Rundschau.

Das Verbrennen von Weihnachts­bäumen in Zimmcröfen ist gefährlich; hat doch diese Gewohnheit schon oft das häufige Zerplatzen der Oefen zur Folge gehabt. Tanne und Fichte find nämlich in Slamm, Zweigen und Nadeln sehr harzreich. Das Harz enthält Kohlenwasserstoff. Wird der Baum verbrannt so entströmt der Kohlen­wasserstoff in großer Menge. Geschieht das Verbrennen in einem Ofen oder Herd mit starkem Zug, so verbindet sich der Kohle»- wafferstoff mit dem Sauerstoff der atmos­phärischen Luft, es entstehen sehr explosive Gase, denen der Ofen nicht standhält. Wie bedeutend der Gehalt der Tannen bezw.Fich^ tennadeln an Kohlenwasserstoff ist und wie kräftiger unter der Einwirkung der Hitze auSströmt, zeigt sich, wenn man einen mit Nadeln besetzten Zweig einer Kerzenflamme nähert, die Ausströmung des Kohlenwasser­stoffes aus den Nadeln ist so stark, daß die Flamme der Kerze meist ausgelöscht wird.

Heilbronn, 30. Dez. Ein schwerer Un- glücköfall ereignete sich gestern abend um 10 Uhr in dem Hause Sülmerstraße Nr. 49. Um diese Zeit sprang aus dem genannten Hause eine Frau auf die Straße heraus, furchtbar um Hilfe rufend und mit lichter­loh brennenden Kleidern. Ein in der Nähe stehender Schutzmann und ein zufällig vor­übergehender Herr sprangen der Frau sofort bei und wickelten die Arme schnellstens in ihre Mäntel, deren sie sich entledigten, wo­durch das Feuer erstickt wurde. Die Frau, eine 88 Jahre alte kränkliche Witwe Na­men« Rosine Schüler, scheint beim Eingießen von Spiritus in einen Kochappart, der ver­mutlich noch nicht ganz erloschen war, ver­unglückt zu sein. Wie sich herausstellte, ist die blechene Spiritusflasche explodiert, wodurch die Kleider der Frau entzündet wurden. In dem betr. Zimmer sind außerdem die Vor­hänge abgebrannt. Die Frau wurde sofort in das Spital verbracht, allein ihre Brand­wunden waren so stark, daß sic denselben nach schweren Qualen heute früh 6 Uhr er­legen ist.

Nürtingen, 30. Dez. Heute früh brach in der Kunstmühle von Künkele ein Groß- feuer aus. Das Anwesen ist total abge­brannt; der Schaden beträgt mehrere Hundert­tausend Mark.

Pfullingen, 27. Dez. Am hl. Abend wurde in der hiesigen Irrenanstalt in her­kömmlicher Weise die Weihnachtsfeier be­gangen. Im Festsaal versammelten sich die Ruhigeren sämtlicher Klassen um eine ganze Anzahl in einem Lichtermeer erstrahlender Christbäume in Anwesenheit der Besitzerin mit Familie, der Aerzte, der Geistlichen beider Konfessionen und des Wartepersonals. Ge­sang (Anstaltschor), Rede und Deklamation gaben den gehobenen Gefühlen der Versam­melten entsprechenden Ausdruck. Außerdem wurden in den Gesellschaftssälen aller Ab­teilungen Christbäume in Anwesenheit der Aerzte und Geistlichen entzündet und unter ihnen vom Hause den ca. 430 Pflegbefoh- lenen Bescherungen gewidmet: jedem ein Teller, mit Backwerk und Obst gefüllt, und meist noch einer Extragabe zu Kleidung, Schmuck oder Genuß. Es geschah das Mög­liche, um die Feier zu einer freudigen zu gestalten.

Frrudrnstadt, 28. Dez. Die Heiligkeit des Christfestes nicht achtend hat ein Bursche

an diesem Tage ein auf der Straße zwischen Kälberbrvnn und Grömbach laufendes Mäd­chen angefallen und eS unter Drohungen in den nahen Wald zu schleppen versucht. Sein verdrichenschis Vorhaben kam nur deshalb nicht zur Ausführung, weil er einen Mann des Weges kommen sah, worauf er von dem geängstigten Mädchen abließ und im Walde verschwand; unter dem Schutze dieses Mannes kam dann das Mädchen wohlbehalten heim. Später hat der gleiche Bursche noch 2 andere Mädchen auf derselbe» Straße angerempelt, ohne aber seinen Zweck zu erreichen. Er wurde bald darauf ermittelt und verhaftet in der Person des ledigen Schäfers Andreas Rupp von Lützenhardt, der mit dem Gefäng­nis schon wiederholt Bekanntschaft gemacht hat.

Blaudenren, 30. Dez. AufdemHofgm Aichen, Gemeinde Nellingen, ereignete sich gestern abend ein schwerer Unglücksfall. Zwei Knaben, Söhne der Witwe Maurer, wollten einen Wagen rückwärts aus einer Scheuer führe» und hatten zu diesem Zweck ein Pferd angespannt, das der jüngere führte, während der andere den Wagen an der Deichsel leitete. Das Pferd wurde scheu und machte einen Sprung, wobei der 8jährige Knabe zu Boden geworfen und überfahren wurde. Ein Rad ging ihm über den Hinierkopf, sodaß der Tod sofort eintrat.

Deißlingen, 30. Dez. Der Gemeindk- rat beschloß tn seiner letzten Sitzung die Ein­richtung der Wasserleitung mit einem Aufwand von ca. 80,000 ^1, wobei die Privalein- richtungen nicht inbegriffen sind. Ein eigentümlicher Strike herrschte gegenwärtig hier; es wurden nämlich dem Kirchenchor von dem seitherigen Gehalt von 100 ^ 50 nicht mehr genehmigt und seitdem schweigen alle Sänger und Sängerinnen.

Stockach, 27, Dez. Die Familie des Herrn Landwirt Ignaz Schmidt in Mühl- ingen genoß drei Tage alte verdorbene Blut- und Leberwürste, Die Würste waren offen­bar durch den Transport und die Aufbe­wahrung in der Wärme rasch in Gährung übergegangen und cs trat bei dem 2 Jahre alten Kinde, der Frau und dem 70 Jahre alten Großvater Wurstvergiftung ein. Der alte Mann ist bereits seinen Leiden erlegen.

Ueber einen liebenswürdigen Zug unseres Kaisers wird einem Berlmer Lokal­blatt? folgendes milgeteilt: Kürzlich dirigierte, wie bekannt, Herr Kapellmeister Muck das Hofkonzert in Potsdam. Der Kaiser hatte die Absicht an jenem Abend geäußert, Herrn Muck den ihm verliehenen Roten Adlerorden selbst zu überreichen, und ersuchte den Ober­hofmarschall, Grafen von Eulenburg', ihm die Insignien des Ordens zu bringen. Graf von Eulenburg erwiderte dem Kaiser, daß er nicht in der Lage sei, in Potsdam auf der Stelle einen Orden zu beschaffen. Hier­auf entgegnete der Kaiser: Suchen Sie irgend einen Adjutanten, der einen Roten Adlerorden bei sich trägt." Alsbald wurde auf Befehl des Kaisers einem Adjutanten der Orden ab­genommen und dem Kaiser überreicht, der ih» in liebenswürdiger Weise Herrn Kapell­meister Muck mit den Worten übergab: Ick habe ihn vorläufig einem Adjutanten abknöpfen lasten; denn ich wollte Ihnen doch den Orden persönlich übergeben."

Ein recht trauriges Weihnachtsfest ist einem jungen Mädchen, der 2ljähr>gen Anna St., welche bei einem Hauptmann v.

L. in Berlin als Stubenmädchen in Stellung ist, beschert worden. Anna St. war verlobt mit einem Lehrer in Magdeburg und im kommend-n Frühjahr sollte die Hochzeit sein. Am Tage vor Weihnachten klingelte es an der Enlreelhür und das Mädchen ging, um zu öffnen. Gleich darauf hörte Frau v. L. einen gellenden Aufschrei und alö sie, nichts Gutes ahnend, ins Vorzimmer eilte, fand sie das junge Mädchen auf dem Teppich liegen ; sie war bewußtlos und die Rechte umklam­merte einen noch nicht geöffneten Brief, den offenbar soeben der Postbote gebracht hatte. Frau v. L. schickte sofort nach dem Arzt, dem es erst nach längerem Bemühen gelang, das junbe Mädchen ins Leben zurückzurufen. Zum Bewußtsein gelangte die Bedauerns­werte jedoch nicht, denn bei hochgradigem Fieber phantasierte sie stark. Aus diesen Fieberreden entnahm man erst, daß der Brief mit der plötzlichen Erkrankung zusammen- hängen mußte und man sah infolge dessen denselben genauer an. Das Schreiben trug die Adresse des Bräutigams deS jungen Mäd­chens und quer über den Umschlag hatte ein Postbeamter mit Blaustift den lakonischen Vermerk gemacht:Adressat verstorben." Nun wurde das Geschehene erklärlich, denn Frau v. L. wußte, mit welcher Liebe ihr Mädchen an ihrem Bräutigam hing. Eine telegraphische Anfrage ergab die Richtigkeit des Postvermerks.

Straßburg, 27. Dez. (Ein General, der Rad schlägt.) Dem in Colmar erschein­enden Organ der elsässtsch-lothringischen De­mokratieDie elsaß-lothringische Volkspartei" wird von hier geschrieben: In vergangener Woche weihten die Husaren ihr Kasino ein. Auch eine Reihe Zivilpersonen waren geladen, so der Statthalter, der Bürgermeister u. s. w. Die Gesellschaft war sehr animiert und vergnügte sich auf das Allerbeste, schließlich, nach dem Diner, durch Turn- und Tanzüd- ungen. Der Kommandeur des 15. Armee­korps, der württcmb. General Freiherr v. Falkenstein schlug dabei das Rad durch den Saal eine Leistung, die ihm niemand der jüngeren nachahmen konnte und sicherlich kein anderer General in seiner Stellung. Es wird gewiß auch wenig Zivilisten geben, die das im Alter von einigen fünfzig Jahren noch fertig brächten I

Die Untersuchung gegen Dr. Peters im Auswärtigen Amt wegen der im Reichs­tag zur Sprache gebrachten Vorgänge in Ost- afrtka hat, wie dieBoss. Ztg," aus zuver­lässiger Quelle erfährt, für Dr. Peters so ungünstige Ergebnisse gehabt, daß die Rück- sicht auf sein eigenes Interesse Herrn Peters nahegelegt, es nicht auf ein Disziplinarver­fahren ankommen zu lassen, sondern sich durch freiwilliges Ausscheiden aus dem Dis­positionsverhältnis allen Weiterungen zu ent­ziehen. Eine strafrechtliche Verfolgung hat er nicht zu befürchten, da seine Ausschreit­ungen vor dem Erlaß der neuen Verordnung liegen, durch welche die Ausübung der Strafgewalt in den Schutzgebieten ge­regelt worden ist.

Aus England, 28. Dez. Bei Castle- Island in der Grafschaft Kerry hat sich ein Sumpf in einen See verwandelt, der sich so stark ausdehnte, daß eine Familie von zehn Köpfen, deren Haus und Vieh im Master Verschwand. Es wird befürchtet, daß noch weitere Menschen im Wasser ertrunken sind. Paris, 27. Dez. (Unheimlicher Fund.)