Im Strome des Lebens.
Roman von Jenny Piorkowska.
(Nachdruck verboten.)
18 .
Ich sah wie Josephine die Lippen öffnete, um etwas zu sagen, aber offenbar hatte sie ihre Stimme nicht genug in der Gewalt, und sich bückend, strich sie mit zitternder Hand liebkosend über Tigers dickes Fell.
Ich horchte inzwischen angstvoll auf ein leises Geräusch, das, direct über unseren Köpfen, zweifelsohne aus dem geheimen Zimmer kam.
„Still I was ist das?"
Alle hörten auf zu reden und horchten.
„Es spukt hier im Hause," sprach Josephine, „schon während der letzten zwei Nächte habe ich ganz dicht an meinem Zimmer so eigentümliche Laute vernommen."
„Ein sonderbarer Ton — was kann das wohl sein, Herr Rodegg?"
„Einer der Dienstleute wird oben sein," erwiderte der Gefragte leichthin. „Beunruhigen Sie sich nicht; ich werde gehen und sehen, waS es ist."
„Ich werde gehen!" rief ich, indem ich aussprang und ihm zuvorzukommen suchte.
So Verließen wir Beide das Zimmer. Tiger, eifrig schnüffelnd, lief uns voraus die Treppe hinauf; vor der Thüre zu Victors Ammer blieb er bellend und scharrend stehen.
„Tiger, hier! hierher kommst du!" rief ich erregt.
„Was mag der Hund nur haben?" sprach Rodegg, indem sein Auge von Tiger zu der geheimnisvollen Thür und von der Thüre zu mir schweifte.
„Nichts hat er; er ist nur unartig! Tiger, hierher kommst du — hierher zu mir!" befahl ich, hastig mit dem Fuße stampfend.
„Das Hilst Ihnen nichts," sagte Rodegg, „der Hund folgt der Spur, die er wittert."
„Wenn ich ihn nur packen könnte I Tiger, hierher kommst du — augenblicklich. — So, mein Tiger, — komm, hier!"
Ich benutzte den Augenblick, wo er in seinem Vorhaben schwankend ward, packte ihn mit kräftiger Faust beim Fell und warf ihn förmlich in mein Zimmer.
Schweigend, mit finster zusammengezogenen Brauen, sah Rodegg meinem Beginnen zu.
Inzwischen hat man unten im Salon geplant, zum Abschied noch recht munter zu sein, und da das trübe, regnerische Wetter jedwedes Vergnügen im Freien für diesen Tag verbot, war beschlossen worden, nach Tisch „Verstecken" zu spielen.
Ich wollte mich auf dem Corridor hinter dem großen Schrank verbergen; wenn ich mich recht beeilte, konnte ich vorher schnell bis V ctors Thür schlüpfen und ihm wenigsten- einen kurzen Gruß zuflüstern.
Leise klopfte ich an die Thüre — keine Antwort.
„Victor," flüsterte ich durch das Schlüsselloch, „komme doch nur eine Sccunde an die Thür."
In dem Augenblick Hörle ich Jemand die Treppe heravfkommen, und um die kostbare Zeit nicht zu verlieren, öffnete ich rasch entschlossen die Thüre, trat ein und zog das Schloß leise hinter mir zu. Doch in der nächsten Minute schon erkannte ich, was für eine Tborheit ich begangen hatte. Ringsum
herrschte eine fast grabesähnliche Stille und Finsternis.
Wieder hauchte ich Victors Namen — keine Antwort.
War er geflohen und ich allein in diesem unheimlichen Zimmer? — um vielleicht stundenlang hier eingeschlossen zu sein? — Da plötzlich beschlich mich eine so wahnsinnige Furcht, daß ich nur einen Gedanken hatte: nur wieder hinaus — und wenn sie alle mich sehen sollten. All' die Spuk- u. Geister- gcschichten, die Lisette mir von diesem Zimmer erzählt hatte, kamen mir wieder in den Sinn, und in nervöser Angst tastete ich umher nach der Thüre, aber ich mußte eine falsche Richtung genommen haben; plötzlich streifte meine ausgestreckte Hand einen kalten Gegenstand; mit einem Aufschrei prallte ich zurück, dabei glitt ich aus und schlug mit der Stirn so heftig gegen einen Tisch, daß mir das Bewußtsein schwand. Als ich endlich wieder zur Besinnung kam, drangen die Stimmen der Anderen wie durch dicke Ge- fängnismauern zu mir. Ich hörte meinen Namen rufen und versuchte zu antworten, aber ein schwerer Alp erstickte meine Stimme.
Nach einiger Zeit hörte das Rufen nach mir auf, verschiedene Thüren gingen auf und zu, dann war alles still.
Sv schnell hatten sie es aufgegebest, mich zu suchen — sie hatten mich vergessen! Aber sie sollten, sie mußten mich hören; und gewaltsam richtete ich mich auf; in demselben Augenblicke wurde auf die Thürklinke gedrückt, und ein Lichtschein fiel in das Zimmer.
Rodegg trat ein, aber sein bleiches, angstvolles Gesicht erstickte den Freudensausruf, mit dem ich ihm entgegeneilte.
Ich schaute um mich und atmete freier, als ich sah, dvß wir zwei allein waren.
„Ich wußte, ich würde Sie hier finden," Hub Rodegg mit vor Aufregung bebender Stimme an, „was führte Sie hierher? Sind Sie allein?"
„Ja," stammelte ich, „ach, bringen Sie mich fort von hier! Ich habe mich halb tot geängstigt — Victor ist nicht hier — ich hatte ihn . ."
Plötzlich erstarb mir das Wort auf den Lippen — ich hatte mein Geheimnis Verraten !
„Besser er ist fort," entgegnete Rodegg ohne irgend ein Zeichen der Ueberraschung, er hätte hier nicht länger verborgen bleiben können. Um Ihretwillen will ich wünschen, daß er in Sicherheit ist. Besser er wäre früher geflohen, ich hätte Ihnen behilflich sein können, aber Sie wollten mir ja nicht vertrauen. Glauben Sie wirklich," fuhr er mit halb bitterem, halb innigem, halb melancholischem Ausdruck fort, — „glauben Sic wirklich," ich hätte nicht gewußt, daß Sie ihn in meinem Hause bergen und inmitten sorgloser lustiger Menschen, mehr als Todesqualen litten? O, Kind, sprach er weiter, indem er seine Hand auf meine Schulter legte und mir in die,Augen sah, „ich kenne den Ausdruck dieses Gesichtes besser als mein eigenes. Hätte ich nicht von der ersten Stunde von Doktor Feudlers Ermordung an auf Blanchard Verdacht gehabt, — Ihre Züge hätten es mir verraten. Und Tag und Nacht habe ich seitdem gearbeitet, um jedwede Spur von ihm adzulenken. — Beruhigen Sie — fürchten Sie nicht für ihn;
jetzt wird er bereits die Grenze, wo ihm noch Gefahr drohen könnte, hinter sich haben."
Ich brach in bittrre Thränen aus; als ob ich, nun Viktor gerettet war, keinen Kummer mehr hätte; war es doch erst der Anfang eines Leben« voll tausend solcher Stunden wie diese!
„Armes Kind, eS ist ein haneS Los! Wie gern hätte ich Sie davor bewahrt, wenn ich vermocht hätte."
„Ach, ein mehr als hartes Los I" schluchzte ich, „ach, wenn Sie nur wüßten . . ."
„Ich weiß, ich weiß, daß Sie sich in dem Mann, den Sie lieben, getäuscht haben; ich weiß aber auch, daß Sie eben deshalb ihr Ideal, nun cS herabgesunkcn ist von seinem Piedestal, wenn möglich noch inniger lieben als zuvor. Glauben Sie mir, ich fühle mit Ihnen; solchen Kummer heilt die Zeit, weit mehr ist der Mensch zu beklagen, der un. geliebt und unbrglückt dahinleben und zusehen muß, wie eine unwürdige Hand nach dem Juwel greift, das Jenem den Himmel auf Erden bereiten würde."
„Vielleicht weiß ich das ebenso gut wie Sie," schwebte mir als Antwort auf den Lippen, aber schweigend verbarg ich mein Gesicht in den Händen und wandte mich ab.
Er verstand mich nicht. —
„Warum wollen Sie es so schwer nehmen?" fuhr Rodegg fort; „ein, zwei Jahre der Trennung sind schnell verflogen, — oder waren Sie nicht auf seine Flucht vorbereitet? Hat er Ihnen nicht Lebewohl gesagt?"
„Nein," sagte ich, froh, für meine Thränen eine Entschuldigung zu haben, „ich ahnte ja nichts von seiner Flucht."
(Fortsetzung folgt.)
Verschiedenes.
.'. (Ein Pfiffikus.) Der Füsilier Aug. Schaffralh war Bursche beim Bataillonsad- julanten Lieutenant Z. geworden und führte, stolz auf seine Leistung, das Pferd seines neuen Herrn gesattelt vor die Hausthüre. Während er Pferd, Sattel und Zaumzeug nochmals überputzt und di« Sastelunterlage- decke zurecht zieht, singt er in der Erwartung baldigen Lobes ein Liedchen vor sich hin. Da kommt sein Landsmann Wilhelm von den Dragonern hoch zu Roß vorbei und es wickelt sich folgendes Gespräch ad: „Morjen Aujust, na wat machst Du 'n hier?" — „Ick warte uf mein'n Leitnant, der will fortreiten." — „Na, der wird schöne Ogm machen, Du hast ja 'n Sattel verkehrt uf- gelegt ; der muß anders rum." — „Sei Du doch man janz stille, Willem l Du weiß! ja jar nich, wo mein Leitnant hinreiten will." Gleich darauf erscheint Lieutenant Z. in der Hausthüre. Das nunmehr gespendete „Lob" entzieht sich der Oeffentlichkeit.
— Heilmittel gegen Phosphorwunden.
Beim Anzünden von Streichhölzern kommt es häufig vor, daß abspringender Phosphor in eine Wunde der Hand eindringt und eine Blutvergiftung zur Folge hat. Um dies zu verhindern, bereite man sich sofort eine starke Sodalösung und halte den Finger hinein. Da der Phosphor mit Soda eine chemische Verbindung eingeht und phosphorsaures Natron bildet, so verliert der Phosphor auf diese Weise seine schädliche Wirkung.
.-. (Noch nicht ganz.) „Sie sind schon Inspektor ?" „Nein bloß in sps l"
Redaktion, Druck und Verlag von Beruh. Hofmann in Wildbad.