Der Fluch -es Mammons.
Novelle von Leo Werner.
(Nachdruck verboten.)
16.
Auf Züllchow hatte Emma gerade durch ihre feste, würdevolle, wenn auch ablehnende Haltung einen ganz vorzüglichen Eindruck gemacht, und er fühlte sich mehr als je zu dem charaktervollen Mädchen hingezogen, die ihr Herz und ihre Hand nicht leichthin verschenken, sondern erst prüfen wollte, ob sie auch eine starke, große Liebe zu dem Freier werde empfinden können.
Over sollte Emma Berlitz bereits heimlich an einen Anderen ihr Herz verschenkt haben ? I — Dieser Gedanke bereitete dem Rittmeister manche qualvolle Stunde.
* *
Auf dem von Berlitz erworbenen Terrain in der Torfhaide wurde unter der Leitung des Ingenieurs Gumbrecht mit mehr als hundert Arbeitern und zwei Bohrmaschinen und vier Locomobilen wacker gearbeitet, um Pctroleumquellen zu entdecken, aber trotzdem nun bereits vier Monate gesucht und gebohlt worden war, so halte man doch noch keine einzige sichere Spur einer Petroleumqnclle entdeckt, und Berlitz, welche jede Woche einige Male hinaus nach der Torfhaide fuhr, um die Fortschritte der Bohrarbeiten zu sehen, wurde mit jedem Tag unmutiger.
Der Ingenieur Grundrecht blieb aber fest in seiner Hoffnung, daß doch schließlich eine ergiebige Petroleumqnclle in der Torfhaide gefunden werden müsse, und Gumbrechl stützte dabei seine Zuversicht hauptsächlich auf die Erfahrungen, welche er in Sübdeulschiand bei der Entdeckung von Pctroleumquellen gemacht haben wollte. Da nun Berlitz bereits ein Kapital von mehr als 150 000 Mark in das Unternehmen gesteckt hatte und diese Versuche, Petroleumqnkllen zu entdecken, auch Berlitzens Namen in der Residenz und auch im ganzen Lande berühmt zu machen versprachen, und weil f>rner auch der Banquier Zacharus häufig Berlitz zur Ausdauer bei dem Unternehmen aufforderte, weil durch dasselbe im Falle des Gelingens Millionen zu verdienen sein würden, so opferte Berlitz immer wieder neue Summen, um die Bohrversuche fortzusetzen. Aber heute, als er wieder circa 1700 Mark für Arbeitslöhne. Kohlen, Lastfuhren und andere Unkosten zu zahlen halte, und bei seiner Ankunft in der Torfhaide wiederum keine gute Nachricht in Bezug auf die Entdeckung einer Petroleum- quelle hörte, verlor Berlitz die Geduld, und er hatie eine böse Scene mit Gumbrecht. Er warf dem Ingenieur oberflächliche Behandlung der ganzen Angelegenheit, Unwissenheit und die Erweckung trügerischer Hoffnungen vor, sodaß Gumbrecht auf der Stelle davon gehen und das Unternehmen im Stiche lassen wollte.
Dadurch entstand ober wieder eine peinliche Verlegenheit für Berlitz, sodaß er seine Vorwürfe zurücknam und Gumbrecht bat, die Leitung der Bohrversuche ferner noch zu führen.
Gumbrecht war darüber auch froh, denn er hatte ja für seine ganzen bisherigen Bemühungen keine Enschädigung erhalten und besaß auf solche erst dann den vertragsmäßigen Anspruch, wenn eine Petroleum- quelle entdeckt war. Gumbrecht war auch
kein Schwindler, sondern er war nur einer von denjenigen Unterrehmern und Entdeckern, welche das, was sie zu erstreben wünschen, zu sehr von der rosigen Seite beurteilen. Um den guten Fortgang des Unternehmens zu sichern, erbot sich auch Gumbrecht aus seinen Mitteln noch zwei Wochen die Kosten der weiteren Bohrversuche zu bestreiten, so- datz Berlitz nicht im Geringsten mehr an der Ehrenhaftigkeit GumbrechtS zweifelte und leidlich befriedigt sich nach Hause begab.
Mit größter Energie wurde nun weiter nach Petroleumquellen gesucht, und am elften Tage nach der erwähnten heftigen Scene zwischen Berlitz und Gumbrecht geschah das ersehnte Ereignis. An Berlitz lief in die Residenz eine Depesche von Gumbrecht ein, welche die Entdeckung einer Petrolcumquelle verkündete.
Berlitz wurde darüber fast närrisch vor Freude und Emma und die Tante Susanne, welche ihn in den letzten Wochen oft traurig und tiefsinnig wegen des scheinbar verunglückten Unternehmens auf der Torfhaide gesehen, und über seinen Gemütszustand Sorge gehabt hatten, bangten jetzt förmlich aus entgegengesetztem Grunde dafür. In Wirklichkeit hatte aber auch nicht nur eine unbändige Freude, sondern auch ein richtiger Größenwahn Berlitz erfaßt, seit die Depesche von der Entdeckung einer Petroleumquelle eilige- laufen war.
Bald eilte auch Berlitz zu seinem guten Freunde dem Banquier Zacharus, um diesem das große Ereignis zu verkünden.
„Sie ist gefunden, die große Quelle!" rief er diesem vor Freude strahlend entgegen, als sich der Banquier erschrocken über den stürmischen Eintritt Berlitzens rasch von seinem Arbeitstische erhoben hatte, und mit triumphierendem Lächeln legte der glückliche Unternehmer dem Banquier die Depesche auf den Tisch.
„Meine herzlichsten Glückwünsche zu diesem großen Erfolge, der Ihrem Unternehmungsgeiste und Ihrer Ausdauer alle Ehre macht, Herr Berlitz!" rief Zacharus freudig und schüttelte dessen Hand. „Sie werden dvrch dieses Unternehmen nicht nur viele Millionen gewinnen, sondern auch ein Wohl- thäter für das ganze Land, welches bisher das Petroleum nur aus Amerika und Rußland beziehen konnte. Von dem heutigen Tage ab sind Sie zum berühmten Manne geworden. Auch werde ich dafür Sorge tragen, daß noch heute an der Börse und in mehreren Zeitungen die große Entdeckung bekannt wird."
Berlitzens Stolz stieg noch höher bei diesen Schmeicheleien deS Barqniers und weit, weit fühlte er sich über seine gewöhnlichen Nebenmenschen erhaben.
„Ich werde noch heute nach der Torfhaide fahren, um die Quelle in Augenschein zu nehmen," bemerkte Berlitz dann selbstbewußt. „Wollen Sie mich nicht begleiten, Herr Zacharus?"
„Sehr gern," erwiderte dieser, denn er wollte sich unter allen Umständen Berlitzens Gunst erhalten und diesen sobald als möglich dazu veranlassen, das Unternehmen in der Torfhaide in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln, bei welcher Gründung natürlich Zacharus auch ein schweres Stück Geld zu verdienen hoffte. Am Nachmittage trafen die beiden Herren in der Torfhaide ein und wur
den von den Arbeitern, welche von Gumbrecht anläßlich des großen Freudeniages bereits mit Birrspenden bedacht worden waren, mit Jubel empfangen.
Bald kam auch Gumbrecht herbei und führte die Herren an die Petrolcumquelle-.
Aber wenn Berlitz und Zacharus den Glauben gehabt hatten, daß an der Fundstelle das Petroleum krystallklar und in starker Quelle aus der Erde strömen werde, so hatten sie sich einem schönen Wahne hingegeben, denn die Petroleumquelle zeigte sich nur als ein großes Loch, in welchem sich eine schwarze, stark nach Petroleum riechende Flüssigkeit befand.
Als Gumbrecht die Enttäuschung auf den Gesichtern der beiden Herren bemerkte, so gab er sofort folgende Erklärung ab:
„Meine Herren I Die Fälle, wo dos Petroleum rein und so stark wie ein Arm aus der Erde quillt, sind sehr selten, viel öfter kommt es vor, daß man das Petroleum wie in einer Theermasse findet, wie es hier der Fall zu sein scheint, und dann muß natürlich das Petroleum erst noch einem ReinigungSproze unterworfen werden. Derselbe ist aber weder schwierig noch kostspielig und kann die Rentabilität des Unternehmens nicht in Frage stellen. Es ist aber durchaus auch nicht unwahrscheinlich, daß wir bei unseren weiteren Arbeiten auf eine reine Petroleumquelle oder vielmehr auf ein unterirdisches mit Steinöl angefülltes Bassin stoßen und dadurch unserem heutigen Funde noch einen viel wertvollere» hinzufügen.*
Berlitz und Zacharus wurden durch diese Erklärungen so ziemlich befriedigt und Berlitz fragte nur noch, in welcher Zeit und in welcher Menge das erste hier gewonnene Petroleum in den Handel kommen könne.
Gumbrecht erwiderte, daß dies in circa fünf bis sechs Wochen möglich sein werde, aber die Menge des gewonnen neuen reinen Petroleums lasse sich in keiner Weise schon jetzt feststellen.
Berlitz versprach schon morgen wieder zu kommen, »m die energische Fortführung des Unternehmens zu fördern, und begab sich dann mit dem Banquier anf den Heimweg nach der Residenz.
Auf diesem setzte der speculative Zacharus dem golddurstigen Berlitz noch einmal alle die Vorteile auseinander, welche für ihn entstehen würden, wenn er das Petroleum- Unternehmen in eine Aktien-Gesellschaft umwandeln lasse, denn dadurch müsse ihm doch das ganze Unternehmen zu einem hohen Preise abgekauft werden, und außerdem könne er sich durch eine große Anzahl Aktien immer noch extra einen bedeutenden Gewinn sichern.
Berlitz, welcher heute gesehen hatte, daß die Petroleumquellen doch nicht gerade gleichbedeutend mit puren Goldquellen sind, war jetzt geneigt, seine Zustimmung zu der Umwandlung des Petroleum-Werkes in ein Aktien-Unternehmen zu geben, zumal ihm Zacharus erklärt hatte, daß er dabei wahrscheinlich eine Million Mark verdienen werde.
Es waren goldene Träume im wahren Sinne des Wortes, in denen sich Berlitz in der nächsten Zeit Tag und Nacht wiegte, zumal auf die Entdeckung der Petrolcumquelle großes Aufsehen im ganzen Lande erregte alle Zeitungen Berichte über den kühnen Unternehmer Berlitz und seinen genialen Ingenieur brachten. (Forts, folgt.)
Redaktion, D-uck Verlag von Bern h. Höfmann in Wildbad.