Rundschau.

Stuttgart, 5. Alig. Der Kaiser hat, wie der Zenlralleitunq des Wohlthäligkeits- vereins mitgetcilt wurde, für die Gewitterbe­schädigten in Württemberg 3000 an- Weisen lassen.

Stuttgart, 4. Aug. Eine wertvolle Be­reicherung wird Nills zoologischer Tiergarten demnächst durch zwei Bisons (amerikanische Büffel) erfahren, welche von Herrn Nill in Leipzig um den Preis von ca. 700 ^ er­worben worden sind.

Rottweil, 4. Aug. Die Gebrüder Fidel und Matthäus Banholzer von Jrslingen, hiesigen Oberamts verloren am FastnachtS- markte 1886 auf dem Wege von Rottweil in ihr Heimatdorf in einem Schreibbuch ent­halten 6 Hundertmarkscheine. Das Buch fand der hiesige Taglöhner Albert Ebcrle, eignete sich die 600 an, verbrauchte sie in seinem Haushalt und zeigte nun nach 11 Jahren, also zu einer Zeit, wo das Vergehen wegen Funddiebstahls verjährt ist, denselben an. Es sind, da die beiden Banholzer be­reits 1886 starben, Erben da, ob sie aber mit ihren Ansprüchen durchdringen, ist sehr zweifelhaft.

Oberndorf, 5. Aug. Ein armes 77 Jahre altes Schneiderlein, das noch mit der Nadel hantiert, wurde kürzlich mit einer Altersrente beglückt. Dasselbe erhält über 700 ^ herausbezahlt und für die Zu­kunft eine fortlaufende Rente. Anspruch hier­auf halte er schon seit 7 Jahren, geltend machte es denselben erst kürzlich. (Das ist innerhalb wenige Wochen der 2. solcher Art gelagerte Fall, der in unserem Bezirk vor- gckommen ist.)

Horb, 5. Aug. Am 27. v. M. ist von dem König dieErrtchtung einer evangelischen Stadlpfarrei in Horb an Stelle der ständigen Pfarrverweserei genehmigt worden. Der Kirchengemeinderat Horb hat die zu 21,600 Mark veranschlagten Arbeiten zum Bau eines evangelischen Stadtpfarrhauses heute zur Ver- accordicrung ausgeschrieben.

Riedlingen, 4. Aug. Beim Verbringen von Garben auf den Scheuernboden stürzte die Frau des Taglöhners Engler so unglück­lich aus die Tenne, daß sie, ohne wieder zum Bewußtsein gekommen zu sein, gestern ver­schied.

UlM, 5. Aug. Kaufmann Gustav Bub, Teilhaber des Käsegeschäftes Bub u. Straub hier, litt seit einiger Zeit an großer Aufreg­ung und innerer Unruhe und suchte seine Heilung in Freudenstadt und in Herrenalb. Seine Frau begleitete ihn, aber der Kranke verließ sie mehrmals und ist dann vor 14 Tagen von Baden-Baden aus spurlos ver­schwunden.

Ehingen, 5. August. Beim Aufarbeiten einer Holzbcuge am südl. Waldrande fanden gestern früh Holzmacher ein ganzes Nest Kreuzottern und Kupfernattern (junge Kreuz­ottern). Der Hund eines vorbeifahrenden Fuhrmanns stürzte sich wütend auf die Rep­tilien, wurde aber bös zugerichtet, so daß er bis die letzte der fliehenden Schlangen er­schlagen war nur noch schwache Lebens­zeichen von sich gab und auf der Stelle vollends getötet werden mußte. Der Hund war am ganzen Körper zu einer unförmlichen Masse angeschwollen und es muß demnach dieses Schlangengift mit schrecklicher Schnellig­keit gewirkt haben.

Nell-Ulm, 4. August. Eine furchtbare

Mordthat ist auf der Blessen Hofen er Land­straße an dem 25jähr. Bierführer derKauf- benrer Aktienbrancrei, Mathias Ruf, be­gangen worden. Er befand sich mit einer Fuhre Bier unterwegs, wurde auf dem Wagen überfallen und in bestialischer Weise abge« schlachtet. Der Kopf des Ermordeten weist zahlreiche tötliche Stiche auf und ist bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Die Augen sind ausgestocken, die Nase abgehackt, die Ohren abgeschnitten, der Kopf skalpiert, ein Teil der Schädeldrcke abgespalten und die Hände zerhauen. Die Unthat scheint von 2 Per­sonen mittels Beil und Messer verübt wor­den zu sein. Da die Barschaft des Ermor­deten im Betrage von 12 ^ fehlt, liegt wohl ein Raubmord vor.

Pforzheim. Der Ortsgksundheitsrat (Oberbürgcrmeistcramt) erläßt wiederholt folgende Bekanntmachung, Typhus betr.Da die Zahl der Typhusfälle in hiesiger Stadt neuerdings wieder in bedrohlicher Weise zu­genommen hat und die Verbreitung der Krankheit über die ganze Stadt zu der An­nahme drängt, daß das Trinkwafser der Träger der Krankheit sei, fordern wir hie- mit die Einwohnerschaft dringend auf, das Wasser nur in gekochtem Zustande zu ver­wenden."

Aus Straßhnrg wird derMagdeb. Zig. geschrieben: Was hier geradelt wird, ist fast unglaublich. Uebcr 7000 Räder sind angemeldet, davon sind sicher 3000 Damen­räder. Die Damen fahren fast durchweg in Pumphosen. Es ist merkwürdig, wie sich in mancher Beziehung das Elsaß seit seiner Einverleibung in Deutschland französiert. Jetzt gilt es für fein, französisch zu sprechen und Leute, die unter sich ihr elsässer Dütsch sprechen, radebrechen sofort französisch, wenn man in ihrer Nähe hochdeutsch, namentlich norddeutsch spricht.

Zur Mörderin seiner jungen Mutter ist bei Trier ein dreijähriges Kind geworden. Das Kind vergnügte sich bei einem Ausflug nach Schneidershof auf einer Schaukel. Die Mutter bemerkte plötzlich mit Schrecken, daß das schaukelnde Kind ein Messer in der Hand hielt, und eilte rasch hinzu, um dem Kind den gefährlichen Gegenstand zu entreißen. Dabei wurde sie von der Schaukel und dem scharfen Messer so schwer getrosten, daß sie in der folgenden Nacht starb.

In Fünfkirchen stellte sich ein ge­wisser Ernst Dornhetm mit dem Geständnis dem Gericht, er habe vor zwei Jahren in der Schweiz den Gerichtspräsidenten Keller, den Stiefvater seiner Geliebten, ermordet. Dorn- heim wurde in Haft genommen.

Die erste deutsche Doktorin der Rechte ist Fräulein Anita Augspurg, welche soeben in Zürich das juristische Doktorexamen be­standen hat. Fräulein Augspurg war, wenn wir nicht irren, früher Schauspielerin und hat unter anderen Universitäten auch Mün­chen besucht. In Berlin, wo die Frauen nur als Gastzuhörerinnen zugelassen werden, wurde sie seinerzeit mit ihrem Anträge auf Immatrikulation zurückgewiesen. Ihr leb­hafter Tituskopf ist aus der Frauenbeweg­ung wohlbekannt; die jetzige Doktorin der Rechtswissenschaft war eine der Hauptruferin­nen im Streite, als cs galt, gegen die den Frauen im Bürgerlichen Gesetzbuch zugewie­sene Rechtsstellung geharnischten Protest ein­zulegen.

Paris, 4. Aug. Einen Akt seltenen

Muts vollbrachte der Kapitän eines Seine- Schleppdampfers Baldan. 5 Knaben im Alter 913 Jahren hatten sich in ASniores ein Boot gemietet, um sich auf dem Strome herumzutummeln. Bei einer Biegung der Seine kam nun plötzlich das Schiff deS Ka­pitäns Baldan mit vollem Dampfe auf das kleine Boot zu. Es konnte zwar noch recht­zeitig Contredampf gegeben werden, aber in­folge des Wellenschlags kenterte der Kahn und die 5 Knaben fielen in den tiefen und an dieser Stelle sehr reißenden Strom. Kurz entschlossen sprang der Kapitän den Verun­glückten nach und es gelang ihm succcstve alle 5 zu retten. Die inzwischen zu tausen­den versammelten Zuschauer brachten dem wackern Mann eine herzliche Ovation dar.

Opfer der Putzsucht. Ein Angestell­ter deS naturhistorischen Museums zu New- york Dr. M. Chapman, hat sich neulich nicht die Mühe verdrießen lassen, zwei Tage lang an einem der belebtesten Punkte der Stadt alle Damen zu notieren, deren Hüte mit Vogelbälgen oder Federn geschmückt waren. Er stellte dabei die Verwendung von 173 verschiedenen Vogelarten fest, von denen 32 Sorten solche waren, deren Fang und Töt­ung gesetzlich verboten ist. Obgleich das Beginnen des Herrn Doktor wohl gerade keine positiven Resultate erzielte, so geben diese Zahlen doch annähernd ein Bild, wie viel nützliche Vögel der Putzsucht zum Opfer fallen. Einige Staaten der amerikanischen Union gehen übrigens damit um, die Vogel­schutzgesetze dahin zu erweitern, daß auch die Einfuhr, der Handel und das Tragen von Bälgen, die von nützlichen Vögeln hcrrühren, verboten und bestraft werden können.

Verschiedenes.

Zur Erinnerung. In die Regier- ungszeit des Herzogs Christoph von Würt­temberg fiel ein unerhörtes Hagelwetter, wel­ches im ganzen Lande, besonders an den Obstbäumen fürchterliche Verheerungen an­richtete. Das Wetter ging am 3. August 1560 von 11 Uhr vormittags bis 1 Uhr nieder, erschlug Menschen und Tiere auf dem Feld und hatvon Plochingen an das Neckar­thal,) das edel Stuckarter Thal, Canstater Ampt, Weidlingen vun gantz Romstal (Rems­thal erlegt und verderbt, daß es alles dürr wie im Herbst, wann ein Gefrür kommt, von Laub vnd kein Obs mehr aufs den Bau­men hatl, da es ist alles reichlich dagestan­den, die Baum zerrissen ... das hat ge- wert von Lausten bis auf Hailbrun an die wart, daS weinspcrger Thal . . . ohn' allein das zaberger (Zabergau?) ist noch rein... Der Fürst verrückt auf Laydenheim (Heiden­heim ?) zu, mag den Jamer der Armenleut nit mehr ansehen . . . Wirttenberg ist in 100 jaren nit so arm und dermaßen er­schlagen an Leib vnd gut" . . . rc.Wenn dieser Bericht auf das mitleidige Herz des Landesherrn anspielt, der daS Elend nicht mehr mit ansehen konnte, so dürfen wir bei Christoph überzeugt sein, daß er diesem Mit­gefühl auch thätigen und kräftigen Ausdruck gegeben hat. Allerdings wissen wir aus der Gegenwart, wie lange die Nachwirkungen eines Hagel- oder Forstschadens gerade an den Odstbäumen zu verspüren sind.

Ein Weinstock im Schlafzimmer dürfte zu den Seltenheitengehören. Glücklicher In­haber einer solchen Stube ist, nach demList. Tagbl.", der Stcllmachermeister Franz Mar-