSberg am Rande des Abgrundes nieder und blickte sinnend auf den melancholisch im Halbdunkel liegenden Gebirgssee und dessen dunkle Flutwellen.
Wohl eine Stunde mochte er wie träumend an dieser Stelle gesessen haben, da wurde er durch leise Schritte hinter sich aufgeschreckt. EggonSberg sprang empor und wandte sich um. Da stand ein riesig großer schwarzer Hund vor ihm und musterte ihn mit seinen dunklen Glutaugen. Ter sonst nicht furchtsame EggonSberg erfchrack unwillkürlich von dem gewaltigen Tiere, welches hier in dieser einsamen Gegend wohl nur einem Schmuggler oder Räuber gehören konnte. Der Hund stieß daun ein kurzes Bellen aus und wenige Augenblicke näherte sich ein hagerer in einen dunkeln Mantel gehüllter Mann der Stelle, wo EggonSberg vor dem Hunde stand. Der Mann trug einen schwarzen Schlapphut, und ein dunkler, mit einzelnen grauen Haaren vermischter Vollbart umrahmte sein düsteres Antlitz. Der Hund lief bei dem Nahen seines Herrn stumm und demütig hinter demselben zurück, und der seltsame Fremde stand bald dicht vor EggonSberg.
„Lassen Sie sich nicht stören," sagte der Fremdling zu EggonSberg, „und setzen Sie sich wieder nieder, wo Sie vorhin gesessen haben, ich thue desgleichen, denn hier in dieser einsamen Gebirgswildnis müssen alle Menschen mit einander Freundschaft schließen."
Als EggonSberg zögerte, der Aufforderung des Fremdlings Folge zu leisten, srug ihn dieser barsch:
„Fürchten Sie sich vielleicht vor mir? Nun, das haben Sie nicht nötig, denn wenn ich Ihnen etwas Böses hätte zufügen wollen, so würden Sie schon längst tot zu meinen Füßen oder unten im Tenfelsloche liegen, wie die Leute den dunkeln See nennen. Mein Hund konnte sie von hinten packen und niederreitzcn oder ich konnte Ihnen von jenem Abhange dort, wo ich vorüber ging, eine Revolverkugel durch den Kopf schießen, denn ich bin kein schlechter Schütze und ich konnte mich auch wie eine Katze an Sie heranschleichen und Sie in den Abgrund stoßen. Aber nichts that ich von alledem, also müssen Sie zugebe», daß ich Sie nicht morden will. Darum wollen wir uns ruhig an diesen schönen Abgrund niedersetzcn."
Der unheimliche Mann sprach die letzten Worte in einer solchen merkwürdigen Be- Ivnung aus, daß EggonSberg der Aufforderung unwillkürlich Folge leistete und sich neben den fremden Mann an den Rand des Abgrundes setzte.
„Es wäre gerade kein schlechter Tod, wenn wir uns beide hinunter in den See stürzten, zweihundert Meter tief mag es hinab sein und zwei Unglückliche wären weniger auf der Welt, denn daß Sie auch wie ich unglücklich sind, sah ich Ihne» schon längst an. Jetzt gilt es aber festzustellen, ob Sic Glück haben und Ihr Unglück kümmert uns dann nichts I"
EggonSberg rückie unwillkürlich etwas vo» dem seltsamen Manne, der eine solche rätsel
hafte Sprache führte, zurück. Sollte eS ein Wahnsinniger oder gar der Teufel in Men« schengestalt sein, um ihn zu versuchen ? Ganz unheimlich rollten die stechenden dunkle Augen des Fremden und er machte eine solche strenge Miene und runzelte die Stirn so verdächtig, als könne er Wiederspruch unter keinen Umständen ertragen.
ja wir müssen feststellen, ob Sie Glück haben, junger Mann, und dann sind Sie gerettet und ich werde dann hoffentlich auch von einem Fluche, der schwer auf mich lastet, erlöst werden. Wir spielen Würfel, die höchste Nummer gewinnt immer, das ist ein einfaches Spiel."
„Aber ich habe kein Geld, um spielen zu können," erwiderte EggonSberg und wehrte mit der Hand ab, „außerdem spiele ich nicht mehr."
„Sic müssen spielen," erklärte jetzt der fremde Mann mit rollenden Augen, >„denn es hängt davon sehr diel, ja vielleicht Ihre ganze Zukunft davon ab, denn ich muß sehen, ob Sie heute Glück haben. Hier sind die Würfel, wir würfeln hier auf dieser glatten FclSplatle. Fangen Sie an!"
Unter einem seltsamen Zwange stehend, ergriff EggonSberg den kleinen ledernen Würfelbecher, den ihm der Fremde hingeschobcn hatte, und würfelte. Er warf die Zahl 644. Gleich darauf würfelte der Fremde und warf 632.
„Sie haben g-wonnen I" rief sofort der seltsame Monn und schob seinem Partner ein Goldstück hin. „Aber wir spielen weiter, Ich fange jetzt an."
Er würfelte und warf 321. Eggons- berg that desgleichen und warf 431. Schweigsam schob ihm der Fremde ein zweites Goldstück zu und ergriff von Neuem den Würfelbecher. EggonSberg gewann wieder und sein Partner rief entzückt aus: „Sie scheinen wirklich Glück zu haben, junger Herr I" Er. schob ihm dann abermals ein Goldstück zu und spielte weiter und weiter mit EggonSberg und dieser gewann immer. Bald thürmle sich ein Haufen Goldstücke vordem jungen Edelmanne und je mehr er gewann, um so unheimlicher wurde ihm dabei. Wiederholt kam eö ihm vor, als ob er träume, und er faßte nach seiner heißen Stirn, aber es war doch Alles Wirklichkeit, die Würfel hüpften so deutlich vor ihm auf der Felsplatte und die Goldstücke klangen so rein.
„Jetzt haben Sie mein ganzes Gel gewonnen I" rief auf einmal der seltsame Fremdling ganz heiter, „Sie haben wirklich Glück, junger Mann!" dabei schob er EggonSberg fein letztes Goldstück zu. „Aber wir müssen Ihr Glück noch weiter erproben," fuhr der Fremde mit leuchtenden Augen fort. „Jetzt spielen wir um meinen Revolver, er ist hun« vert Francs wert.
Wider begann das Würfelspiel undEg- gonsberg gewann auch den Revolver, den ihm der seltsame Mann alsbald überreichte.
(Fortsetzung folgt.)
Merks.
Alles trag ich, was ich habe,
Zum Altäre, — Leid und Glück;
Manches nimmt der Herr als Gabe,
Anderes kehrt verklärt zurück.
Was hält uns frisch und jung?
Arbeit und Erinnerung.
Stedar»«». Druck und Vertag von Beruh. Hssmauu in Mldhad.