Rundschau.

Stuttgart, 14. Nov. In dem benach­barten Bothnang wurde vor einigen Tagen ein Kind geboren, das wie der Odysseeische Cyclop nur ein Auge, und zwar mitten in der Stirn Halle. Das Kind, das noch mit sonstigen Abnormitäten behaftet war, erregte unter den hiesigen Aerzten großes Interesse, ist aber nach einigin Tagen Lebensdauer an Entkräftung gestorben.

Neckargartach, 15. Nov. (Des Kindes Engel.) DaS vierjährige Kind eines hiesigen Einwohners stürzte am Samstag nachmittag, als gerade die Mutter für einige Augenblicke von der Wohnung abwesend war, aus dem Fenster zwei Stock hoch herunter und fiel dabei in einen zufälligerweise unten stehenden Korb. Glücklicherweise kam das Kind ohne irgend einen Schaden zu nehmen, mit dem Schrecken davon.

Crailsheim, 16. Nov. Im Staatswalde »Schaftrieb" waren gestern nachmittag Holz­macher damit beschäftigt eine große Buche zu fällen. Beim Fällen machte diese eine unvorhergesehene Wendung und traf einen 52jährigen Holzhauer so unglücklich, daß er sofort tot war. Er hinterläßt eine Frau und 6 Kinder. Ein anderer Holzhauer wurde so schwer verletzt, daß an seinem Aufkommen gezweifen wird.

Tuttlingen, 15. Nov. Ein Akt schänd­licher Rohheit wurde in vergangener Nacht auSgeführt, indem in den Stallungen des Hotels zur Post und zum Hecht zwei wert­vollen Wagenpferden der Hinierscheukel in einer Länge von ca. 50 om mit einem scharfen Instrumente, anscheinend einem Schuster­messer, aufgeschlitzt wurde. Bei der Tiefe der Wunden ist die Herstellung der Tiere fraglich. Der Thäter, welcher zweifellos einen Racheakt ausführen wollte, ist, wie derSl.- Anz." berichtet, noch unbekannt.

Urach, 15. Nov. Die Gemeinde Würt­ingen, OA. Urach, bezahlt ihrem Maulwurf­fänger für jedes gefangene und an sie abge­lieferte Stück 4 Zur Kontrolle wird den Mäusen der Schwanz abgeschnitten. Ob­gleich der Maulwursfänger seit Monat April d. I. über 5000 Stück abgeliefert und be­zahlt erhalten hatte, wollten die Mäuse gar nicht adnehmen. Man schöpfte deshalb end­lich Verdacht und untersuchte die abgelieserten Stücke, worauf sich herausstellle, daß einer großen Zahl die Schwänze mit schwarzem Faden angenäht waren. Hierauf wurde An­zeige wegen Betrugs erstattet.

Ehingen, 13. Nov. Ein elendes Hafen- leutfuhrwerk, bespann! mit einem müden hungrigen Pferd, begegnete gestern Mittag auf der Landstraße einem Bauer» von Aigen­dorr. Das Pferd bleibt plötzlich stehen und traf Anstalten, dem lustig pfeifenden Bauern

trotz Peitschenhieben und Donnerwetter deS Wagenlenkers nachzulaufen. Der Bauersmann, durch den Spektakel aufmerk­sam gemacht, geht zurück und will dem Hafen­mann helfen, das störrische Pferd zu be­zwingen. Beim Näherkommen empfängt ihn freudiges Gewieher des Pferdes.Hans ?"

Wiederholtes Gewieher. Dem wackeren Landmann wurden die Augen feucht. Er fragte den verdrießlichen Hafenmann ob das Tier feil sei.Samt dem Karren könnt Jhrs haben um 20 Mark." Auf der Stelle wurde der Handel abgeschlossen und der junge Bauer, der vorigen Herbst von der Kavallerie zur Reserve entlassen, zieht mit seinem Hans,

der ihn 4 Jahre lang getragen, nach Hause.

Dillstein, 19. Nov. Elende Buben ha­ben aus den Grundstücken zweier Bewohner unseres Dorfes sämtliche junge Obstbäume ausgerissen. Man vermutet einen Racheakt. Hoffentlich gelingt es, die Thäter ausfindig zu machen, damit ihnen die wohlverdiente Strafe zuteil wird. Eine gehörige Tracht Prügel wäre da am meisten angezetgt. Sol­chen Burschen sollte eigentlich nie mehr ei» Wssen Obst über die Lippen kommen I

München, 17. Nov. Heute früh erfolgte in den umfangreichen Räumen des Maxi­miliankellers ein Gewöldeeinsturz. Dem Ver­nehmen nach wurden hiebei 7 Arbeiter ver­schüttet. Die Rettungsarbeiten wurden so­fort eingeleilet und sind noch im Gange.

München, 17. Nov. Wie nunmehr fest- gestellt worden ist, sind bei dem Einsturz des Kellergewölbes im Moximiliankeller im ganzen 19 Personen verunglückt. Davon sind 7 tot. 11 Verunglückte wurden ins Krankenhaus überführt. 1 Arbeiter, welcher nur leichtverletzt, konnte sich in seine Wohn­ung begeben. Der 'Zustand eines Schwer­verletzten ist sehr bedenklich. Die Schuld an diesem Unglück trifft die Firma Geck u. Klingler, die an dem Kellergedäude Aus­wechslungen vornahm, ohne die baupolizei­liche Genehmigung erhalten zu haben.

München, 18. Nov. Gestern abend wur­den wegen des Gewölbeinsturzes im Maxi- milianskeller der Baumeister Klinger und der Palier Henke verhaftet. Ein Verschütteter ist bis jetzt noch nicht herausgebracht worden.

Berlin, 13. Nov. Dir Sammlungen für das Grabdenkmal des verewigten Staats­sekretärs v. Stephan nehmen einen regen Fortgang; laut der neuesten Quittung find schon 47,972 ^ eingegangen. Diese Summe erscheint um so bedeutender, wenn man be- rüchsichtigt, daß Beiträge zu dem Denkmal nur aus Postkreisen gespendet werden.

Berlin, 13. Nov. Heute vor hundert Jahren wurde der Komponist des Liedes Was ist des Deutschen Vaterland ?" Gustav Reichardt geboren. Er studierte anfangs Theologie in Greifswald und Berlin, ging aber bald zur Musik über und wurde Musik­lehrer in Berlin. Seine schöne Baßstimme führte ihn in alle Kreise ein. Die Kompost tion deS Arndtschen Liedes fällt um das Jahr 1825. Mehrere Jahre hindurch war R. Leiter der BerlinerLiedertafel", sowie auch Musiklehrer des späteren Kaisers Friedrich. Er starb am 19. Oktober 1884 in Berlin.

Berlin, 15. Nov. Der Disciplinarhof für die Schutzgebiete hob die Vorentscheid­ung gegen den Reichskommissar Dr- PeterS auf, erkannte ihn für schuldig in vollem Um­fange der Anklage, .erkannte auf Dienstent­lassung und legte dem Angeklagten alle Kosten auf.

Berlin, 16. Nov. (Militärisches.) Heute vormittag 10 Uhr fand die Vereidigung der Rekruten der hiesigen Garnison im langen Stalle statt im Beisein des Kaisers und der Kaiserin, sowie des Prinzen und der Prin­zessin Friedrich Leopold von Preußen, des Erbprinzen und des Prinzen Karl Anton von Hohenzollern, der gesamten Generalität und der fremdherrlichen Offiziere. Nach der Vereidigung hielt der Kaiser eine Ansprache an die Rekruten. Daraus brachte General­major v. Kessel ein Hoch auf den Kaiser aus. Nach der Feier um 11 Uhr vormit­tags begab sich der Kaiser in die GarnisonS­

kirche, um dort die neuen Baupläne der Kirche zu besichtigen, darauf in das Osfizierskasino des ersten Garderegiments zu Fuß und nahm im Kreise des Offizierkorps das Frühstück ein.

Metz, 12. Nov. Ein blutiges Drama ereignete sich am Sonntag abend im Fort Quenlen. Ein Sergeant vom 4. bayerischen Infanterie-Regiment beging den Erinnerungs­tag an seinen Eintritt in das Regiment durch eine kleine Feier, zu der er die älteren Leute seiner Abteilung eingeladen hatte. Gegen 9 Uhr schickte er die Soldaten auf ihre Stu­ben. Zwei davon trafen auf einen Rekruten, der sein Bett verlassen halt, ergriffen ihn an den Schultern und stießen ihn roh in die Stube zurück. Nach einigen Augenblicken trat der Rekrut wiederum aus seinem Zim­mer heraus, da er glaubte, seine Angreifer wären weiter gegangen; diese hatten jedoch auf ihn gewartet, warfen ihn zu Boden und hieben ihn fürchterlich, woraus dieser in seiner Not ein Messer zog und einen seiner An­greifer durch sechs Messerstiche derart ver­letzte, daß er am Montag abend verschied, ohne das Bewußtsein wieder erlangt zu haben.

KoWNV, 16. Nov. Der 22jährige Tier­bändiger Leo Kolberg wurde beim Schluß der gestrigen Vorstellung im Löwen- und Tigerkäfige von den Bestien zerfleischt. Es entstand infolge dessen eine große Verwirr­ung unter den Zuschauern; 8 Personen wur­den im Gedränge erdrückt, mehrere schwer verletzt.

Hungersnot. In Tunesien herrscht infolge der Trockenheit und gänzlich ausge­fallenen Körnerernte schreckliches Elend; die Araber samt ihren Herden sind dem Hunger- tvde nahe. Einige Kaufleute aus Susa hatten den guten Gedanken, Mais aus Rußland zu sehr billigem Preise kommen zu lassen. Ais nun aber der Dampfer Euryauthc mit 400 Tonnen über Marseille in Susa ankam, verlangte die Zollverwaltung kraft der be­stehenden Vorschriften die Anwendung des Minimaltarifs, die Mais mit 6'/» Fr. für die Tone belegt, 50 pCt. des Wertes. Die Händler erhoben Einspruch, die Karawanen wartete», aber der Steuerdirektor blieb fest. Erst den Bemühungen des Präsidenten der Handeiskammer gelang es, die russische Her­kunft gelten zu lassen, wonach bloß 15 Cents für die Tonne zu entrichten sind.

Verschiedenes.

Von den Toten auferstanden. Eine mysteriöse Geschichte macht, wie man ans Bad Wildungen schreibt, dort von sich reden. Die gemütskranke Frau eines Werkmeisters wurde vermißt und überall gesucht, bis mau sie am zweiten Tage auf dem Hausboden in einer Ecke zusammenkauert und in vollständig erstarrtem Zustande vorfand. Die Ange­hörigen zweifelten nicht am Tode der leiden­den Frau, und ohne ein Arzt zu Rate zu ziehen, erfolgte die Anzeige von ihrem Ab­leben beim Standesamte. Dieses stellte den Totenschein aus und daraufhin wurde seitens der Gerichtsbehörde die erforderliche Genehmig­ung zur Bestattung anstandslos erteilt, Als man sich nun nach Erledigung dieser For­malitäten um die Verstorbene selbst beküm­merte; stellte es sich Schrecken aller heraus, daß die Frau, für welche bereits der Sarg bestellt war, überhaupt nicht tot, sondern in­folge von Starrkrampf scheintot gewesen war. Schwierig ist nun, dieTote" in den Bücher^