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verantwort!. Lchriftleituna: Zrteckrich Han» Scheele Druck uns Verlag üer A. Oelfchläger'fche« Suchckmckerei

Nr. 303

Freitag, den 27. Dezember 1929

102. Fahrgang

Die Außenpolitik Frankreichs

Generaldebatte in der französischen Kammer Briand über die Locarnopolitik. Youngplan und Rheinlandräumung

TU Paris, 37. De». Die sranzüsische Kammer fetzt« am »weiten WeihnachtSseiertag ihre außenpolitische Aussprache fort. Herrtot beglückwünscht« Briand »u dem Plan, die Bereinigten Staaten von Europa zu schufen und betont«, das; es sich hierbei nicht um eine politisch« Bereinigung Europas handeln solle und nicht darum, einen europäische» Zollverein um Frankreich zu schaffen. Briand bestätigt« Liese Ansführungen und erklärte, das; der Gedanke der Ber­einigt««, Staaten von Europa nichts mit der Gründung eines Zollvereins zu tun habe. Frankreich wolle vielmehr allen kleinen Staat«» dieselben Recht« einräumen, wi« den großen. Die Pflicht und die Vorsicht, so führte Herriot im Lauf« der Aussprache weiter aus, zwängen Europa, sich zu organisieren, wenn es nicht den schlimmsten wirtschaftlichen Umwälzungen anßgesetzt und seine Industrie in ihren tech­nischen und wirtschaftlich:« Grundlagen erschüttert werden soll«. Die Gründung der internatiouale« Bank und die Bildung des französisch-deutschen Stahl- und Kalikartells bewiesen die MöglikPeit einer «irtschastlicheu Vereint« gung Europas (Briand ruft, daß dies die Ergebnisse seiner Annäherungspolitik seien). Weder Amerika, noch der Völker­bund würden die Bereinigten Staaten von Europa zu fürch­ten haben. Niemand habe für die Befreiung Europas mehr getan als Briand.

Der Abgeordnete der republikanisch-demokratischen Ber­einigung, Duboiö (Gruppe Marin), nahm sodann das Wort, um die Regierung zu fragen, warum bereits vor der Annahme des Avungplans ein Beschluß über die vorzeitig« Räumung der dritte» Zoue des Rheinlaudes gefaßt worden sei. Man brauche nur die deutsche Presse zu verfolgen, um sich darüber klar zu kein, daß Deutschland den Aoungplan nur einige Jahre erfülle» werde. Der Redner stellt fest, bah der Aoungplan auße« der Herabsetzung dcr Schulden um zwei Drittel (?) auch die Garantien, die die Gläubiger­mächte noch in der Hand hätte», weiter vermindere. Die Mobilisierung der deutschen Zahlungen sei die wichtigste Voraussetzung für die erfolgreiche Arbeit der Internatio­nalen Bank. Obne Kommerzialisierung und ohne Mobili­sierung bedeute der Nouugplan gar nichts.

Ministerpräsident Tardieu erklärte hierauf, daß die Räumung der dritten Zone noch nicht begonnen hätte. Er verstehe außerdem nicht, daß der Redner bis Ende Dezem­ber gewartet habe, um gegen den Aoungplan Opposition zu betreiben. Tardieu betonte ferner, daß es sich im Haag nur um die Fortsetzung der ersten Konferenz und nicht um eine neue handle.

Im weiteren Verlauf der Aussprache trat das Bestre­ben -er Anhänger wie Gegner der Regierung hervor. Briand auf Richtlinien festzulegen, die im Haag und in Lon­don eingehakten werden sollten. Die äußerste Rechte, deren Sprecher vor allem Franklin Bouillon war, warf hier­bei Briand wiederum seine Verständigungspolitik vor, die auf Kosten der Interessen des Landes betrieben werde.

Briand nahm schließlich selbst das Wort, um sich gegen seine Gegner zu wehren. Er erklärte,'daß die gegen ihn

gerichteten Borwürse, als ob er französische Interesse» preis- gegeben hätte, in vollem Umfange unwahr seien. Briand wies im weiteren Verlaus seiner Rede darauf hin, daß ihm zu Unrecht für alle Mißerfolge der französischen Politik seit dem Weltkrieg die Schuld beigemessen werde. Der Zusam­menhang unter den Alliierte» sei nach dem Kriege viel schwä­cher gewesen, als während des Krieges. Mau habe ihm vor- genwrfen, daß er Polen in Locarno geopfert habe. Er persönlich habe sich aber bemüht« wie man auS den Verhand­lungen der Konferenz von Locarno entnehmen könne, alles für Polen zu tun. was nur denkbar fei, und von Deutsch­land die Zustimmung zu erhalten« auf jeden Angriff zu ver­zichten. Es sei nicht richtig, bah di« Locarnoverträge eine rein deutsch« Erfindung feien. Auch der französische Geist fei «u ihr«« Zustandekommen wesentlich beteiligt. Der Versailler Vertrag fei stets seiner Bestimmung gemäß an- gewendet worden. Natürlich sei dies nicht ohne Zwangs- anwendung vor sich gegangen, doch könne man ein 6V-Mil- lionenvolk nicht dauernd unter Druck halten, auch wenn man in einem Kriege gesiegt Hab«. Dt« Locarnopolitik fei daher eine Notwendigkeit gewesen, sonst wäre Deutschland in den Völkerbund nicht eingetrete» «nd znm Anziehungspunkt für alle die Völker Europas geworben, die mit ihrem Schicksal unzufrieden seien.

Briand kam dann nochmals auf Polen zu sprechen und betonte seine Verdienste, die Zuteilung eines großen Tei­les von Oberschlcsien an Polen erreicht zu haben. Es g'be sicherlich nicht einen einzigen Polen, der ihm hierfür nicht dankbar sei. lieber die Anfchlußfragc habe er mit dem Reichskanzler Müller eine längere Unterredung in Genf gehabt und den Kanzler auf die Gefahren des Anschlusses Oesterreichs hingewiesen. Im übrigen sei er nicht -er Er­finder des Anschlußgedankens. Man brauche nne den Frie­densvertrag nackzulcsen, um festzusiellcn, daß auch der Ver­trag unter gewissen Bedingungen den Anschluß gestatte. Auf den Aoungplan übergehend, sagte Briand:Dieses neue Zablungsstatut machte einen großen Fehler d"s V.rsailler Vertrages gut, indem es die Mobilisierung der deutschen Schulden» di« jener nicht vorgesehen habe, ermöglichte. Ge­wiß bietet der Aoungplan gewisse Nachteile. Aber bei den zahlreichen Vorteilen kämen diese nicht in Betracht. Briand sprach ausführlich über den ständig wachsenden Wunsch der Völker nach Frieden und bekannte sich zn dem Spruch: 8i vis pLeem pur» paeem (Wenn du den Frieden willst, be­reite den Fri den vor).

Znm Schluß kam er auf die Räumungsfrage zu spre­chen. Der Artikel 481 des Friedensvertragcs bestimme, daß wenn Deutschland seinen guten Willen nachgewiesen habe, der Termin der Räumung vorbereitet werden könne. Er habe sich bei seinem Vorgehen nur an bi« Bestimmungen des Vertrages gehalten. Briand schloß mit der Aufforderung an die Kammer, wenn sie seine Politik nicht anerkennen wolle, ihn abznberufen.

Nachdem sich auch Ministerpräsident Tardieu mit Bri- ands Außenpolitik identisch erklärt hatte, umrde die Kam­mersitzung vertagt.

Vor der 2. Haager Konferenz

Koufereuzbeginn am 8. Januar.

TU Berlin, 27. Dez. An Berliner amtlicher Stelle wird nunmehr dcr dritte Januar endgültig als dcr Zeitpunkt für den Beginn der Haager Konferenz bezeichnet.

Wie derVorwärts" berichtet, wird die Reichdregierung heute ihre Entscheidung über die Zusammensetzung der deut­schen Abordnung für den -Haag treffen. Außer dem Außen- m'ntster Curttus, dem Finanzministcr Molden Hauer uilü dem Minister für die besetzten Gebiete Wtrty, dürf­ten der Abordnung von den soz.-dem. Mitgliedern des Kabi­netts entweder Reichswirtschaftsminister Robert Schmidt oder der Innenminister Sevcring angehören. Dr. Schacht dürfte ebenfalls als deutscher Vertreter mit nach dem Haag reisen.

Die französischen Vertreter.

Die Zusammensetzung der französischen Vertretung für die zweite Haager Konferenz ist amtlich noch nicht bekannt gegeben worden. Sie ist jedoch sicher die gleiche wie im August. Außer dem Ministerpräsidenten Tardieu als Führer werben Außenminister Briand, Finanzmint- ster Cheron und Arbettsminister Loucheur als Haupt- deleglerte an ihr beteiligt sein. Die Sachverständigen, die sich der französischen Delegation anschlteßen» werden vor­aussichtlich sein: Der Gouverneur der Bank von Frankreich Moreau, dcr Untergouverneur Moret, der Finanzsachver­ständige Ouesnay. der Direktor im Finanzministerium Fer- nter, sowie der Leiter der außenpolitischen AbteUung am

Quai d'Orsay Leger und dcr Leiter der Wirtschaftsabtetlung des Außenministeriums Coulondre.

Snowden und Graham gehen nach dem Haag.

Wi: der parlamentarische Mitarbeiter derTimes" hört, wird die britische Regierung auf der Haager Konferenz durch Schatzkanzler Snowden und Handelsminister Gra­ham vertreten sein.

Die belgische Abordnung.

Der belgischen Abordnung für die Haager Konferenz werden Ministerpräsident Ja spar, Außenmlnist'r Hy- mans, Finanzministcr Houtard und der Minister Francs ui angehören.

Die Arbeitslosigkeit in England

TU London, 27. Dez. Der Minister zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, Thomas, kündigte im Unterhaus die Ver­öffentlichung eines Weißbuches kurz nach Wiederzusammen­tritt des Parlaments an, in dem die bis dahin von der Regierung genehmigten Pläne für die zusätzliche Arbeits­beschaffung und deren Kosten ntcdergelegt sein sollen. Seit dem 3. Juni d. I.. dem ersten Stichtag des Arbeitsantritts der arbetterpartetlichen Negierung, ist die Zahl der Arbeits­losen nach Mitteilung von Thomas um 203 000 gestiegen.

Die Zahl der Arbeitslose« am 16. Dezember betrug, wie das Arbettsmintstertnm bekannt gibt, insgesamt 1803 80«, was gegenüber der Vorwoche eine leichte Besserung um 5901, gegenüber der gleichen Zeit des Vorjahres eine Ver­schlechterung um 32 478 Personen barstellt.

Tages-Spiegel

I« der französischen Kammer fand gestern eine General- auSsprache über die Außenpolitik statt. Briand verteidigt« hierbei anfS neue die von ihm eingelettete Berftänbigungs« »olitlk, wobei er von Ministerpräsident Tardie« «nie», stützt wnrde.

Aus der am ». Januar beginnende« 3. Haager Konferenz werbe« Außenminister «urttnS, Finanzminister Molde«, haner »nd Minister Wirth Dentfchlan» vertrete«.

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Der belgische «vlonialminifter mnßte infolge beS Zns««- «enbrnchs einer Lütticher Großbank ans dr« Kabinett ausscheide».

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In Brüssel wnrde ei« anttfaschiftifches Komplott gegen da» belgische KöuigSpaar n»d den italienische« Jnsti-minister Roco anfgedeckt.

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Auf den Präsidenten von Argentinien, Jrigoyen, wnrde von einem italienische« Anarchisten ei« Attentat verübt. Jri, goyeu blieb »«verletzt, der Attentäter wurde erschossen.

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Im Weißen Hans in Washington wurden di« Büros de» Präsidenten durch Grobfeuer zerstört. Ter ganze Flügel ist abgebrannt.

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Der indische Zentralansschuß fordert i« seine« Bericht an die englische Simon-Kommission Selbstverwaltung.

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Zwischen Aeroarkttk «nd dem Luftschiffbau Zeppelin ist ei» offener Konflikt über die gefährdete Polarsahrt ans- gebroche«.

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Die Weihnachtsseiertage haben in der Reichshanptftadt einen in jeder Beziehnng ruhigen Verlauf genom«««. Reichs­präsident von Htn-enbnrg verbrachte die Feier im Kreise seiner Familie.

Die inneren Kämpfe in O st.'ireich

Bauernwehreu in der Steiermark.

WTB Wien, 27. Dez. In einem Aufruf, den die Ver­trauensmänner des Landbundes zur Gründung eigener stei­rischer Bauernwehren verbreiten, heißt es:

In den Stnrmjahren 191819 har die Bauernschaft des steirischen Unterlandes Baucrnmehren geschaffen, die das steirische Unterland vom Feind befreiten. Die Banernweh- reu werden auch heute dem Feind gewachsen sein, der sort» gesetzt von Diktatur spricht «nd sie bald links, bald rechts er» richten will, «m eine einseitige Herrschaft einiger machthung­riger Lento herbeiznführen. Die ewrgc» Unruhen, welche ohnchtu die schwer leidende Wirtschaft ganz zugrunde rich­ten» müssen endlich ein Ende nehme«. Wir wollen Ruhe und Arbeitsfriede« «nd sonst nichts. Die Bauernwehrcn treten geschlossen hinter dep Bundeskanzler Schober auf den festen Boden der Verfassung und demokratischen Republik. Sie lehnen die Diktatur der Noten ebenso wie die dcr Re­aktion ab. Die oberste Führung des Heimatschutzes geht Wege, welche die Bauernschaft mit schwerster Sorge und Mißtrauen erfüllen. Deswegen, Standesgrnossen, fordern wir euch auf, in unsere Reihen einzutreten.

Bankzusammenbruch in Belgien

TU Brüssel, 27. Dez. D«e bedeutend« Lütticher Bank Chaudoir", die seit mehreren Jahren besteht und zu deren Verwaltungsrat der Kolonialminister Tschossen und dcr frü­here Innenminister Berryer gehören, hat ihre Zahlungen eingestellt. Die Aufregung in Lüttich ist sehr groß. Tie Verluste betragen mehrere Millionen. Eine gerichtliche Un­tersuchung ist etngeleitet worden.

Wie weiter berichtet wird, hat der Kolonialminister im Zusammenhang mit diesem Bankzusammenbruch sein Rück- trittsgesuch dem Ministerpräsidenten cingereicht, das bereit- angenommen wurde. Das Kolonialministerium wird vor­läufig durch Jaspar mitverwaltet werden.

Revolveranschlag auf den Präsidenten von Argentinien

Buenos Aires, 27. Dez. Auf den Präsid-nten Jri­goyen wurden von einem Unbekannten drei Schüsse abge­geben. Der Präsident blieb unverletzt, dagegen wurde d:r Ihn begleitende Polizeichef getötet. Sein Chauffeur wurde schwer verletzt. Der Angreifer wurde von einem Polizisten erschossen. Das Attentat ereignete sich in unmittelbarer Nähe der Privatwohnung des Präsidenten.

Die Polizei hat im Anschluß an den Revolveranschlag etwa 290 Anarchisten festgcnommen und eine Razzia in ver­schiedenen Geheimklubs vorgenommen. Es steht fest, daß der Anschlag keinerlei politische Hintergründe gehabt hat.