Rundschau.

Stuttgart, 3. Dez. Bei der heutigen Stichwahl zum württembergischen Landtag in Cannstatt erhielte: Pfaff (Deutsche Partei) 4282 Stimme», Tauscher (Soz.) 3542 St. Somit ist Pfaff mit 740 Stimmen Mehr­heit gewählt.'

Stuttgart, 3. Dez. Heute Morgen kurz nach 6 Uhr nach der Ablösung bemerkte der Wachtposten an dem obere» Pavillon der großen Jnfanteriekaserne ein Knistern und Krachen im Gebäude, worauf die Feuerwache um 6 Uhr 10 Min. alarmiert wurde. 6 Uhr 11 Min. fuhr dieselbe ab und erschien 6 Uhr 14 Min. am Brandplatze. Brand­meister Jacoby drang als Erster in den mit dickem Rauch erfüllten Raum des Osfiziers- kasinos (7. Regiment Kaiser Friedrich) ein, in welchem gestern Abend die Erinnerung an die Kämpfe von Champigny (2. Dez.) gefeiert worden war. Durch Ueberhcizung war unter dem Ojenstein das Feuer ent­standen, das sich unter dem Fußboden in weitem Umkreise entwickelte. Demgemäß ließ der Brandmeister den Fußboden aufhauen und den Ofen abdecken, wobei die Hellen Flammen auflodertcn und hinausschlugen. Mit 2 Strahlrohren wurde hierauf das Feuer bald gelöscht, wobei die Feuerwache von der Militärfeuerwache unter Führung ihres Of­fiziers kräftig unterstützt wurde. Nach 7 ','4 Uhr konnte die Feuerwache wieder adrücken.

Bebenhausen, 28. Nov. Einer der kgl. Zagdgäste, der fürstl. Hohenzollernsche Hos- kammerpräsident Graf Adelmann von Adel- mannsfelden hatte heute as seltene Glück, auf der Jagd im Schönbuch einen Seeadler zu erlegen. Der Graf und die ihn beglei­tenden Jäger waren schon einige Zeit aus einen großen Vogel aufmerksam geworden, der in der Luft kreiste, als sich derselbe näherte und plötzlich auf eine Forche nieder­ließ, von wo ihn der Graf mit der Kugel herabschoß. Der Aoler mißt in der Spann­weite 2,10 Meter und mag, der Hellen Färb­ung des Schnabels und der Länge nach zu schließen, über ein Jahr alt fein.

Unttttiirkheim , 3. Dezbr. (Historischer Fund.) In dem früher von Seyboihen'schen Garten, welcher nunmehr überbaut wird, wurden gestern zwei menschliche Skelette bloß- gclegt. Bei denselben fanden sich zwei gla­sierte Urnen, zwei Thräncngläser, eine Linse aus Bergkristall in der Größe e>nes 50- Psennigstückes und ein silbernes Schmuck­stück, welches ohne Zweifel ähnlich wie eine Brochc zum Zusammenhalten des Gewandes benützt wurde. Vermutlich stammen diese Gräber aus der Uebergangszeit von der römi­schen zur alemannischen Periode. Die ge­fundenen Gegenstände nahm Herr Ober- rrallehrer Friz in Verwahrung und übergab sie heute dem Vertreter des statistischen Lan­desamts.

Marbach, 3. Dez. (Verhaftete Diebin.) Gestern wurde in Burgstall die Dienstmagd des früheren Schultheißen Schwaderer da­selbst verhaftet, nachdem sie in den letzten zwei Jahren ihrem Dienstherrn nach und nach den Geldbetrag von annähernd 2500

sowie Silbergeschirr in nicht unbedeuten­dem Wert entwendet hat. Das Geld fand sich beinahe vollständig in einem Nachbar­haus« vor. Die ungetreue Magd ist die 30 Jahre alle Karoline Holzwarth von Fautspach.

Urach, 3. Dez. Von einem schweren

Unglücksfall wurle, wie der Schw. M. meldet, die Familie des hies. Gerichtsnotars betroffen. Gestern abend fiel das jüngste Kind, ein sechsjähriges Mädchen, in der Küche in einen Behälter mit heißem Wasser und verbrühte sich derartig, daß es heute morgen starb.

Ulm, 2. Dez. Die Ulmer Bäcker muß­ten in der letzten Zeit viele nicht unberech­tigte Klagen über sich ergehen lassen, wegen schlechter Beschaffenheit des Schwarzbrots. Gestern abend wurden nun auf Anordnung der Polizeikommisston sämtliche Bäcker in den Rathaussaal zusammenberufen, wo unter Vorsitz des Oberbürgermeisters der Vorstand des städtischen Untersuchungsamts, Hosrat Dr. Wacker, die Mißstände der hiesigen Broibereitung beleuchtete und Vorschläge zu deren Beseitigung machte. Ein großer Pro­zentsatz des hiesigen Schwarzbrotes ist schlecht ausgebacken, speckig und in altgebackenem Zu­stand dürr und geschmacklos. Auch wurde ein Preisunterschied bei de» einzelne» Bäckern bis zu 11 pro Kilo Schwarzbrot kon­statiert. Es ist zu hoffen, daß dieses amt­liche Vorgehen bei den Ulmer Bäckern Be» achtung finden wird.

Mannheim, 1. Dezbr. (Eine peinliche Scene) spielte sich dieser Tage, wie man einem Karlsruher Blatte von hier schreibt, in einer hiesigen Restauration ab. Ein älterer Offizier sei in das Lokal getreten. Von einem Tisch, an welchem mehrere Zivilisten sitzen, schallt ihm der RufBrüsewitz" ent­gegen. Der Offizier ignoriert den Ruf und setzt sich ruhig an einen benachbarten Tisch, um ein Glas Bier zu trinken. Alsdann steht er auf und schickt sich an, das Lokal wieder zu verlassen. Als er an dem be­treffenden Tisch» von wo ihm das Wort Brüsewitz" cntgegengeschallt war, vorbeikam, blieb er stehen und sagte:Derjenige, welcher das Wort Brüsewitz gerufen hat, ist ein Lausbube und gehört geohrfeigt. Lausbuben jedoch ohrfeige ich nicht." Sprachs und ver­ließ das Lokal, aus dem sich bald darauf auch der blamierte Provokant entfernte.

Die in Falkenstein im Vogtlande erscheinende sozialdemokratische Zeitung hat folgende Erklärung veröffentlicht: Von nun an werden wir jede Unterschlagung von Abon­nementsgeldern der Staatsanwaltschaft an- zeigen, dann wird schon Ordnung werden. Wer kann denn auch die vielen Verluste auf die Dauer aushaltcn ? Das läßt tief blicken.

Eine Leiche als Frachtgut Aus Warschau wird polnischen Blättern berichtet: Ein Praktikant des Geschäftshauses Arno- nowski in Warschau, Namens Feigl, hat auf Anstiften seiner Freunde Szczepinski und Klcinzum seinem Chef 4000 Rubel ent­wendet. Er wurde sodann von seinen Comp- licen in ein Haus des Stadtteils Nowoltpie gelockt, wo er als die Teilung deS entwende­ten Betrages vorgenommen werden sollte, in gräßlicher Weise ermordet wurde. Um die Spuren der Mordthat zu verwischen, legten die beiden jugendlichen Verbrecher, von denen der Eine 18, der Andere 19 Jahre alt ist, die Leiche ihres Genossen in eine große Kiste, die sie als Frachtgut nach Lodz aufgaben und von dort nach Odessa weiter dirigierten. Die Sicherheitsbehörde, welche Feigl wegen des zur Anzeige gebrachten Diebstahls kurrentierte, entdeckt« bei den eingeleiteten Recherchen, daß der Dieb das Opfer eines verbrecherischen KomplotS geworden sei. Die beiden Mör­

der, die sich noch im Besitze deS entwendeten Geldes befanden, wurden festgenommen. Sie verlegten sich anfänglich aufs Leugnen, ge­standen aber dann ihre Schuld rückhaltlos ein, worauf die Kiste mit dem unheimlichen Inhalte, die, als Ware deklariert, mittler­weile den Weg bis Brest-Litewski zurückge­legt hatte, daselbst angehaltcn und nach War­schau zurückbefördert wurde.

Mord aus Aberglauben. DasWo-

ronlscher Bezirksgericht verurteilte die russi­schen Bauern Besmilzeff und Manajeff zu je achtjähriger Zwangsarbeit, weil sie einen 12jährigen Knaven Namens Lawienkoff er­drosselten, dann den Leib aufschnitten und die Eingeweide Herausnahmen, um aus dem in demselben befindlichen Fette Diebslichter zu gießen, die nach ihrer Meinung Diebe unsichtbar machen sollen.

Wien, 30. Nov. In Neulitschein wurde am letzten Samstag früh der Raubmörder Streit durch den Strang hingerichtet. Der­selbe hatte eine Frau Zeygek im Walde über­fallen, und als sie ihm nicht 10 Fl. geben wollte, deren einjähriges Kind ermordet, in­dem er demselben den Kopf an einem Baum­stamme zerschmetterte.

Paris, 1. Dez. (Dreyfuß verschwun­den.) Daß Dreyfuß sich schon lange nicht mehr auf der Teufelsinsel befinde, will ein Marineoffizier wie die ,Libre Parole" berichtet aus dem Munde eines Landoffi- zierS gehört haben. Der letztere erzählte: Ich fand mich ihm von Angesicht zu Ange­sicht gegenüber auf der Teufelsinsel; er hat mich nicht erkannt, und ich habe ihn nicht erkannt. Und doch habe ich früher lange mit ihm zusammen gelebt. Das Individu­um, das sich dort befindet, ist wenigstens sieben bis acht Jahre älter als Dreifus; er hat ein jüdisches Gesicht, aber das ist auch die einzige Aehnlichkeit, die er mit dem Verräter besitzt. Ich habe mein Erstaunen darüber seinen Wächtern ausgedrückt.Ihr Sträfling ist nicht DreifuS", sagte ich ihnen. Alles was ich weiß," entgegnete der ehr­liche Mann,ist, daß er dasselbe Indivi­duum ist, das hierher als Dreyfus gebracht worden". Und der Offizier schließt mit den Worten:Ich habe nicht den geringsten Zweifel daran, Dreyfus befindet sich nicht mehr auf der TeuselSinsel." Gleichzeitig be­merkt das Blatt, daß der eigentliche Drey­fus an verschiedenen Orten in Belgien und Amerika gesehen worden sei.

Der Erfolg einer Schneiderfirma. Die englischen Zeitungen veröffentlichen einen Prospekt, wonach einer der bekannten Pariser Damenschneider, Herr Paquin, in der Rue de la Paix sein Geschäft in eine englische Aktiengesellschaft verwandelt, mit einem Ka­pital von 12*/- Mill. Francs. DaS Ge­schäft besteht erst seit 1891 und ergab folgende Gewinne: im ersten Jahre 15 000 Francs, 1892 97 000 Frcs., 1893 316000 Frcs., 1894 821 000 FrcS., 1895 1 170 000Fr. Für das laufende Jahr hoffe man, auf 1 0, Millionen zu kommen. Die schlechten Schul­den betrugen 1'/» pCt. der Verkäufe.

(Neidisch.) Frau Geheimrätin (vor dem Kasernenhof, in welchem Rekruten ge­drillt werden):Gott, Mann, steh 'mal die armen Menschen I" Geheimrat:Arm? Jeder einzelne hält sich eine herrschaftliche Köchin, wo wir blos ein Mädchen für Alles haben!"