Um das Schicksal des Volksbegehrens

Der Neichsausschuß für das Volksbegehren erläßt folgen­den Aufruf:

Sechs Millionen verantwortungsbewußter Deutscher haben sich allem Wahlterror der Negierung zum Trotz zu den Forderungen des Volksentscheids bekannt. Sechs Millionen verantwortungsbewußter Deutscher haben der Katastrophen- pvlitik der heutigen Parteiregicrung das Urteil gesprochen! Da das Freiheitegesetz weder eine Verfassungsänderung ent­hält, noch ein vom Reichstag beschlossenes Gesetz beseitigt, genügt zu seiner Annahme dte einfache Mehrheit der Ja- Stimmen. Die Regierung vertritt einen anderen Stand­punkt, der im Gesetz keine Stütze findet. Im Vertrauen aus die Unparteilichkeit der deutschen Gerichte werden wir das Recht des Volkes weiter verfechte«. Gestützt ans das Ergeb­nis des Volksentscheides bestreiten wir der Negierung nnd dem Reichstag die Befugnis zur Fortführung der Aonng- politikl _

Reichslagspräsident Loebe über die Finanzlage des Reiches

Reichstagspräsident Loebe weilte am Sonntag einige Stunden in Wien und erklärte einem Mitarbeiter der Wie­ner Sonn- und Montagszeitnng u. a.: Was die Finanzlage des Reiches anbetrifft, so kann gesagt werden, daß das Jahr 102S den Höhepunkt der Krise gebracht hat. Wir sind davon nicht überrascht worden, da nach dem Dawesplan für dieses Jahr die größte Last im Betrage von 2jH Milliarden Gold­mark zu tragen war. Die Erleichternugen, die der Bonng- plan vorsieht, konnten sich leider durch die ans der Haager Konferenz entstandenen Schwierigkeiten noch nicht answir, ke». Dazu kamen die inneren Schmierigkeiten, insbesondere in der Industrie, die uns zwingen, 450 Millionen Goldmark allein für Arbeitslosenunterstützung zu verwenden. Trotz i der im Augenblick fatalen Lage der Stadt Berlin und des ! ganzen Reiches sind jedoch die ärgsten Schwierigkeiten über­wunden und ich hoffe zuversichtlich, daß uns das neue Jahr «ine anhaltende Besserung der Finanzlage und damit der gesamten Verhältnisse bringen wird.

Der neue Reichswirischastsminister

Der neue Reichswirtschaftsminister, Robert Schmidt, wurde am 15. Mai 1864 in Berlin geboren. Bon 1303 bis i 1603 war er Redakteur desVorwärts", von 1603 bis 1010 Mitglied der Generalkvmmission der Gewerkschaften > und Angestellte dieser Organisation. Oktober 1018 wurde , er Unterstaatssekretär im Ncichsernährungsamt. Februar ! 1010 Minister kür Ernä' rnng und Land riristhaft, später

MW

Retchswlrtschaftöminister. August 1923 war er Vizekanzler und bis November 1023 Minister für Wiederaufbau. Er gehört der Sozialdemokratischen Partei an.

Das enqliscke Freiqabe-Dilttctt

TU Berlin» 26. Dez. Zu der englischen Zeitungsnachricht, daß das deutsch-englische Liquiöationsabkommen das Ergeb­nis freundschaftlicher Verhandlungen und wichtiger neuer englischer Zugeständnisse sei, verbreitet dieArbeitsgemein­schaft der Liquidations- und Gewaltgeschädigten" folgende Erklärung:

Die Arbeitsgemeinschaft entnimmt aus Zeltungsmftbun- gen, baß die deutsche Negierung kurz vor der Unterzeichnung ein.s sehr ungünstigen Ligmd.it'.onsaükommens mit England steht. Obwohl der Bonngplan einefaire Reg lung in einem weitherzigen Geiste gegenseitigen Entgegenkommens" vor- schrcibt, soll jetzt die deutsche Negierung ohne englische Ge­genleistungen auf die überschüssigen Liqnidationcerlüsc ver­zichten. Im Gegensatz zu dem irreführenden englisch n Zei­tungsbericht hat die Arbeitsgemeinschaft Grund zu der An­nahme, daß die deutsche Vcrzichtbcreitschaft von dcr Gegen­seite mit der Drohung, den Uoungplan sonst scheitern zu las­sen, erzwungen worden ist. Wenn die d.nische Regierung b cs S Tcrzichtabrommcn tatsächlich nnierschrciüen sollte, darf d"s nur unter Protest geschehe«. Dcnischland muß vor aller Welt erklären, daß es sich in einer abnormen Zwangslage ei-em Diktat hat beugen müsse«. Die Geschädigten wer­den auf jeden Fall den Kampf um die Ltqnidationserlöse mit aller Kraft fortsctzen.

Endgültige Beilegung des Streites im Fernen Osten

TU Kowuo, 26. Dez. Wie aus Moskau gemeldet wird, verdfscntlicht das Anßenkommissariat der Sowjetunion fol­gende Mitteilung: Nach der ersten Vorvcrhandlnng zwischen der russischen und der Miikdencr Negierung in Charbarowsk wurde beschlossen, am 25. Januar 1030 in Moskau eine chine­sisch-russische Konferenz einzubcrnfen, um alle Sire tsragen zu regeln. Der Post- und Eisenbahnverkehr zwischen China und Rußland wird wi der ausgenommen. Die russische und chinesische Negierung haben sofort Schritte unternommen für die Demobilisierung ihrer Streitkräst« an der russisch-chinesi­schen Grenze.

Marschall Tschanghsueliang hat am Mittwoch dem stell­vertretenden Anßenkommissar der Sowjetunion, Litwlnow, telegraphiert, baß er das gemeinsame Protokoll zur Beile­gung des russisch-chinesischen Streitfalles ratifiziert habe. Das Abkommen ist am Montag um 12 Uhr in Kraft getreten.

Auch die Nankingregiernng für Ratifizierung des russisch-chinesischen Abkommens.

Wie aus Moskau berichtet wird, meldet die amtliche Telegraphenagentnr der Sowjetunion, baß sich der chinesische Anßenminister Dr. Wang für die Ratifizierung des rnssisch- chinesischcn Abkommens über die Beilegung des Streitfalles zwischen den beiden Stäaten ausgesprochen hat. Wie dte amtliche Telegraphenagentur der Sowjetunion weiter zu wissen glaubt, hat Dr. Wang erklärt, daß die Verhandlun­gen zwischen Moskau und Muköen mit Zustimmung Chinas geführt worden seien.

Kleine politische Nachrichten

Wahllistenraub in Berlin. Im Berliner Wahllokal Ro­stockerstraße waren zwei Männer mit der Autodroschke

. 32 035 vvrgesahren und hatten daS Wahllokal unverdäch­tig betreten. Nach Empfang von Stimmzetteln bedrohten st«s den Wahlvorsteher mit der Pistole und gaben einen Schuf; in die Lust ab, stahlen die Wahllisten und verschwanden in dem wartenden Auto in Richtung Charlottenburg. Der Po­sten für das Wahllokal stand etwa 50 Meter entfernt. Das Eingreifen von Pvlizeibeamten im Wahllokal wurde vom Wahlvorsteher abgelehut.

Höllenmaschine in Agram. Wie aus Agram gemeldet wird, wurde dort der Vorsitzende der chemal gen kroatischen Bauernpartei und Nachfolger Stefan Naditsch' tu der Par­teiführung, Dr. Wladimir Matschek, verhaftet. Die Ver­haftung Matscheks soll im Zusammenhang stehen mit der Aufdeckung e nes geplanten Höllenmaschinenanschlages, der gegen die zum Geburtstag des Königs nach Belgrad fah­renden kroatischen Deputationen verübt werden sollte.

Attentat aus den Vizcköiftg von Indien. Gegen den Eisenbahnzug des Vizekönigs von Indien, Lord Irwin, wurde eine Bombe geschleudert. Ein leerer Speisewagen wurde zerstört. Der Vizekönig ist nicht verletzt. Ein Zug­beamter wurde leicht verletzt.

Ein neues Rückstoßprinzip

Der bekannte Naketenwagenkonstrukteur, Max Valier, führte auf der Berliner Avusbahn vor Vertretern der Presse seine neueste Konstruktion vor. Es handelt sich um einen Nückstoßversuchswagen, bet dem uicht wie bisher pul­vergeladene Raketen, sondern ein flüssiger Betriebsstoff, , und zwar komprimierte Kohlensäure, zur Anwendung ge­langt. Der Vorteil des neuen Antriebsmittels besteht da- I

rin, daß der Führer nicht mehr der Pulverraket« auf Gnade und Ungnade ankgeliesert ist, sondern jederzeit die Herr­schaft über den Wagen behält. Wie es heißt, soll es dem Erfinder bereits gelungen sei», den Duisburger Oberbür­germeister Dr. Jarres, die Firma Thyssen und eine Ber­liner Kraftsahrzeugfirma für die Nutzbarmachung seiner Erfindung zu gewinnen.

"NSA

8ZÄ

KfWI -M

MWWffWWWWWWW»

MMHG

MW-'

Aus aller Welt

Zu dem Mord im Albtal.

lieber die Mordtat an dem Fischzuchtanstaltsbesitzer Braun in Marxzell werben jetzt nähere Einzclheften bekannt. Am Montag nachmittag wurde ein verdächtiger junger Mann festgenommen, der aber bestreitet, als Täter oder Mitwisser der Tat in Frage zu kommen. Der Tatort liegt in unmittelbarer Nähe der Forellenzuchtanstalt. Der F.sch­leich befindet sich hinter dem Wassergraben, wo die Straße nach Langenalb abzweigt. Hier lag auch das blankgezogene Taschenmesser des Ermordeten mit einem Hirschhorngriff. Bei dem Ueberfall scheint der große kräftige Mann zunächst nach dieser Waffe gegriffen zu haben, verteidigen konnte er sich offenbar nicht mehr, denn cs würden in der fraglichen Zeit um etwa 8.20 Uhr abends Schüsse gehört, die wohl dem Getöteten gegolten und ihn kampfunfähig gemacht haben. Die Vermutung e nes Racheaktes ergibt sich aus den zahl­reichen Stichen ins Gesicht und selbst ins Auge, in den Arm nnd andere Stellen des Körpers. Man nimmt an, baß sich um mehrere Täter handelt, da Leute, die um diese Zeit die Straße auswärts gingen, dunkle Gestalten über die Straße jenseits in die Büsche verschwinden sahen. Die Täter müssen nach der Tat ihr Opfer den Abhang hinunter in den tiefen Graben geworfen haben. Dort entdeckte der Fisch- me ster Gieger und ein anderer Mann des Betriebs, die von der beunruhigten Frau Braun ausgesandt morden waren, ihren Mann zu suchen, Montag früh 7 Uhr den Toten. Die­ser lag mit ausgestrecktcn Armen und Beinen, das Gesicht nach unten In dem seichten Wasser. Zunächst vermutete man nur einen Unfall, aber zwei Stellen unter der Schulter und an der Lende, wo der dicke Mantel Löcher und Blutflecken aufwies, ließen auf c'n Verbrechen schließen. J-n Verdacht der Tat stehen Ftschdirbe, Lenen Braun sehr scharf nach- gcspürt hatte.

Aus dem sahrrnden Zug gesprungen und schwer verletzt.

Der 23 Jahre alte Bürstenhänüler Johann Raupp von Lützcnhardt in Württemberg wollte abends mit dem Zug von Oücrkir.h lBaden) nach Oppenau fahren und stieg ver­sehentlich in den um dieselbe Zeit nach Appcmveier ab­führenden Zug. Als er seinen Irrtum bemerkte, sprang er von dem fahrenden Zug ab, wobei ihm ein Teil des linken Fußes abgefahren wurde. Er wurde in das Krankeirhaus von Oberkirch verbracht.

Tragischer Unfall bei einer Weihnachtsfeier.

Eine Klasse der Altenburger Mädchenschule hatte in dem Klassenzimmer einen Weihnachtsbaum ausgestellt. Beim Anzünden einer Kerze fingen die Kleider einer 10jährigen Schülerin, die Im Engelsgewande neben dem Baum kniete, Feuer. Das Kind erlitt so schwere Vrandverletzungen am ganzen Körper, daß es im Kinderhofpital seinen Wunden erlegen ist.

12 Selbstmorde und Selbstmordversuche über Weihnachten in Verli«.

In der Zelt zwischen Weihnachtshclligabend und »weiten WcihnachtSfe crtag wurden in Berlin ein Dutzend Selbst­morde und Selbstmordversuche bekannt-

Eiftnbohnunfälle in Württemberg

wp Stuttgart» 27. Dez. Die Reichsbahndirektion Stutt­gart macht Mitteilung von den nachstehenden beiden Eis.n- bahnunfällen, die sich über die Weihnachtsfeiertage in Würt­temberg ereignet haben: Am 25. Dezember um 6.12 Ilhr ist der Personenzng 728 bei der Einfahrt in den Bahnhof Al­dingen bei Spaichingen infolge vorzeitiger Weichenumstel- lung mit Lokomotive und Eilgntwagcn entgleist. Die D» Züge 38 und 211 und der Eilzug 284 mußten über Vlllingcn nmgcleitet werden. Im übrigen wurde der Personenver­kehr durch Umstcigen an d'r Unfallstelle anfrechterhaltcn. Die Züge erhielten dadurch Verspätungen bis zu einer Stunde.

Ferner wird mitgeteilt: Am gleichen Tage um 8.15 Uhr ist in Maulbronn-Stadt der Zug 8 bei der Einfahrt ent­gleist. Der Zugführer wurde leicht verletzt. Reisende ka­men nicht zu Schaden. Dte Störung war um 15 Uhr be­hoben. Der Reiseverkehr wurde nicht gestört. Die Schuld- frage ist noch nicht geklärt.

Aus Württemberg

Für einemittlere Linie" in der Lehrerbildung.

Nachdem es sich gezeigt hat, daß die Forderungen der württ. Lehrerorganisationen zur Lehrerbildung und die Pläne des Kultmtntsteriums weit voneinander entfernt sind, haben die Organisationen eine Eingabe an das Knltmini- sterium gerichtet. Sie machen darin, wie dasDeutsche Volksblatt" berichtet, neue Vorschläge, von denen sie glau­ben, daß sie die Grundlagen einer Einigung bieten könnten. Die Eingabe lautet:Die Unterzeichneten Lchrervcrein« würden es außerordentlich begrüßen, wenn die so wichtige Neuordnung der Lehrerbildung in Württemberg nicht zu einem Zankapfel zwischen den Parteien und zwischen den Berufsständen werden würde. Sie wären daher s hr dank- bar, wenn die Denkschrift des Kultministcriums mit solchen Vorschlägen an den Landtag gelangen würde, auf denen man sich allerseits als einer annehmbaren Lösung einigen könnt«, und sie bitten daher, das Knltministerium möge die Denk­schrift bei ibrer Uckergabe an den Landtag In dickem Sinne gestalten. Eine gütige Einigung läßt sich natürlich nur auf einer gewissen mittleren Linie treffen. Die Lehrcrvcrcin« haben sich deshalb, nachdem ein gewichtiger Widerstand ge­gen die volle Erfüllung ihrer auf pädagogischen Erwägun­gen gegründeten Vorschläge vorhanden ist, anf den Vodcn des praktisch Erreichbaren gestellt. Sie sind aber auch über­zeugt, daß hint'r folgende Mindestforderungen nicht zurück- gegangen werden darf, wenn eine Ordnung der Lehrerbil­dung zustande kommen soll, di« sich neben derjenigen an­derer Länder sehen lassen kann, und die eine Neuordnung überhaupt lohnt: 1. Aufbauschulen mit nur einem Zug, deren erfolgreicher Besuch zur allgemeinen Hochschulreife führt: 2. pädagogische Akademien bzw. Institute an den Hochschulorten mit Verbindungen zur Hochschule und, mit hochschulmäßigem Unterricht: 3. ein mindestens viersemcstri- ges Fachstudium. Eine solche Lösung kann jedermann gegen­über vertreten werden, und können gegen sie keine berech­tigten Bedenken vorgebrachi werden, weder von finanz: l- len Gesichtspunkten a»S, noch mtt Rüc'-"'- aus die Zn- gangsmöglichkoit für die Kinder aller Stände."