Rundschau.

Kaust am Platze! Jetzt, wo wir u»s immer mehr der lebhaftesten Geschäftszeit, insbesondere auch dem hoffentlich für alle Gewerbetreibenden recht erfreulichen Weih­nachtsgeschäft nähern, erscheint uns die schon so oft gepredigte Mahnung angebracht, seine Einkäufe wenn irgend möglich nur am Platze, wo man ansässig ist, zu besorgen. Zumal Leute, die selbst ein Geschäft irgend welcher Branche haben, sollten hiervon nicht abgehen, da sie ja an ihrem eigenen Gefühl ermessen können, wie thnt, wenn zu Zeiten leb­haften Umsatzes auf die man sich das ganze Jahr hindurch freut, das meiste Geld aus dem Orte wandert. Geschäftsleute und über­haupt das gesamte Publikum, welches im praktischen Erwerbsleben steht, sollten nie die Wahrheit des Spruches vergessen:Eine Hand wäscht die andere." Aber auch Leute, die an sich ganz unabhängig gestellt sind und geschäftliche Rücksichten nicht zu nehmen brau­chen, wie insbesondere das zahlreiche Heer der Beamten, sollten nicht vergessen, daß die Quelle ihres Einkommens im überwiegenden Maße gebildet wird aus den mannigfaltigsten Steuern und Abgaben, welche die Geschäfts­leute aller Art zahlen müssen. Die Beamten, denen die edle Aufgabe zufällt, für das Wohl der Allgemeinheit zu sorge», erfüllen also ihre Pflicht im umfassenden Maße nicht schon dann, wenn sie die spccnllen Obliegenheiten ihres Amtes verrichten, sondern wenn sie auch in ihren Privathandlnngen nicht gegen die Gesetze der Gerechtigkeit verstoßen und die Interessen ihrer Mitbürger verletze«.

ES ist durchaus nicht gleichgiltig für die Gesamtheit, wohin bei den Einkäufen das Geld getragen wird, sondern das Gesamt­wohl erfordert, daß eine möglichst gerechte Verteilung des Bolksvermögens erstrebt wird, wozu auch gehört, daß den Geschäftsleuten ihr natürlicher Kundenkreis erhalten bleibt. Man muß sich doch immer vergegenwärtigen, Welche beträchtliche Summe von Kapital, Ar­beit und Sorge in jedes Geschäft gesteckt ist und welchen Schaden es nicht nur für den Einzelnen, sondern für weile Kreise mit sich bringt, wenn ein solches Geschäft untergeht- Ein auf solider Grundlage aufgebautes Ge­schäft ist wie eine lebende Persönlichkeit und sein zwangsweises Aufhören berührt den Volkswirt und Volksfreund wie das Sterben eines Individuums.

Ganz besonders aber wenden wir uns dagegen, daß man das Wandergewerbe, wozu als Abart auch die Versandhäuser gehören, vor dem ansässigen Gewerbe den Vorzug girbt. Die ansässigen Geschäftsleute sind in der Regel für den Staat und die Kommune viel nützlicher, ihr Bestand für die materielle und sittliche Wohlfahrt des Volks im allge­meinen viel nötiger als jene Belriebssormen. Es würde zu weit führen, das hier ausein­anderzusetzen und zu beweisen. Es sel nur darauf hingewiesen, daß in neuerer Zeit auch die gesetzgebenden Faktoren immer mehr zu dieser Einsicht kommen und sich bemühen, die Auswüchse des HauSsiertums, des Wan­derlager- und Filialenunwesens, der Versandt- häuser und verschiedenen Einkaufsgenossen­schaften zu beschneiden.

Wer am Platze bei dem ansässigen Ge­schäftsmann kauft, darf doch auf eine ganz andere Garantie rechnen, als ihm ein wan­dernder Händler, ein fliegendes Geschäft oder sjN nur auf einmaligen Absatz einer Send­

ung bedachtes HauS gewährt. Der ansässige Geschäftsmann muß viel mehr darüber wachen, daß er sich nie die Zufriedenheit seines be­schränkten Kundenkreises Verscherzt und daß sein guter Ruf nicht leidet.

Man lasse sich also nicht durch markt­schreierische Anpreisungen, ellenlange Annon cen und schön ausgestattete Kataloge irre machen. >Ein tüchtiger Geschäftstreibender, und habe er selbst ein nur kleines Geschäft, kann ganz dasselbe bieten, und ist wirklich, die Auswahl einmal nicht so groß, so wird er sich bemühen, den gewünschten Artikel binnen kurzem herbeizuschaffen. Das iPub- likum, welches solche Geschäftsleute bevorzugt, handelt ebenso edel und socialtpolitisch ver­nünftiger, als dasjenige, welches den in Not Geratenen Almosen gi> bt, und verschafft man­cher Familie die Möglichkeit einer schönen Weihnachtsfreude.

Neuenbürg. Am Dienstag, 1. Dezember fand unter dem Vorsitz des Herrn Ober­amtmann Pfl iderer hier eine gemeinschaftliche Beratung der Mitglieder der Orlsarmenbe- hörden derjenigen Gemeinden statt, welche an einem durch die HochwassecSnol am 8. März d. I. entstandenen Schaden beteiligt sind. In dieser Versammlung kam eine Einigung über die Verteilungsweisc der vor­handenen Unterstützungsmittel zu Stande. Das Verzeichnis ist noch nicht endgiltig ab­geschlossen.

Tübingen, 3. Dez. Gestern abend er­eignete sich bei der Heimfahrt von der K. Hofjagd bei Bebenhausen ein bedauerlicher Ungtückssall. Die Pferde von einem der Viererzüge wurden auf der Landstraße scheu, gingen durch und warfen den Wagen gegen einen Prellstein, so daß die Insassen, näm­lich General v. Hugo aus Karlsruhe, Hof- marschall v. Wvllwarth, Hvfmarschall Gras Zeppelin und Hosjagd-Jnspeklor Major z D. Luz, herausgeschleudert, und mehr oder minder schwer verletzt wurden. Baron v. Raßler war vorher aus dem Wagen ge­sprungen und kam ohne Beschädigung davon. General v. Hugo erlitt einen Armbruch, Hof­marschall v. Wöllwarth starke Kontusionen, während Graf Zeppelin am Bein verletzt wurde. Auf Allerhöchsten Befehl wurde so­fort von hier Prof. Dr. v- Bruns nach Be­benhausen berufen, der den Verwundeten die nötige Hilfe leistete. Der König nahm sich seiner Gäste, die so unvermutet in Gefahr geraten waren, aufs sorgsamste an.

Breiten, 4. Dez (Unglücksfall.) Hier ist durch einen Unfall der Obersteuerinspektor Holtzmann ums Leben gekommen. Seit Mo­naten über Störungen der Herzthätigkcit klagend, suchte er, wie derBad. Landesztg." berichtet wird, nachts am offenen Fenster Luft und verlor dabei das Gleichgewicht, so- daß er in den Hof stürzte und sofort tot war. Herr Holtzmann, ein Sohn des früheren Prälaten, war erst seit wenigen Monaten in Breiten und hatte sich dort in dienstlicher wie außerdienstlicher Beziehung allgemein beliebt gemacht.

Konstanz, 3 Dez. (Brandunglück.) Von >i>em schrecklichen Brandunglück wurde nach der Konst. Ztg. heute nacht unsere Stadt heimgefucht. Kurz vor 1 Uhr ertönte plötz­lich Alarm. In der Werkstätte des Sessel­machers Franz Burkard in der Salmanns- weilcrgasse war Feuer auSgebrochen, das sich Mit rasender Schnelligkeit auf die Nachbar­häuser ausdcynte. Innerhalb einer Stunde

standen 4 Häuser samt 2 Hinterhäusern in Hellen Flammen. Die Bewohner der Häuser konnten mit Mühe ihr nacktes Leben retten. Ein 3jähriges Mädchen fiel in der Verwirr­ung aus dem 2. Stock eines Hinterhauses und liegt hoffnungslos darnieder. Ein an­deres 3jähriges Mädchen wurde infolge des starken Rauches und der Verwirrung ver­gessen und fand leider seinen Tod in den Flammen. Schmer mitgenommen wurde auch die Familie des Taglöhners Valentin Acker; dessen Frau sieht ihrer Entbindung entgegen und wurde von ihrem Mann mit großer Mühe durch den Qualm ins Freie getragen. Auf der Treppe stürzlc der Mann, wobei die Frau sich lebensgefährlich verletzte. Die meisten der betroffenen Familien konnten nur das nackte Lebe» retten und sind nicht ver­sichert. Ein Großes Glück ist eS, daß kein Wind wehte, sonst wäre wohl das ganze obere Viertel dieser Straße bis zur Wesenbergstr. verloren gewesen. Die Thätigkeit der Feuer­wehr konnte sich nur darauf beschränken, ein weiteres Umsichgreifen des Elements zu ver­hüten.

Erlangen, 4. Dez. (Lebendig verbrannt.) Heute morgen verbrannte hier ein in einer Fabrik beschäftigtes 24jähriges Mädchen. Der Inhalt eines Gefässes, in welchem sie Schellack kochte, ergoß sich über den unteren Teil ihrer Kleidung, welcher Feuer fing. In ihrem Schrecken rannte sie schreiend durch die Fabrik und auf die Straße und war schließlich eine Flammensäule. Die erzeugte Hitze war so groß, sdaß die Ohrringe und das Geld, welches das Mädchen in der Tasche hatte schmolzen. Noch bei Bewußtsein, wurde die Unglückliche in die chirurgische Klinik ge­bracht, wo sie im Laufe des Tages starb.

Mädchenhandel. DemVereine der Freundinnen junger Mädchen" wird aus Buenos Aires geschrieben:Von hier sind eben neue Händler, die eine neue Art von Sklavenhandel betreiben, nach Europa abge­reist, um durch Versprechung guter Stellen im Ausland, junge Mädchen in ihre Netze zu locken. Wie schrecklich das Los dieser Aermsten ist, können Sie ermessen, wenn ich Ihnen milieile, daß es hier ein beson­deres Viertel gibt, wo ca. 500 solcher Frauen wohnen, wovon viele an Entbehrung und in völliger Verlassenheit zu Grunde gehen. Im Mund des Volks heißt die Straße: Vallö 1s sanZrs IsArxmas, Straße des Blutes und der Thränen. Aus Montevideo ist ei» russ. Jude namens Moschke RnfinowSky nach Europa abgereist, der verschiedene Namen trägt, und mit teuflischer Geschicklichkeit den Mädchenhandel im großen betreibt. ES ist wohl anzunehmen, daß er seine Opfer auch in unserem Lande sucht. Wir möchten durch diese Notitz vor dem nichts würdigen Men­schen, diesem Stellenvermittler, warnen und machen darauf aufmerksam, daß der Verein der Freundinnen junger Mädchen bereit ist, im In- und Ausland Adressen anzugeben, wo jungen Mädchen mit Rat und Thal bei- gestanden wird."

Infolge eines Versehens in der Apotheke bei Zubereitung einer Arznei ist die fünf Wochen alte Tochter beS in der Köslinerstraße in Berlin wohnhaften Arbeiters Josef St. gestorben. Zur Bereitung der Arznei war in der Apotheke aus Versehen statt des vom Arzte vorgeschriebenen Calo- mels Morphium verwendet worden.

Einschränkung der Gefänguisarbeit.