Paris, 19. Juli. (DaS Selbstmorb- ficber) wütet fort. So haben gestern wieder zwei Mädchen, dgs eine war erst dreizehn Jahre, das andere kaum 15 Jahre alt, den Tod in der Seine gesucht und gefunden. Das jüngere Mädchen verübte den Selbst­mord aus Gram darüber, daß ihr Vater seine Familie verlassen Hane, das zweite wegen einiger Brandwunden im Gesichte, die nach seiner Ansicht das schöne Antlitz so entstell­ten, daß ein Verehrer sich nicht mehr finden würde.

In Japan herrscht die Sitte, zur Löschung des Durstes heißes Wasser z» servieren, während bei uns vielfach das durch die Hitze hervorgerufene Gefühl der Unbehaglichkeit durch möglichst kühle Ge­tränke bekämpft wird. Dies ist ein Irrtum : Thatsächlich wird durch kaltes Getränke nur die Schweißabsonderung befördert und da­durch das Durstgefühl aufs neue hervor­gerufen. Anstatt den Magen mit allen möglichen kalten Flüssigkeiten zu über­schwemmen, nehme man bei großem Durst eine Tasse warmen Kaffee oder Thee, besser noch ist eine Tasse Bouillon, welche die Nerven anregt, ohne eine Erschlaffung im

Im Strome des Abens.

Roman von Jenny Piorkowska.

(Nachdruck verboten.)

15.

Wozu dieses Entsetzen vor mir?" sagte er mit einem Lachen, bei dessen Ton mir das Blut in den Adern gerann;wozu die bleichen Lipp:n so auf-inand-rpresstn, um den Schreckens» uf zu ersticken? Ich habe mein Leben gewagt oder vielmehr verkauft für diese Unterredung, und doch werde ich meine schuldbefleckten Finger nicht auf diese Hand legen, die mir versprochen ward, nicht werde ich auch nur den Saum dieses weiß n Gewandes berühren. Aber sich mich nicht mit solchem Blicke an I Du möchtest mir sagen, daß Du mich noch liebst? warte damit, bis Du alles weißt, bis ich Dir alles gebeichtet habe."

Du brauchst miriMls z» sagen, Viktor," stammelte ich,ich sürchtete es von Anfang an."

Du fürchtetest eS? und doch wag­test D», hierher zu kommen? allein mit mir? um Mitternacht? O nein, un­möglich kannst Du alles wisse» I Dorf ich reden? willst Du mich anhören?"

Ich nickte, und er Hub zu erzählen an.

In einem der nahegelegenen Orte der Provence verbrachte ich mit meiner melancho­lischen Mutier eine traurige, freudlose Jugend.

Oft verstrichen Monate, ohne daß ein Fremder seinen Fuß über unsere Schwelle ge­setzt hätte. Die Leute sahen uns mißtrauisch von der Seite an, wenn sie der blassen Frau mit dem Knaben begegneten; den Dorfkin- dern war verboten, mit dem kleinen Deutsche» zu spielen, sie höhnten und verspotteten mich, und ich haßte und verabscheute sie dagegen. Als der Tod mir die Mutter raubte, da er­fuhr ich das traurige Geheimnis meiner Ge­burt; und rer Gedanke, daß dieser Make! mir fürs ganze Leben anhaftete, daß ich in den Augen der Welt ein AuSgestoßener, ein Bastard war, erfüllte mich mit Haß und Bitterkeit gegen meine Mitmenschen. Und fort trieb es mich in die fremde Welt, zu fremden Menschen, die nichts von meiner

Gefolge zu hoben. Verbessert man die Bouillon noch mit einigen Tropfen Maggi, so erhält man ein ebenso schmackhaftes als stärkendes Getränk. Hauptsächlich aber ver­säume man nie, dem Magen jeweils feste Nahrung zuzuführen, bevor man kalte Flüssig­keiten zu sich nimmt.

Zürich, 21. Juli. Bei dem gestrigen Unwetter versank im Zürichsee ein Lastschiff mit Besatzung. Auch wurde in Gossau (St. Gallen) ein Fuhrmann samt Pferden er­schlagen, der unter einer vom Sturm zu­sammengesetzten Scheune Schutz gesucht hatte.

Zürich, 21. Juli. Das gestrige Hagel­wetter hat in der Ostschwciz nach der bis­herigen Schätzung einen Schaden von mehreren Millionen verursacht.

Lynchjustiz. In den amerikanischen Südstaaten haben sich wieder zwei Fälle von Lynchjustiz an Negern zugetragen. In Elba- Alabama wurde ein des Mordes schuldiger Neger Namens Terrcl von einer Volksmenge den Händen der Justiz entrissen und gehängt. Bei Wesipoint in Tenessee wurde Antony Williams, ein Schwarzer, der ein weißes Mädchen überfallen und getötet hatte, am 15. Juli durch eine bis zur Raserei empörte

Schande ahnten Aber das Schicksal hatte kein Erbarmen mit mir. Kaum der ver­haßten Heimat und mit ihr, wie ich hoffte, allen schlimmen Erinnerungen entflohen, warf ein heftiges Fieber mich wochenlang darnieder, und als ich das Schlimmste überwunden hatte und wieder ich selbst war, da mußte ich erfahren, daß ich im Dilirium mein Ge­heimnis verrate» hatte, und zwar verrate» an einen Menschen, dem weder Ehre noch Mitleid die Lippen versiegelten, der vielmehr rn seiner boshaften, gewissenlosen Weise sich diese Entdeckung zu Nutze zu machen suchte. Was blieb da mir Armen übrig, als den Mitwisser meines traurigen Geheimnisses zum Schweigen zu bringen? DaS schien an­fangs ein leichtes zu sein; forderte Jener für sein Schweigen doch nichts als Vertrauen und Freundschaft. Aber wehe I bald lies die Schlange ihren Stachel fühlen, und fester und fester wußte sie die Netze um ihr Opfer zu ziehen. Der Elende verfolgte mich auf Schritt und Tritt, er spürte mir »ach, er folgte mir in die Gesellschaft, wo man sich über meine Freundschaft mit ihm wundern mußte und eigene Schlüsse daraus zog.

Ich errang mir eine Stellung in der Gesellschaft, ich erwarb mir edle Freunde; das Schicksal begünstigte mich, und ich wäre glücklich gewesen, wenn Doktor Feudlers ver­räterisches Auge mich nicht immer auf der Hut hätte sein lassen. Endlich kamen nur uns aus den Augen, aber nur, um uns in Rodegg wiederzusehen, als gerade neue Hoff nungen der Liebe mich erfüllten; und bald lag seine heimtückische Hand auf der nie ver­narbenden Wunde, und mit neuem Eifer suchte er fein Opfer in die Verzweiflung zu treiben, als er entdeckte, daß ich nicht umsonst um ein Mädchen ward, das sich von ihm mit Abscheu abgewendet hatte. Hier fand er Ge legenheit, die zu demütigen, die ihm mit Ver achiung begegnet war, und den Stolz des Mannes zu brechen, der nur wiederwillig seine Gesellschaft ertrug. Ich sollte sein fer­neres Schweigen schwer erkaufen und auf Dich verzichten.

Am Abend vor meiner Abreise," fuhr

Schar von Männern in der Hauptstraße ge« steinigt und mit Füßen getreten. Während noch Leben in dem entstellten Körper war wurde er mit Oel übergossen und in einem großen Feuer verbrannt.

(Heimgeschickt ) In einer Ortschaft des Kantons St. Gallen saß kürzlich eine Gesellschaft fröhlich beisammen und unter­hielt sich Mangels eines Besseren mit soge­nannte»Thurgaucr-Witzen." Ein anwesen­der Thurgauer, aus dessen Kosten die Unter­haltung gepflegt wurde, machte gute Miene zum bösen SsLel. Als der Gegenstand er­schöpft war, meldete er sich z»m Worte: Ihr wißt aber den neuesten Thurgauer Witz doch noch nicht!"Her damit," löm's von allen Seiten.Also: Worin stimmen denn die Thurgauer mit den Schwieger­müttern überein?" Niemand weiß eine Antwort.Sie stimmen darin überein, daß jeder Esel meint, er müsse schlechte Witze über sie machen! Und siehe da, eS gab viele verblüffte Gesichter.

M e r k' s.

Wer da baut an Markt und Straßen,

Muß Neider und Narren reden lassen.

Victor fort,bat Doktor Feudler mich noch um eine Unterredung; ich wagte nicht, ihn abschlägig zu bescheiden und gab ihm ein Rendezvous für den nächsten Tag in B***, der ersten Station von hier. Laß mich kurz sein. Er kam und, o, ein böser Geist mußte ihm die .kalten, hohnschneitunden Worten in den Mund gelegt haben, womit er mich schon begrüßte. Seine weitere Un» terhaltung trieb mich so zur Verzweiflung, daß ich ihm schließlich mit vor Leidenschaft bebender Stimme erklärte: wenn er denn nicht anders könne, so solle er meinetwegen gehen und der Welt verkünden, wer ich sei.

Aha," meinte er höhnisch,sind Sie des hübschen Mädchens so schnell schon über- d'üssig? oder sind Sie so sicher, daß sie ihnen auch fernerhin zärtlich zulächeln wird, wenn sie erfährt, daß Sie ein namenloser Abenteurer sind, der den Makel seiner Ge­burt nur auf Kosten seiner Ehre verbirgt?" Auf meinen Einwand, daß ohne Beweise ihm Niemand glauben würde, entgegnete er mit höhnisch leuchtendem Blick:Beweise? O, hier, hier in meiner Hand ich schwöre eS Ihnen habe ich Beweise, mit welchen ich den Leuten über die Geschichte Ihrer Ge­burt mehr die Augen öffnen kann, als Sie selbst auch nur im entferntesten ahnen; ich kann Ihnen etwas zeigen, von dessen Existenst Sie selbst nichts ahnen, etwas, das keinen Zweifel über Ihre Abkunft zuläßt." Ein Wort gab das andere, bis sein Rede mein ohnehin schon überreiztes Hirn wie Dolchstiche lraf. Immer heftiger klopften meine Pulse immer heißer wallte mein Blut, das Geflüster der Hölle fand Eingang in meine Seele; so dunkel wie der Himmel über unS, so finster wie die Erde um uns, so schwarz sah es in meinem Innern aus; der stille Abend hatte keine begütigende Stimme lür mich, die Qualen der Hölle konnten nicht schlimmer sein als die Qualen, die ich litt und von denen ich mich mit einem Schlage befreien konnte: ein schneller, gewuchtiger, geschickt geführter Schlag, er würde mich retten, mich befreien, er würde mir meinen Frieden, meine Liebe wiedergeben. (F. f )

Redaktion, Druck und Verlag von Bernd, Hafmann in Wldhad.