Im Strome des Lebens.
Roman von Jenny Piorkowska.
(Nachdruck verboten.)
14 .
„Ich wollte Ihnen nur sagen — wollte Sie nur fragen — ob — ob sie so grausam sein können, einen zweiten Mord zu verursachen, ist nicht schon Blut genug geflossen? Hören Sie nicht darauf, wenn die Leute Ihnen sagen, es sei Ihre Pflicht — Ihre Pflicht ist, Barmherzigkeit zu üben und die Rache Gott zu überlassen."
„Seien Sie unbesorgt, — von mir brauchen Sie nichts zu fürchten," erwiederle er in tiefmitleidigem Tone, schwang sich auf sein Pferd und ritt langsam davon.
X.
An demselben Abend fand das lang projektierte und vielbesprochene MaSkenfest statt.
ES war fast neun Uhr, als ich Lisette klingelte, mir bei der Toilette zu helfen ; gegen sonstige Gewohnheit mußte ich zweimal nach ihr klingeln, und als sie endlich kam, bemerkte ich sofort, daß irgend etwas Außergewöhnliches sie erregt haben mußte. Sie war so nervös, daß sie bei jedem Tone zusammenschreckte, und als ich ihrem Auge begegnete, senkte sie schnell den Blick Endlich war ich fertig, und als ich vor den Spiegel trat, mußte ich mir selbst sagen, daß ich wohl schwerlich zu erkennen war. Ueber das duftige weiße Spitzenkleid trug ich einen weißseidcnen Domino mit schweren weißen Franzen. Die Larve, von Silbergaze mit den langen weißen Spitzen bedeckte mein Gesicht vollständig; und durch die hohen Stiefelabsätze und die lange Schleppe am Kleid erschien ich bedeutend größer als sonst. Da plötzlich bemerkte ich an den weißen Schnüren, womit das Kleid geschürzt war, eine kleine blaue Schleife.
„Ich habe die Schnüre damit befestigt, die sind so schwer, daß sie ohne die Schleife das Kleid hcrunterziehen," erklärte Lisette auf meine Frage.
„So nehmen Sie doch mindestens ein Weißes Band dazu."
„Aber, Fräulein, gerade die kleine blaue Schleife sieht so nett aus."
Mir selbst war an dem Tage zu wenig an den Aeußerlichkeiten gelegen, als daß ich weiter aus die Entfernung der blauen Schleife bestanden hätte.
Um nicht sofort als Bewohnerin des Hauses erkannt zu werden, schlüpfte ich — auf Lisettes Anraten — durch eine Seiten- thüre hinaus, um zur Vorderseite des Hauses wieder einzulreten.
Als ich die Terasfenstufen Hinaufstieg, bemerkte ich dicht hinter mir einen schwarzen Domino; ich wollte ihm schnell enteilen, aber als ich den Gesellschaftssaal betrat, folgte er mir um wenige Schritte. Aller Augen waren auf uns gerichtet, und verschiedene Ausrufe der Verwunderung: „Was für ein geisterhaftes, Paar I" — Wer mögen die wohl sein?" und dergleichen mehr drangen an mein Ohr.
Außer Tante Aurelie, welche ohne Maske die Honneurs macht,, erkannte ich kaum eine Seele; da waren wenigstens ein Dutzend verschiedener Masken, die ich nach Haltung und Bewegung für Rodegg hätte halten können, und Vetter Hugos Größe war so
vielfach vertreten, daß an ein Erkennen desselben nicht zu denken war. Eben folgte mein Auge den beiden Damen, die Arm in Arm durch den Saal schritten, mit musterndem Blick, ob die im Costüm der Maria Stuart nicht Josephine sei, als ein Herr, ein altdeutscher Ritter, zu mir trat und auf eben diese Masken zeigend, meinte:
„Diese zwei sind, glaube ich, die elegantesten Costüme im ganzen Saal."
„Wer sind sie?"
„Fräulein Josephine und ihre Cousine."
„Welche Cousine?"
„Die mit dem jungen Franzosen verlobt ist — ein ganz hübsches Mädchen, aber so reizend wie heute habe ich sie noch nie gesehen."
„Wissen Sie, wer Rodegg ist?" fragte ich.
„Noch habe ich ihn nicht ausfindig gemacht, aber wenn Sie Fräulein Josephine im Auge behalten, werden Sie ihn bald finden — sicherlich ist er nicht weit von ihr I — Ihr Cavalier behält sie scharf im Auge," fuhr die Maske fort, indem sie sich neben mir auf das Sopha nicderließ.
Der Richtung seiner Augen folgend, fiel mein Blick auf den schwarzen Domino, der wenige Schritte hinter mir stand, jetzt näher kam und mich mit leiser Stimme bat, mit ihm zu tanzen. Hastig lehnte ich ab und wandte den Kopf nach der anderen Seite.
„Fräulein Josephine, darf ich um diesen Tanz bitten 2" wandte sich da eine andere Stimme zu mir, in der ich, obwohl sie offen-- bar verstellt war, Rodegg zu erkennen meinte, daß ich ohne Zögern seinen Arm annahm und mit ihm unter die Reihen der Tanzenden trat. ES war mir nicht schwer, ihn bei dem Glauben zu lassen, daß ich Josephine sei.
„Wieso haben Sie mich so schnell herausgefunden ?" fragte ich, Joscphine kokettes Lachen so täuschend nachahmcnd, daß ich vor mir selbst erschrak.
„Mir war das nicht schwer."
„O, so helfen Sie mir die Anderen entdecken. Wer ist unser Gegenüber in dem spanischen Costüm?"
„Wie, das fragen Sie mich! Das ist Ihr Vetter."
„Richtig ; das hätte mir doch mein Herz sagen müssen. — Haben Sie meine Cousine schon ausfindig gemacht?"
„Ich zweifle, daß sie überhaupt hier im Saale ist."
„Und wer ist der schwarze Domino dort?"
„Das ist die einzige Maske, über die ich mir noch nicht klar bin; ich glaube sie hat noch mit Niemand getanzt, ich habe sie sogar noch mit Niemand spreche» sehen. Ich werde mich, wenn demaskiert wird, in ihrer Nähe halten."
„Bis dahin kann sie verschwunden sein."
„DaS ist wahr. Uebrigens hält er sich ganz auffallend in unserer Nähe. Wenn Sie sich nun einmal in eine Unterhaltung mit ihm einließen und ihn so ausfindig machten ? Mich meidet er offenbar, und doch bin ich begierig zu erfahren, wer er ist."
Sobald dieser Tanz zu Ende war, wandte ich mich an den schwarzen Domino.
„Wollen Sie mir den Arm reichen? mein Vetter hat ein anderes Engagement."
Er gab mir den Arm, doch sprach er so leise und mit so sorgfältig verstellter Stimme, daß es mir unmöglich war, etwas über ihn
zu entdecken. Der lange faltenreiche Domino verhüllte seine Gestalt vollständig, und die Kapuze war so tief ins G-stcht gezogen, daß es unmöglich war, etwas von seiner Gestalt oder seinen Zügen zu entdecken. Dagegen war mein Bemühen, meine Cousine Josephine weiter nachzuahmen, ihm gegenüber vergebene Mühe.
„Mich können Sie nicht täuschen," sagte er leise, „nicht Fräulein Josephsne sollte die kleine blaue Schleife tragen."
Ich stutzte. WaS für einen Streich hatte Lisette mir da gespielt? —
Der Tanz war vorüber, die Gesellschaft verstreute sich.
„Wollen wir nicht ein wenig frische Luft schöpfen?"
Ich nahm seinen Arm und trat hinaus auf die Terasse.
„Nein, nicht hier; lassen Sie uns einen einsamen Platz aufsuchen, wo wir wenige Minuten ungestört sind."
„Wer sind Sie?" fragte ich verwundert.
„Da neigte er sich zu mir herab und flüsterte mir einen Namen ins Ohr, bei dem mein ganzer Kö>per erzitterte und alles Blut mir zum Herzen drang.
„Willst Du mit mir kommen?"
Schweigend nickte ich mit dem Kopfe und folgte ihm die Terrasse hinab, durch sie dunklen, gewundenen Fußwege, bis wir fast am Ende des Parks an einen halb verfallenen Garteupavillon gelangten.
Unheimlich stöhnte der Nachtwind, der bald hinter Wolken verborgene Mond warf lange, geisterhafte Schatten; jeder Ton der vom Winde bewegten Bäume machte mich erzittern.
Wie gebrochen war er auf eine Bank nicdergesunken; nach einer Minute tiefen Schweigens schob er Kapuze und Maske vom Gesicht zurück und sah zu mir auf; doch mit einem bangen Schrei wankte ich mehrere Schritte zurück; kaum vermochte ich in dem verhärmten, erdfahlen Gesicht, in den angstvoll, unstät blickenden Augen auch nur einen Zug von Viktors schönem Gesicht wiederzuerkennen.
(Fortsetzung folgt.)
Verschiedenes.
Abraham a Santa Clara, der berühmte Hosprediger, wettete bei einer Gelegenheit mit einem Grafen Trautmannsdorf, er wollte diesen von der Kanzel herab einen Esel nennen, und gewann die Wette wirklich, indem er seiner nächsten Predigt eine Geschichte einflocht, weiche von einer Gemeinde handelte, die einen Dummkopf zu ihrem Schulzen gewählt hatte und mit den Worten schloß: „Dem Esel traut man's Dorf!«
— Aufseher. „. . Hier sehen Sie das Wamms, welches Gustav Adolf in der Schlacht bei Lützen trug. Durch dieses Loch drang die feindliche Kugel, welche seinem Leben ein Ziel setzte I" — Bonne: „Sch't, Kinder, was ich immer sag': Nur keine Schlamperei. Wäre das Wamms rechtzeitig geflickt worden, so hätte die Kugel nicht durch das Loch eindringen können I"
.-. (Die beleidigte Diana.) Bekannter: „Den Forstgehilfen scheint Ihre Hündin durchaus nicht leiden zu können!" — Förster: „Nein, der hat sie nämlich mal zwei Jahre älter geschätzt, als sie in Wirklichkeit ist I"
Redaktion, Druck und Verlag von Bernh. Hosmann in Wildbad.