drei- und viertägiger Gültigkeit wieder eingeiührt, 3) die Vergünstigung der Schüler in Form von Schülerkarten in geeigneter Weise auch den Lehrlingen zuteil werden? Der Fragesteller begnügt sich mit einer schriftlichen Antwort. Kleine politische Ansrage.
(SCB.) Stuttgart, 11. Jan. Die Abgg. Hey mann und Nesper (Soz.) haben im Landtag erne Kleine Ansrage eingebracht, in der es u. a. heißt: Ist dem Minister des Kirchen- und Schulwesens bekannt, daß über die Gründe, aus denen Deutschlands Niederlage im Weltkrieg erfolgte, im Volk weitgehend unklare und direkt falsche Vorstellungen verbreitet sind? Ist ihm ferner bekannt, daß diese Unkenntnis von verschiedenen Seiten intendenziöstr Weise zur Beschimpfung und Verdächtigung des Volksstaates, seiner demokratischen Einrichtungen und seiner führenden Persönlichkeiten ausgenutzt wird. Ist der Minister bereit, diesem Zustand durch Förderung sachlicher und wahrheitsgetreuer Aufklärung über die geschichtlichen Vorgänge, namentlich auch im Rahmen des geschichtlichen und staatsbürgerlickten Unterrichts in den Schulen aller Art ent- gcgenzuwirken? Ist er bereit, die Schrift des Neichsmini- sters des Innern Dr. Köster „Konnten wir im Herbst 1918 weiterkämpfen?" dabei in angemessener Weise zu verwenden?
Unentgeltliche Buskunst über Auslandssragen.
Da» Deutsche Ausland-Institut Stuttgart wird als gemeinnützig,: Anstalt auch weiterhin unentgeltlich über alle Fragen des Auslands Auskunft erteilen, Auswanderer beraten, über deutsche Zeitungen, Schulen, Kirchen, Vereine, Firmen, Geschäfte, Vertretungen und Einzelpersonen Auskunft geben und nach Maßgabe der vorhandenen Nachfrage auch Stellen vermitteln Die Auskünfte werden auch weiterhin kostenlos an jedermann gegen Rückporto erteilt.
Zurkerschiebung.
Von zuständiger Seite wird milgeteilt: Mit einem typischen Fall von Kettenhandel mit Zucker hatte sich in letzter Zeit das Landespolizeiamt, Abteilung Wucheramt. zu befassen. Tie Firma Wilhelm Bräuning in Tübingen hat einen ihr im November 1921 von der Zuckerfabrik Stuttgart zugewiesenen Wagen mit 10 000 Klg. Kristallzucker. den sie um 72 000 ttL erwarb, trotz der in Württemberg herrschenden Zuckerknappheit durch Vermittlung eines Maklers in Augsburg, der hiefür eine Vermittlungsprovision von 1000 .-4t erhielt, an die Firma SilaS Meyer Söhne in Freiburg zum Preis von 95 000 Mark weiterverkauft. Meyer Söhne verkauften den Zucker,.der auf ihre Veranlassung von der Firma Bräuning nach der Station Obcr- kirch in Baden gesandt wurde, an den Kaufmann Samuel Wcrthei- mer in Kippcnheim um 114 000 Dieser schob deü Zucker zum Preis von 117 000 weiter an den Lagerhalter Ludwig Büchele in Oberkirch, der den Wagen endlich entlud und den Inhalt zentnerweise — angeblich zum Preis von 1130 das Kilo — an Ladengeschäfte weitervenaufte. Die Beteiligten sehen ihrer Bestrafung wegen Kettenhandels und Preistreiberei entgegen.
(SEV.) Neuenbürg, 11. Jan. Infolge des niedergegangenen Regens sind die Schneemassen über Nacht verschwunden. Das befürchtete Hochwasser blieb aus, da das aufgeweichte Erdreich die Feuchtigkeit ausgenommen hat. Di; Enz ist leicht angefchwollcn, die Wassernot vorerst behoben.
(SCB.) Talzstctten, DA. Horb, 10. Jan. Am Erschei- nungsfest abend spielte das Messer bei zwei jugendlichen Brüdern, ob im Scherz oder im Ernst HIeibe dahingestellt, eine Rolle. Dabei wurde der ältere von dem iSjährigen Bruder am Arm io schwer verletzt, daß seine Verbringung in das Nagolder Krankenhaus nötig wurde, worin er kurz nach der Einlieferung an seiner schweren Verwundung starb.__
Geld-, Volks- und LaÄmrlchait.
Der Kurs der Reichsmark.
* Der Dollar steht heute auf 176.75 ,-4t
Das Hartgeld.
Die Ausprägung von Hartgero zum Ersatz des Papiergeldes ist. wie wir bereits mitleilten, von der Neichsregie- rung beabsichtigt. Es sollen im Frühjahr dieses Jahres Münzen zum Werte von 1, 2 und 5 Mark ans Kupfer her-
gestellt werden, die eine Aluminiumlegierung erhalten sotten. Auf der Rückseite wird der neue Reichsadler an- U0!llcht. während die Vorderseite eine lateinische Inschrift tragen soll. Das 5 Markstück wird etwa so groß wie das frühere Dreimarkstück, während die Enn- und Zweimarkstücke etwas größer wie die ehemaligen Geldstücke sein werden. Ter Metallwert dieser neuen Geldstücke wird natürlich oanz erheblich geringer sein als der Münzwert. Das ist sehr zweckmäßig, denn sonst würde durch die überaus törichte Hamsterei von Geldstücken die Ausprägung dieser neuen Münzen ibren Zweck verfehlen. Die bisher im Umlauf befindlichen Papierscheine sollen nur allmählich aus dem Verkehr gezogen werden, um nicht einen Mangel an Zahlungsmittel eimreten zu lassen.
Börsenbericht.
(ECB.) Stuttgart, 10. Jan. Die Tendenz an der heutigen Börse war geteilt; nach der einen Seile zeigte sie Haussestimmung, nach der anderen überwogen die Abgaben. Fest war der Bankenmarkt: Hypothekenbank plus 16 Proz., Bankanstalt inin. 20 Proz.. aber bei slotlem Geschäft, Tex- tilnktien hatten vorwiegend unter Angebot zu leiden: Kolb u. Schüle min. 110 Proz.. Filziabrik min. 10S Proz., Eßlingen min. 49 Proz., dagegen Unterbauien plus 120 Proz. und Kattun plus 50 Proz. Die Nachfrage nach Brauereiaktien war gering, doch zeigte sich auch kein wesentliches Angebot: Rettenmeyer-Tivoli min. 25 Proz. Englischer Garten min. 5 Proz., Zahn min. 20 Proz. Von Metallwerten erfreuten sich Tuttlingen (plus 110 Proz.) und JuneHans (plus 20 Proz.) regen Interesses. Unter den Maschincnpavieren hatten Daimler (plus 24 Proz.) die Vorhand: dagegen waren Eßlinger Maschinen (min. 05 Proz.) vernachläßigt. Ncckarsulm profitierten 49 Proz. Aus den sonstioen Umsatzgebieten sind hervorzuheben: Transportversicherung min. 300 Proz.. Stuttgarter Zucker plus 15 Proz., Salzwerk Heilbronn plus 30 Proz.. Hohner- Trossingen min. 40 Proz. Im Freiverkehr war di« Grund tendenz schwach bei ziemlick kleinem Geschäft.
Märkte.
Vieh.
(SCB.) Stuttgart, 10. Jan. Dem Dienstagmarkt am hiesigen Vieh- und Schlachthof waren zugesührt: 111 Ochsen, 23 Bullen, 200 Jungbullen, 141 Jungrinder. 306 Kühe, 438 Kälber und 305 Schweine. Erlöst wurden aus 1 Ztr. Lebendgewicht: Ochsen 1) 900—980, 2) 700 bis 800; Bullen 1) 850-920, 2, 700—820. Jungrinder 1) 980 bis 1080, 2) 760-880, Kühe 1) 700—840, 2) 500—630. 3) 350—150. Kälber T) 1280—INO. 2) 1180—1260 3) 1080 bis 1150, Schweine 1) 1600-1700, 2) 1500—1590. 3) 1200 bis 1400 Verlauf des Marktes: Großvieh und Kälber lebhaft. Schweine mäßig. __,
Literatur.
„Obcrdeutschland", eine Monatsschrift für jeden Deutschen. Ver- lag „Oberdeutschland", Strecker u. Schröder, G. m. b. H., Stuttgart. Mrt dein Januarheft beginnt das zweite Vierteljahr des 3. Jahrgangs Vieser süddeutschen Monatsschrift. Das neue Heft zeichnet sich an restlichen und bildlichen Darbietungen wieder ourch Reichhaltigkeit und erlesenen Inhalt besonders aus. Aus der Fülle ver reich bebilderten Beiträge erwähnen wir: Jahreswende; Hofrat Prof. Dr. Eugen S ch w i e d l a n d-W i e n, Das Unternehmertum; Prof. Wilh. Wetgand-München, Karl Harver; Auguste Supper, Eduard Eggert zum 70. Geburtstag; Otto Werner, Bilfingen int Rhein; Studiendirektor Dr. Herm. Binder, Ein eingedruckter Brief Theodor Storms an Eduard Mottle; Friedrich Tonaucc-Luzern, Das PefthauS (Novelle); Eugen Kalkschmrdt-München, Ein ParazcisuS-Roma»; Pfarrer Dr. Gust. Basiert, Eduard Bossen zur Ehrenrettung; cand. Phil. Oskar Jancke-München, Gegen den offenen Brief des Dr. Frank Thieß an Geh Rat Roethe; Tr. Th. Heuß, Die Volksversammlung; Ucbcr Bücher und Dichter: Ltc. K. Bauer, Schleiermachers Weg zur Ehe; R. Kapsf, ein Liederbuch aus Schwaben; Tagebuch: Schriftstellerhonorare; Journalistische Vorbilder; Ter lächelnde Augur, Der „Ntaiquis de M.-S.". Gedichte sind von Eduard Lieb und Schnellbach veröffentlicht.
Für die Lchrrsttettung verantwortlich: Otto Sellm-ann, Ealw.
Truck und Verlag der A Lelichläger ichen Buchdruckerei. Calw.
Stellungnahme des witrtt. Eisenbahnbeirats zu der devorftehenden Erhöhung der Gütertarife.
Ain 4. Januar fand im Sitzungssaal der Eijenbahn-Gcnerat- dircktiou Stuttgart unler dem Vorsitz des Präsidenten der Eifenbahn- Gcnerald.rektion eine Sitzung des Beirals der Deutschen Reichsbahn, Bezirk Württemberg, statt, in der nach der Wahl des ständigen Ausschusses des Beirats über die auf 1. Februar 1922 in Aussicht genommene weiter; Erhöhung der Güter- und Tiertattse, sowie über die Aushebung der Liste A und des Verzeichnisses lt des Deutschen Ei- senbahn-Güteriattss Teil 1, Abt. verhandelt wurde. Nach der Vorlage der Deutschen Reichsbahn, die als Grundlage der Verhandlungen diente und zu der vom Vorsitzenden und von Vertretern der Eisen- bahn-Generaldirektion noch weitere Erläuterungen gegeben wurden, wird sich der Fehlbetrag der Deutschen Reichsbahn im Rechnungsjahr 192t von 8605 auf 10 855 Millionen Mark erhöhen. Für 1922 wäre mit einem Fehlbetrag von 12 200 Millionen Mark zu rechnen. Min- desteirs dieser für 1922 vorgesehene Betrag joü durch die Tariferhöhungen beseitigt, aber auch der Fehlbetrag für 1921 soll möglichst eingeschränkt werden. Die Fehlbeträge sind neben einem in der allgemein-wirtschaftlichen Lage begründeten Verkehrsrückgang gegenüber der Fttedenszeit in der starken Steigerung aller Ausgaben begründet. Dabei wurde darauf hingewirsen, daß das Verhältnis der Aufwendungen für persönliche Zwecke zu denjenigen für sachliche Ausgaben seit 1913 sich völlig verschoben hat. Während irämlich 1913 im Reichsgebiet die persönlichen Ausgaben 60.87 56 ver Betriebsausgaben betrugen, die sächlichen dagegen 39.13 5Z, beträgt das Verhältnis nach dem Haushalt 1921 für persönliche Ausgaben 52.7 Proz. für sächliche 47P Proz. Im Jahr 1922 werden auf persönliche Ausgaben 47 Proz., auf sachliche 53 Proz. entfallen. Im einzelnen ist festqestellt, daß die Dienstbezüge der Beamten am 1. Oktober 1921 gegenüber 1. August 1914 in der höchsten Klasse das 4,95sache, in der.niedersten das 13,81sache betrugen, während die Preise im Dezember 1921 gegenüber dem Jahr 1913 beispielsweise betrugen für 1 Tonne Stückkohlen das Mache, 1 Tonne Schienen das 37fache, 100 Klg Petroleum das 54iache, 1 Tonne Stabeisen das 64fache. Zur Deckung des Fehlbetrags ist eine rund 33Z4prozenlige Erhöhung der Gürer- und Tiertattse erforderlich, die in der Weise in den bestehenden Tarif eingearbeitet wurde, daß im Güterverkehr zur Verminderung der etwas zu groß -gewordenen Spannung zwischen den Sätzen der Güterklassen die bisher stärker herangezogeneu Stückgut- uni) höheren Wagenladungsklaßen auf mittlere Entfernungen bis 500 Kilometer nur mit 26—31 Proz., die bisher mehr geschonten niedrigen Wagenladungskrassen dagegen mit 32—38 Proz. belastet Hiedurch soll den in Württemberg geäußerten Wünschen um Begünstigung der von den großen Rohstoff- und Absatzgebieten weit abgelegenen Lanücsteile Rechnung getragen werden. Ter Beirat erörterte die Darlegungen über die Finanzlage und insbesondere auch die Möglichkeiten von Ersparnissen auf dem Gebiet des Personaiwcjens wre bei den sachlichen Kosten. Zum Schlup wurde folgende Entschließung einstimmig angenommen: „Der Beirat der Deutschen Reichsbahn, Bezirk Stuttgart, sfwicht bezüglich der Erhöhung der Güter- und Tiertattse sein Bedauern darüber aus, daß schon wieder die Tarife eine solch erhebliche, in die wirtschaftliche Lage, namentlich Süddeutschlands tief einschneidende Erhöhung erfahren sollen. Der Beirat ist in seiner Mehrheit der Ansicht, daß bei der Beschleunigung, die bei Durchführung der Vorlage erforderlich ist, es nicht mehr möglich ist, Acnderungsvorschläge zu machen. Wenn der Beirat der Vorlage seine Zustimmung erteilt, so kann dies nur geschehen in der Erwartung, daß nunmehr bei der Leitung der Reichseisenbahnen ernste Schritte zur Verbesserung der Finanzlage eingeleitet, durchgeführr und damit weitere Tariferhöhungen nicht mehr erscheinen werden." — Der Aufhebung der Liste ä. und de» Verzeichnisses ll im deutschen Eisenbahn-Gütertarif Teil I, Abt ti wurde zugestimmt.
Sozialdemokratische Anfrage über Arbeiterverkehr auf der Elfendayn.
Abg. Pflüger (Soz.j hat anraßuH der auf 1. Februar bevorstehenden Erhöhung der Eisenbahnfahrpreise um 75 Prozent eine Anfrage an das Slaalsministerium gerichtet, ob es bereit sei, beim Neichsverkehrsministerium dahin zu wirken, daß 1) eine weitere Verteuerung des Arbeiterverkehrs unterbleibt, 2) Arbeitersahrkarten für täglich 2- malige Benützung an Werktagen, sowie Teilfahrkarten mit
Hause zu. als wolle sie jede Erwiderung adjchneiden — ein ganz üderslüsiiges Manöver, denn Vas junge Mädchen halte die blaggewordenen Lippen fest geschlossen. Auf ein solch gerüttelt volles Maß des Ucbermutes, der Willkür und der beispiellosesten Dofpelzüngigleit halte die ehrliche, unverdorbene Jugend teine A> lwort.
18 .
Es war im Mai. Die Bäume hatten bereits ihren Blüten- schnee wieder von sich geschüttelt, und der prachtvolle lrokusbe- säumr- Hyazinthenslor, der sich, Aufsehen erregend, über den weiten Rasenplatz vor der Billa Baumgarten hingebreirer harre, war längst verblüht. Dafür färbten sich die Dolden der Fiieoerbüjche weiß und lila, und das glänzende Ketlen- geschmeio« des Goldregens schaukelte halbcntsaltet an den Zweigen
Das Fremdenzimmer stand wieder leer. Henriette war längst ln die Villa llbergesiedelt: sie hatte sich scheinbar wieder erholt, fa. es schien sogar ein Stillstand in ihrer Krankheit eingctreten zu sein, und diese Wohltat schrieb die Tante Tia- konus einzig und allein Käthes Pflege zu. Die beiden Schwestern sühnen im ersten Srockwerk ein reiches, abgeschlossenes Zusammenleben, das einen wunderbaren Reiz halte, seit der neue Flügel in Käthes Zimmer stand. Aber nicht allein die Pftege der Schwester, auch der intime Verkehr mit der Tanre hatte günstig aus Henriette eingewrrkt; sie war in dem einfachen. gemütlichen Fremdenzimmer anders geworden in ihren Lebensansichten und Lebensgewohnheiien — die Stille eines zurückgezogenen Lebens, die sie früher wie ein Gespenst geflohen, heimelte sie fetzt an, und sie blieb ruhig und wunschlos, mochte auch unter ihren Füßen Ver' Eejellschaststrudel noch jo geräuschvoll werden.
Das Haus des Kommerzienrates aber war nie geselliger gewesen als gerade jetzt, nachdem sein Besitzer geadelt worden.
Es landen sich manche neue, sehr willkommene Eiemenie ein, denen zu Ehren verschiedene Festlichtrtten veranstaltet werden mußien. und darin waren die Erfindungsgabe der Präsidentin und die Börse des Kommerzienrates unerschöpflich. Ter Mann hatte ein wunderbares Glück. Nie Hörle man von einem Verluste, von einem Mißlingen; wohin die Wünschelrute seines Geschältsgenies traf, da sprudelte die Goldquelle — man jchätzie ihn nach Million-n. Und er verstand es. wie selten ein Glückskind, den neuen Glanz der Auszeichnung vor so vielen anderen Erdgeborenen zu tragen, ihn interessant und zum nie versiegenden Gesprächsthema für hoch und niedrig zu machen. Der Spazierweg vor der V'lla Baumgarren war beliebt geworden: man zeigte die herrliche Besitzung, die sich Tag für Tag verschönerte, den Fremden.
Es wurde fortwährend gebaut: ganze Strecken des Parkes waren deshalb kaum mehr zu begehen. Man schritt an auf- gitürmten Quadern und schneeweißen Marmorblöcken hin. die oeim Bau und der Einrichtung neuer Pserdeställe verwendet wurden. Große Berge ausgegrabenen Erdreichs versperrten die Wege — für den sehr umjangreichen See. dem diese Massen Platz machen sollten, war der Boden nicht günstig: er und das Palmenhaus, eine beabsichtigte Merkwürdigkeit für die Residenz, verschlangen Unsummen. Zu alledem erschien eines Tages auch noch eine Anzahl Bauhandwerker und machte sich an einem hübschen, großen Gartenhaus zu schassen, das bis dahin unbenutzt und verschlossen gestanden hatte. Das zierliche Haus erhiel einen eleganten Anbau: es wurden neue Fenster mit ungebrochenen Scheiben eingesetzt, und dann und wann zog der Kommerzienrat Tapetenproben oder Zeichnungen sür die Täfelung des Fußbodens aus der Tasche und bat die Präsidentin, auszuwählen. Sie wurde zwar jedesmal sehr spitz und ungnädig. aber wählen mutzte sie doch. Sie ignorierte aber den Neubau. trotz des beharrlich fortgesetzten und stet» herüberklingen- den Hämmern» und Pochens, wie nur je die herrjchjüchttge Ge
mahlin eines Regierenden ihren zukünftigen Witwensitz ignorieren kann.
Zwischen diesem Trubel, diesem hastigen Beginnen und Vollenden aber kam und ging der Kommerzienrat wie ein Zugvogel. E- verreiste sehr oft in Geschälten, aber nur noch für ku-ze Zeit, wie er manchmal jagre, bann wollte er sich ein schönes Rittergut kaufen und Landedelmann werden. Hatte er aber ern- mai „ein paar Erholungstage", dann war er 'ehr viel im 'isten Stockwerk; den Rachmitlagskasfe rrant er regelmäßig droben, zum großen Aerger der Präsidentin, die dadurch ihr Lledttngs- jlündchen im Wintergarten verlor — sie war selbstverständlich viel zu ausmerkjam. um den „lieben Moritz" bei ver verorietz- lichen Kranken uiw dem fungen Backsljch allein zu laßen, und brachte das Opfer, sters fast zugleich m» ihm zu erscheinen.
Käthe war das sehr erwünscht; sie empiand nun einmal eine unüberwindliche, beklemmende Scheu vor dem Schwager uno Vormunde, seit er sich jo wunderlich zuoortommend und zärtlich ihr gegenüber und dabei jo falsch, so heimtückisch bei äußerlich unoerändener Liebenswürdigkeit gegen die Präsidentin zeigte.
Sie war überhaupt ernster geworden; bas sonnige Lächeln, bas ihr erregbares, heiteres Temperament sonst jo oft uno rasch über ihre Züge hinsliegen ließ, zeigte sich nur selten. So recht berzensfieuorg war sie nur noch im Hause am Flusse, uno auch da nur in gewissen Stunden. Die Tante Diakonus unreirlchrete nämlich seit langem eine Anzahl bedürftiger Kinder unentgeltlich im Nähen und Stricken — das geschah jahraus jahrein an den Mittwoch- und Lonnabendnachmittagen. In diesen kleinen Kreis hatte sich Käthe mit der freundlichen Bewilligung der alten Frau eingeschmuggelt. Der Umgang mit Kindern war ihr völlig neu und machte Saiten in ihrer Seele erklingen, die sie bl» dahin nicht geahnt hatte. —
(Fortsetzung solgt.)