kcr zu Schwetzkau (Schics.) der vor ungefähr 10 Jahren einen Erweiterungsbau seines Wohnhauses vornahm und dabei oben erwähntes Zimmer schuf. Vor einiger Zeit sproßte an der einen Ecke desselben hart an der Mauer ein Weinrebe empor, die üppig m die Höhe wächst und zu den besten Hoffnungen berechtigt. Merkwürdig bleibt, wo die Pflanze ihren Ursprung hat und wie sie an die obige Stelle gelangt ist. Der Eigentümer behauptet, daß an jener Stelle niemals Wein von gleicher Beschaffenheit gestanden habe.
(Der Gerichtsvollzieher als Zählkellner.) In einem besseren Posener deutschen Restaurant saßen kürzlich eine Reihe Gäste und außerdem tagte daselbst ein Verein. Plötzlich erschien ein Gerichtsvollzieher, bat um Silentium und eine erwartungsvolle Stille trat ein. Mit lauter Stimme forderte der Gerichtsvollzieher sämtliche Gäste auf, ihre Zeche nicht an den Kellner oder an den Wirt, sondern an ihn zu zahlen. Unter allgemeiner Heiterkeit fand die Berap- pnngsscene statt. Der Gerichtsvollzieher ging von Tisch zu Tisch und kassierte ein, während allerhand scherzhafte Aeußerungen fielen. Am
wenigsten erbaut von der Sache waren die Kellner, denn durch das unerwartete Erscheinen dieses ungewöhnlichen Zählkellners kamen sie in den meisten Fällen um ihre Trinkgelder. Nachdem der Herr Gerichtsvollzieher „Kasse gemacht", empfahl er sich.
— Eine fast unglaubliche „Duellgeschichte" auf den russischen Südwestbahnen registriert die Charkower GouverncmentSzeit- ung. Der Maschinist und der Maschinistengehilfe eines in voller Fahrt befindlichen Kurierzuges gerieten in einen Streit, der sich bald so zuspitzte, daß die beiden Herren die Sache sofort «standesgemäß" zu erledigen beschlossen. Sie brachten einfach den Zug zum Stehen und begannen vor den Augen der erschreckten Paffagiere einen erbitterten Faustkampf. Nachdem sich die beiden Duellanten die Nasen zerschlagen und sich gegenseitig das ganze Gesicht mit blauen Flecken verziert, glaubten sie der Ehre genug gethan, bestiegen versöhnt die Lokomotive und fuhren weiter. Der Vorgesetzten Behörde teilten sie mit, daß ihr Streit so furchtbar gewesen wäre, daß sie mit der Austragung desselben keinen Augenblick hätten warten können und so hätten sie denn den Zug zum Stehen ge
bracht, um das Leben der Paffagiere nicht zu gefährden. Diese zärtliche Besorgnis um die Passagiere fand jedoch gehörigen Orts so wenig Anerkennung, daß die beiden Raufbolde sofort entlassen wurden.
— Ein lustiges Stücklein wird in der „Basellandschafler Zeitung" erzählt, das den Vorzug hat, wahr zu sein. Es ist dem Erzähler selbst passiert. Unlängst besuchte er den Gottesdienst. Sein Nachbar, der während der Predigt einnickte, begann bald, die Worte des Pfarrers mit behaglichem Schnarchen zu begleiten, und schnarchte noch fort, als der Pfarrer längst fertig und der Gottesdienst beendet war. Mit den Worten „S' isch US" weckte nun der Erzähler den Schlaf- enden, der, sich die Augen reibend und langsam den Arm ausstreckend, schlaftrunken die verblüffende Antwort gab: „So schängg no mol i." Er hatte wahrscheinlich in Traumgedanken den vergangenen Samstagabend in den Sonntagmorgen hinein verlängert.
.'. (Einfach.) Tibbs: „Sie ist nicht allein ein sehr hübsches Mädchen, sondern hat auch 30,000 Pfd. Vermögen. Was würdest du thun, wenn du so eine zur Frau haben könntest?" — Lawcon: „Nichts l"
Im Strome des Lebens.
Roman von Jenny Piorkowska.
(Nachdruck verboten.)
20.
Ich packte die notwendigsten Sachen zusammen, ließ einen Gruß mit einem kleinen Andenken und einem Geldgeschenk an meine treue Lisette zurück und schrieb dann an Rodegg:
„Meine Flucht wird Sie nicht überraschen. Nicht im Stande, meine Gefühle so zu beherrschen, daß ich mein Geheimnis nicht verriete, ist es wohl am besten so. Mein Leben bei Tante Aurelie ist schon lange so unerträglich, daß ich sie früher oder später doch verlassen hätte. Wenn Sie mir jemals freundlich gesinnt waren, so bitte thun Sic das Ihrige, daß meinen Verwandten mein Zufluchtsort verborgen bleibt. Ich verspreche Ihnen, nicht unüberlegt, keinen hastigen Schritt zu thun, den Sie nicht billigen würden. Sie haben wenig Grund, mir zu vertrauen, aber glauben Sie mir, ich bin eine Andere geworden, ich täusche Sie nicht wieder. Sobald ich weiß, daß Sie den heimat- lieben Boden verlassen haben, schreibe ich Ihnen, wo ich mich befinde.
„Auch Sie sind nicht glücklich, Sie aber haben nur Kummer zu tragen, während mich Reue und Gewissensbisse quälen. Möge Gott Ihnen den goldenen Frieden, die innere Ruhe geben, auf die ich keine Anrechte habe."
Wo aber — dachte ich — den Brief hinthun, daß ihn kein Anderer findet als er?
Leise schlich ich mich über den dunklen Corridor in sein Zimmer. Ich lauschte, ein feiner Lichtstrahl schimmerte durch die Thürspalte, und mit ruhelosen Schritten hörte ich Rodegg aus- und niedrrgehen.
Leise schob ich den Brief unter derThür- spalte hinein.
Eine halbe Stunde später befand ich mich einsam und allein in dunkler, finsterer Nacht. Mit fieberheißem Kopfe und wildklopsendem Herzen eilte ich vorwärts. Mein Fuß strauchelte in dem hohen Grase, oftmals blieb mein Kleid an dem dichten Dorngestrüpp
hängen, aber wie von tausend Furien gejagt lief ich weiter und weiter, bis das tiefe Dunkel des Waldes mich deckte.
XIII.
Der Zufluchtsort, den ich mir erwählt hatte, war nicht weit. I Pontinus' Haus fand ich Schutz und liebevolle Aufnahme. Sie fragten nach nichts, was ich ihnen nicht aus freien Stücken erzählte; stc vertrauten mir und respektierten meinen Kummer.
Als Tante Aurelie nach längerer Zeit meinen Aufenthaltsort ausgekundschaftet hatte, schrieb sie in geradezu beleidigenden Worten an Herrn Pontinus; sie verbat sich in diesem Briefe für immer meine Rückkehr und sagte sich vollständig von mir los.
Nach fast einem Jahre hörte ich zufällig, sie sei mit ihren Töchtern nach dem Süden gegangen, Martha habe einen jungen Italiener geheiratet, Josephine sei noch unvermählt. Vetter Hugo war bald nach ihrer Rückkehr von Schloß Rodegg nach England abgereist, um sich für immer dort niederzulassen.
Und ich?
Als ich, nachdem ich mich von meinen schweren Kummer ein wenig erholt hatte, meinen Wirten eines Tages sagte, daß ich ihnen nun nicht länger zur Last fallen wollte, erklärten sie mir, das würde, das könne ich ihnen doch nicht anthu»; sie wüßten gar nicht, wie sie wieder ohne mich leben sollten, und wenn ich ihnen nicht weh thun wollte, dürfte ich nie wieder davon reden, sie verlassen zu wollen. Was hätte ich unter den obwaltenden Umständen mehr wünschen können, als die Liebe, die Obhut zweier so guter, so edler Menschen zu genießen? — Ich machte mich so nützlich, als ich vermochte und blieb. —
Gegen Rodegg erfüllte ich mein Versprechen und teilte ihm mit, sobald er auf der Fahrt nach Amerika war, mit, daß ich bei seinen Freunden eine sichere Zufluchtsstätte gesunden hätte.
Nach längerer Zeit kam die Antwort; ein kurzer freundlicher Brief, doch klang es so eigentümlich und gezwungen zwischen den
Zeilen hindurch, daß ich den Brief mit dem Gefühl bei Seite legte, daß sich auch dieser, mein einstiger Freund, von mir abgewendet hatte. Hin und wieder traf an Herrn Pontinus ein Brief von ihm ein, der dann stets
auch einen Grnß für mich enthielt.
» »
*
«So allein und in Gedanken?" sagte Fräulein Pontinus eines Tages, zu mir ins Zimmer tretend, als ich, den Kopf in die Hand gestützt, düster in die helllodernde Kaminflamme blickte. „Ich habe eine Neuigkeit, die auch Sie interessieren wird l"
„So?" entgegnete ich gleichgiltig.
„Ja; Rodegg kehrt nächste Woche aus Amerika zurück und wird nun wirklich noch ihre Cousine Josephine heiraten. O, ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie mich das ärgert I Wahrhaftig, ich gönne ihr diesen Mann nicht! Hätten Sie nur an jenem Abend, als Sie Alle bei uns waren, die Gelegenheit, die ich Ihnen in dem keinen Boudoir gab, wahrgenommen, sie hätte ihn nie bekommen."
Ich zuckte lächelnd die Achseln, im Stillen aber empfand ich einen bitteren Schmerz in der Erinnerung an jene unglückselige Tage.
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Rodegg kehrte also zurück, um jedenfalls seine Besitzung nicht wieder auf längere Zeit zu verlassen; da war meines Bleibens nun auch nicht mehr. Ich hätte nicht vermocht, ihn vielleicht täglich zu sehen, mich ruhig mit ihm zu unterhalten — und nun vollends mit Josephine als Gattin an seiner Seite; nein, das vermochte ich nicht I"
Mit schwerem Herzen teilte Ich meinen lieben Freunden meinen Entschluß mit; ruhig aber fest wies ich alle ihre Vorstellungen, all' ihre Bitten und Flehen, warum ich sie nun so plötzlich verlassen wollte, zurück; ich sollte doch bleiben, sie wollten alles, alles thun, mich für immer an ihr HauS fesseln.
(Schluß folgt).
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* Man erblickt nicht die Welt, wenn man zu dem eigenen Fenster hinaussieht.
Redaktion, Druck und Verlag von Bernh. Hofmaun in Wildbad.