Rundschau.

Die Ortsvorsteher des Landes regen sich bereits in mehreren Bezirken gegen den Gesetzentwurf betr. die Abschaffung der Le- benSlänglichkeit der OrtSvorsteher. Sie be­klagen sich nicht mit Unrecht darüber, daß man sie einer Wiederwahl unterstellen und im Falle sie nicht mehr gewählt werden, nur mit einer Pension von ihrem seitherigen festen Einkommen abfinden wolle. Nu» giebt eS nicht wenige OrtSvorsteher, deren Nebenein­künfte weit größer sind als ihr festes JahreS- gehalt, und sie mit Entziehung eines kleineren oder größeren Teile« ihres bisherigen Ein­kommens vielleicht nur deswegen zu bestrafen, weil sie nicht der gleichen politischen Gesinn­ung sind wie die radikale Mehrheit ihrer Wählerschaft, erscheint als eine große Un­gerechtigkeit. Uebrigens ist es sehr leicht möglich, daß bei einer eventuellen Klage der geschädigten Ortsvorsteher das Reichsgericht ihnen die volle Weiterzahlung ihres bisherigen gesamten Einkommens zuspricht und das wäre denn doch offenbar nicht geeignet, das An­sehen der württembergischen Regierung und Etändeversammlung zu heben.

Stuttgart, 17. Juli. Wie man hört, beabsichtigt ein Konsortium, das Terrain von Nills Zoologischem Garten zu erwerben, um dasselbe in eine Anzahl von Bauplätzen ka. 40 aufzuteilen, deren Lage eine äußerst günstige sein würde. Sollten die Verhand­lungen zum Abschluß führen, was nach dem jetzigen Stadium derselben sich zur Zeit nicht ermessen läßt, so würde die Verlegung des Zoologischen Gartens auf die Feuerbacher Haide in der Nähe der Doggenburg in Aus­sicht genommen werden-

Für die Hagelbeschädigteu. Ein schönes Beispiel von Hilfsbereitschaft haben unsere StammrSgenossen in Chicago (Amerika) gegeben. Von dem dort bestehenden Schwa­benverein sind gestern 2083 als erste Gabe für die Hagelbeschädigten in Heilbronn und Umgebung etngelaufen.

Weinsberg, 15. Juli. ES mag unsren tiefbekümmerten Hagel-, Sturm- u. Wasser- deschädigten zum großen Trost gereichen, er­fahren zu dürfen, wie auch außerhalb Würt­tembergs wahrhaft herzbewegende Aufrufe zur Linderung unseres Elends erscheinen. Bei­spielsweise erhielt heute Einsender dieses das Wiesbadener Tagblatt" vom 13. Juli von einem gütigen Gammler zugestellt, wonach sich in Wiesbaden ein Hilfskomitee gebildet hat, das aus 10 geschäftssührcnden n. 169 unterstützenden namentlich aufgeführten Mit­glieder besteht und schon 28 Sammelstellcn für das unglückliche württ. Unterland in der Stadt errichtet hat. Jeder, der die Bedeut­ung Wiesbadens als Weltbadeort kennt und der weiß, daß jährlich ca. 10 000 Kurgäste aus den vornehmsten Kreisen der Welt dort weilen, wird sich sagen müssen, daß das hoch­herzige Vorgehen des dortigen Komitees ge­wiß zahlreiche Früchte tragen wird. Gottes Segen ruhe auf allen Sammelstellen I

Aus Neuenstadt wird über eine Er­scheinung im Kocher geschrieben: Tausende der schönsten Fische wurden tot auf dem Rücken schwimmend den Kocher hinab dem Neckar zugetrr'eben. Außerdem war eine große Menge von Fischen derart betäubt, daß sie selbst von Kindern mit der Hand gefangen, lhalaufwärtS, so in Gochsen und Kochersteinöfeld, von den Leuten mit Ein­willigung der Fischereipächter sogar mit

Rechen aus dem Master gezogen wurden. Dadurch ist der Fischbestand auf Jahre hinaus schwer geschädigt. Als Ursache dieser Erscheinung kann nur die schädliche Ein­wirkung der Blitz- und Hagelwetter ange­sehen werden. Am 1. und 2. Juli schlug nämlich der Blitz wiederholt mit dumpfem Getöse in den Kocher, wodurch, sowie durch den damit verbundenen starken Schwefel­geruch jedenfalls eine Menge Fische getötet und betäubt wurde. Biele gingen wohl durch die Hagelkörner, ein anderer Teil durch die ungeheuer rasche Abkühlung des Wassers zu Grunde. Vergiftung ist ganz ausgeschlossen, da im Kocherthal bis hinauf nach Künzelsau keine chemischen Fabriken anzutreffen sind.

Schrozberg, 15. Juli. Zur Vorsicht bei Brandwunden ermahnt folgender Fall. Eine Frau verbrühte sich den Fuß mit heißem Wasser und behandelte denselben mit selbstberciteter Salbe, ohne der Sache be­sondere Achtung zu schenken. Bald trat Rotlauf hinzu, »as Herz wurde in Mit­leidenschaft gezogen und die noch sehr rüstige Frau erlag plötzlich den Herzkrämpfe».

Urach, 16. Juli. Auf schreckliche Weise kam in Gächingen ein I8jähriges Mädchen, das aus Stuttgart, wo ihr Vater Kutscher ist, dort zu Besuch war, ums Leben. Die­selbe kam in der Küche dem Feuer zu nah und verbrannte so schrecklich, daß sie am folg­enden Tage unter entsetzlichen Qualen starb.

Saulgau, 15. Juli. Heute früh 2 Uhr brach in der Wohnung des Herrschastsgärt- nerS in Königseggwald ein Brand aus, der das der Herrschaft gehörige Gebäude großen­teils zerstörte. Der Schaden an demselben wird auf ungefähr 2000 Mark geschätzt. Am meisten zu bedauern ist die Haushälterin, die ihre Ersparnisse im Betrag von über 1200 die sie erst kürzlich aus der Spar­kasse holte, mitverbrannt sein sollen.

Baden-Baden, 16. Juli. Der Frem- denzudrang ist andauernd ein so bedeutender, daß wir den früheren Jahren um mehrere Tausend Personen voraus sind. ES ist weder im vorigen Jahre noch 1895 , dem Jahre der größten jemals in Baden-Baden ver- zeichneten Frequenz, der Fall gewesen, daß, wie gegenwärtig, die Frcmdenziffer schon in der ersten Julihälfte das dreißigste Tausend überschritten hat.

Berlin, 12. Juli. Großes Pech hatte ein junger Arzt aus München, der nach Berlin gekommen war, um hier seine Hoch­zeit zu feiern. Es wurde ihm nämlich seine Geldbörse mit 1400 ^ Inhalt gestohlen. Aus dem Bahnhof in Potsdam hatte der Be­stohlene ein Fahrrad stehen, dessen Gepäck­schein sich gleichfalls in dem Geldbeutel be­fand ; er telegraphierte deshalb nach Pots­dam, man möge den etwaigen Abheber des Fahrrades festnehmcn. Die Depesche traf aber zu spät ein, denn der Langfinger hatte sich schon vorher das Zweirad abgeholt.

Pisa, 15. Juli. Ein ergreifender Un­glücksfall erfüllte die Pastagiere eines Zuges der lombardischen Nordbahn mit Entsetzen und Mitleid. In der Nähe der Station Morone verrichtete die Bahnwärtersfrau M. Zoppa ihren Dienst. Aber als der Zug her­anbrauste, sprang unvermutet aus der dichten Hecke, die den Bahnweg einsäumt, ein zwei­jähriger Knabe auf das Geleis, der Sohn der BahnwärterSfrau. Der herandonnernde Zug flößt ihm eher Freude als Schrecken

ein. Er setzt sich auf das Geleise und klatscht freudig in die Hände. Die Mutter springt zu dem Knaben hin, ergreift Ihn und wirft ihn weit inS Feld hinein. In demselben Augenblicke aber wird die unglückliche Frau von der Lokomotive niedergeworfen, überfah­ren und zur unförmlichen Leiche zermalmt.

Folter in einem Jrrenhause. In Nantes herrscht große Erbitterung wegen eines Vorfalles in dem dortigen Jrrenhause. Der 18jährige Lucien Joux hatte mit seinem gleichaltrigen Slubengenossen Despres der Wahnsinn Beider war durchaus unge­fährlich einen Streit gehabt, worauf er von der beaufsichtigenden Schwester Mathu- rinc zu zwei Tagen und Despres zu einem Tage Zwangsjacke verurteilt wui de. Joux wurde Freitag Morgen von dem Wächter Corcntin Ivinona in die Zelle gesperrt. Der Wächter zog die Zwangsjacke io fest an, daß der unglückliche junge Bursche um Gnade winselte, himmelhoch beteuernd, nicht wieder anfangen zu wollen. Man hörte aber nicht auf ihn. Seine Schmerzen wurden unerträglich; Joux ließ darauf die Schwester zu sich bitten und bat sie, ihm zu trinken zu geben und ihn zu befreien. Diese weigerte sich aber, den Wünschen des Verschmachtenden nachzukommen. Ein Kame­rad, von dem Jammern Joux' ergriffen, brachte ihm zu trinken und soll deshalb, wie versichert wird, schwer gezüchtigt worden sein. Am Samstag hatte Joux noch immer, trotz seiner flehentlichen Bitten, die Zwangsjacke an. Den ganzen Tag über hörte man ihn wimmern und um Hilfe rufen, aber nie­mand hörte auf ihn. Nach den Aussagen von zwanzig Zeugen war sein Gesicht fieber­gerötet und aufgedunsen. Gegen 5 Uhr abends sah man den jungen Mann sein Haupt neigen und bewegungslos in dieser Lage verharren. Jetzt erst befreite man Joux von der Zwangsjacke: es war zu spät; er war bereits tot. Alle diese Thatsache» sind durch die von dem Polizeikommissäc Cabanne geführte Untersuchung zu Tage ge­treten. Der Wächter Girnoux ist bereits verhaftet worden; außer ihm wird das Auf- stchtSpersonal und besonders die Schwester Mathurine gerichtlich zur Verantwortung gezogen werden.

Eine neue Laibacher Erdbeben­katastrophe. In Laibach, der Hauptstadt von Krain, die bekanntlich vor 2 Jahren wochenlang von Erderschütterungen schwer zu leiten hatte, wurde am Donnerstag früh 6 Uhr 53 Minuten wieder ein starkes, 6 Sekunden dauerndes Erdbeben von schütteln­der Bewegung verspürt, das sich über den Karst von Triest bis Marburg und Veldes erstreckte. Das Erdbeben in Laibach war fast ebenso stark wie 1895. Auch diesmal blieb fast kein Gebäude unbeschädigt; Rauch- fänge stürzten auf die Straße; Risse und Sprünge treten an den Häusern zum Vor­schein. Selbst Gebäude, die in den letzten zwei Jahren neu gebaut wurden, erlitten vielfach Schaden. In vielen Häusern müssen die Wohnungen geräumt und manche Häuser demoliert werden. Menschen wurden nicht verletzt. Dem Erdbeben war früh 4 Uhr eine schwächere Erschütterung vorausge- gangen.

(Verfehlte Moralpredigt.) Vater: Bub, Bub, du wirst noch der Nagel zu meinem Sargei" Julius:Ich Hab' ge- glaubt, du willst dich verbrennen lassen, Papa?"