Rundschau.
Stuttgart, 22. November. Der Herzog Robert, Bruvcr teS Herzogs Albrecht ist am Freitag nachmittag auf dem Cannstatier Wasen vom Pferde gestürzt. Der Herzog konnte sich noch zu Pferd nach feiner Wohnung begeben, verlor aber alsbald infolge Gehirnerschütterung das Bewußtsein. Auf Anordnung seines sofort benachrichtigten Bruders Albrecht wurde er noch im Lause des Abends nach dem Kronprinzenpalats überführt. Erst SamStag nachmittag ist das Bewußtsein wieder zurückgekehrt, die Nacht vom SamStag ans Sonntag war gut, der heutige Zustand ist ein befriedigender.
Stuttgart, 23. Nov. Dem Berl. Tagbl. wird von hier geschrieben: W>e man hört, hat der Vertreter des königlichen Finanzministeriums anläßlich der Verhandlungen wegen des RathauSneubaus erklärt, daß die Tage des Hoflheaters an seinem jetzigen Platz gezählt seien, und falls der Lcgions-Kasernen- plotz nicht an die Stadt zum Zweck des Rathausneudaus übergehe, möglicherweise ein neues Hoftheater dort erbaut werde. Die Kosten für das Areal des Legions-Kasernen- platzes würden sich auf mehr als zwei und eine halbe Million stellen, falls es von der Stadt erworben wird, was aber immer noch fraglich erscheint.
Stuttgart, 23. Nov. Ein schweres Unglück, dem ein junges blühendes Menschenleben zum Opfer fiel, ereignete sich, wie schon kurz von uns berichtet, Samstag Nacht in einer Dienstwohnung der Bad. Anilin- und Eodasabrik in Ludwigshafen. Die 26 Jahre alte Tochter Emma des Kommerzienrates Siegle von hier weilte dort bei Chemiker V. Zwehl zu Besuch ihres Bräutigams, des K. daher. PremierlicutenantS Frhr. v. Feilitzsch. Als die Dame am Samstag früh ihr Schlafzimmer nicht verließ, wurde nach ihr gesehen und dieselbe nahezu entseelt in ihrem Bette aufgefunden. Während der Nacht fand eine Gasausströmung, vermutlich durch einen Irrtum in der Behandlung der Lampe, statt, und führte so das Unglück, welches über mehrere Familien grenzenloses Herzeleid brachte herbei. Wiederbelebungsversuche wurden zwar durch mehrere Aerzte vorgenommen, aber leider erfolglos; das Bewußtsein der Dame kehrte nicht wieder zurück, während der Tod im Laufe des TageS eintrat. Die Leiche wurde gestern nachmittag hierher überführt.
Birkenseld Der Wildbader „Liedcrkranz" stattete am letzten Sonntag nachmittag dem hiesigen „Sängerbund" einen Besuch ab. Vom Sängerbund am Bahnhof empfangen, begaben sich die Teilnehmer unter den Klängen der Wildtater Feuerwehrkapellc in das Gasthaus zum ,Adler-, woselvst das deutsche Lied alsbald zu seinem Rechte kam. Herr Schullehrer Rau als Dirigent des hiesigen Vereins gab seiner Freude über den so zahlreichen Besuch Ausdruck, der Vorstand des „Liederkranzes" Wildbad Hr. Postsekretär Herrmann erwiderte mit warmen Worten dankend und den Wert der gegenseitigen Besuche der Gaubundsvereine hervorhebend. In hübscher Abwechslung wurden die schönsten Lieder zu Gehör gebracht. Vom Gasthaus z. „Adler" giengs zu den „Drei Raben", woselbst noch unter großem Beifall mehrere humoristische Vorträge einzelner Sänger vom Stapel giengen. Nachdem der hiesige Verein einen baldigen Besuch in Wildbad in NliSstcht gestellt hatte, verließen dieWitdbader
SangeSgenossen mit dem Abendzug wieder Birkenseld. (Enzth.)
Nagold- Für die bedürftigen Gewitterbeschädigten des Landes sind an das Kossenamt der Zentralleiiung des Wohllhäiigkeits- vereins in Stuttgart — cinschl. 500 Beitrag der Amtskorporation — aus dem Bezirk Nagold nunmehr bar abgeliesert worden 6510 ^ 56
Tübingen. Die Schwurgnichtssitzungen des IV. Quartal beginnen hier am Dienstag den 28. Dez- d. I. vorm. 9 Uhr unter dem Vorsitz des Landgerichtsrais Kohlhund.
Tübingen, 23. Nov. Nach einem heute abend ausgegedenen Sonderblat der „Tübinger Chronik" hat Amtmann Hepp aus Stuttgart dem Gemeinderat milgetnit, daß er sich wegen Erkrankung an einer Rippsellentzündung genötigt sehe, seine Bewerbung um die Stadt- fchultheißenstelle zurückzuziehen. Der einzige Bewerber ist danach Polizeiamtmann Haußer.
Von der Alb, 19. Nov. Forstwart Weber in Merklingen, einem allgemein beliebten Beamten, wurden vor ca. 8 Tagen 4 Bienenstöcke ausgeschwefelt. Nunmehr sind ihm alle feine Stöcke, 7 an der Zahl, die im Walde Lehr untergebracht waren, verbrannt worden.
Neresheim, 21. Nov. Im benachbarten Frickingen machten in vor. Woche 2 Arbeiter beim Sieingraben im Wald einen Fund von 18 Goldmünzen, die teils größer, teils etwas kleiner als unsere Doppelkronen, aber dünner als diese sind. Die eine Seite der Münzen trägt einen schönen männlichen Kopf, bartlos, die andere Seile einen Engel. Aus der Umschrift kann man „Justinian" entziffern.
Vom Härtsseld , 23. Novbr. In dem Waide zwischen Eichingen und Beuren wurden letzter Tage dortfeldst befindliche Grabhügel dloßgelegt. Die Vorgefundenen Gegenstände (Waffen, Keule, Aexie rc.) aus Stein lassen darauf schließen, daß es Gräber aus der alten Zeit unserer Vorfahren, aus der sog. Steinzeit sind. Weitere Nachgrabungen dürften wohl noch manches Interessante zu Tage fördern.
Ulm, 22. Nov. Schon wieder hat sich in Offenhausen bet Neu-Ulm eine gräßliche Biulthat ereignet. Der Schuhmacher Höhle von Offenhausen wurde gestern abend 9 Uhr, etwa 200 Schritte von Offenhausen entfernt, auf der Straße nach Neu-Uim von einem bis jetzt unbekannten Manne angcfallen, der ihm mit einem Baumpsahl einen Streich auf den Kopf versetzie und ihm damit die Schädei- dccke zertrümmerte, sowie 6 Stiche in Kopf und Hals beibrachte. Der Verletzte befindet sich zwar noch am Leben, dürfte aber schwer- tich davon kommen. Da der Geldbeutel fehlte, so nimmt man an, daß ein Raubmord vorliegt. Der Schwerverletzte wurde von zwei Brauern die von Neu-Ulm heim- kehrlen, im Straßengraben liegend gefunden.
Pforzheim, 22. Nov. Die Arbeiter des städtischen Gaswerks haben gestern Sonntag früh plötzlich ihre Arbeit niedergelegt und damit die Herren von der Gaskommission und die Bewohnerschaft Pforzheims in nicht geringe Aufregung versetzt. Der Versuch, lasch auswärtige Kräfte zu gewinnen, mißlang und so sah man sich veranlaßt, die verlangte Lohnerhöhung zu bewilligen. Nachmittags war dieser eigenartige Ausstand schon beendigt.
Aus dem Rheingau, 20. Nov. Die Weinlese ist in mehreren größeren Weingütern
des Rheingaues, darunter z. B. denjenigen der königl. Domäne, des Frhr». v. Stumm- Halberg in Hattenheim u. a. noch nicht beende!. Die Verlängerung steht unter der Gunst des fortdauernd milden Wetters, und namentlich die Auslesen liefern sehr hervorragende , den neuen Jahrgang des Rhein- gauer Wachstums kenn- und ausznchnmde Ergebnisse.
— „Die Waren müssen zu den im Schaufenster verzejchneten Preisen und zwar Verlangen der Kunden in jeder nachweislich vorhandenen Menge verkauft werden", entschied dieser Tage vas Berliner Schöffengericht in einer gegen einen dortigen Kaufmann gerichteten Klagesache. Dieses Urteil zeigt deutlich die nachdrückliche Einwirkung des Gesetzes wider den unlauteren Wettbewerb auf unser Erwerbsleben' Während früher fast alle in solchen und ähnlichen Fällen von getäuschten Käufern angestrengten Klagen zu Gunsten des Verkäufers ausfielen, haben diese jetzt einen viel schwereren Stand, da die Gerichte Ausreden, wie z. B. die Sachen könnten nicht aus dem Schaufenster entfernt werden, sie seien nur in geringer Menge vorhanden oder dürfen zn solchen Preisen nur an die Stammkundschaft abgegeben werden, als „beweislose Einwendungen" behandeln.
— Ein Kindsmörder. Als die Arbeiterfrau Neumann in Berlin, Jasmundstraße wohnhaft, gestern abend von der Arbeit heimkehrte, fand sie ihren Mann anscheinend betrunken auf dem Sopha, während ihre kleine Tochter mtl Blut besudelt, nackt und tot unter feinen Füßen lag. Die Frau, für ihr Leben fürchtend, entfernte sich teise, nachdem sie die Leiche des Kindes hervorgezogcn Halle, und veranlaßt« die Verhaftung des Mannes, der das Kind gehaßt habe. Neumann war blutbefleckt und das Bettgestell des Kindes zerschlagen. Neumann hatte das Kind anscheinend an den Beinen gefaßt und mit dem Kopf gegen das Betlgestell gestoßen. Neumann, der erst 21 Jahre alt und wiederholt bestraft ist, gab an, er sei sinnlos betrunken gewesen und wisse nicht, waS mit dem Kinde vorgcgangen sei.
— Der Notstand unter den jungen Aerzten Berlins steigert sich von Tag zu Tag. Gegenwärtig kommt auf je 500 Personen ein Arzt. Am rücksichtslosesten zeigt sich der ärztliche Konkurrenzkampf in den westlichen Stadtteilen, wo es Straßen giebt, in denen fast jedes dritte Haus einen Arzt beherbergt.
Spandau, 21. Nov. (Ein Defraudant) Mil dem gesamten Kassenbestand durchgebranut ist der hiesige Kassierer der sozialdemokratischen Central-UnterstützungS- kasse der Maurer Deutschlands in Hamburg, Maurer Nvth; Frau und Kinder hat er hier in hilfloser Lage zurücklasten. Als seine Genosten gestern in einer Versammlung über den Fall zu Gericht saßen, waren sie beson» ders darüber entrüstet, daß Noth am Tage vor seiner heimlichen Abreise hier noch ein Weingelage veranstaltet hatte. Von seiner Strafverfolgung wollen ste trotzdem Abstand nehmen.
Straubing, 20. Nov. Hier hat die Hinrichtung des Raubmörders Nußsteiner heule früh 7'ir Uhr stattgefuiidcn.
— In Jena wurde der Student Schauburg ans Elbing während des Schlafes durch Gas, das aus dem Zimmerofcn ausströmte, getötet.