Rundschau.
Stuttgart, 19. Nov. Der Gemeind erat hat auf Antrag des Oberbürgermeisters beschlossen und ladet den Bürgerausschuß ein, zuzustimmen, allen Arbeitern der Stadt per Tag und Kopf 10 --s aufzubefsern.
Stuttgart, 19. Nov. Ein gutes Geschäft hat Bäckermeister Dürr, Marklstr. 5, gemacht. Derselbe hat nämlich sein Anwesen (früher Wirtschaft zum goldenen Becher von Belting, welches er s. Z. für 97 000 kaufte, um 190 000 ^ an Bäcker Maier, dessen Eltern früher den Obst- und Back' Warenstand im Bahnhof hatten verkauft.
Heilbronn, 17. Nov. Ein hiesiger verheirateter Taglöhner wurde gestern von einem Metzgermeister ertappt, als er eben aus dem Kleider- rc. Laden seines Nachbars ein Paar Schuhe entwendete. Auf die erfolgte Anzeige auf der Polizei wurde in der Wohnung des TaglöhnerS Haussuchung gehalten und hier fand sich ein ganzes Warenlager vor: Flanell, Zucker, Betttücher, Rauchfleisch, Mehl, Einmachgläser, Eier, Ziebeben u. s. w. ruhten friedlich bei und untereinander- Der Dieb ist verhaftet und auch seine Frau wurde in Gewahrsam gebracht.
Heilbronu, 19. Novbr. In der vom Reichsgericht zur nochmaligen Verhandlung an die hiesige Strafkammer zurückgewiesenen Beleidigungsklage des Oberbürgermeisters H. gegen den Redakteur der »Heilbr. Ztg.", Wulle, wegen Druck und Verbreitung des Jak. Fr. jHofmann'schen Flugblatts gegen Hkgelmaier wurde Wulle freigesprochen.
Bkinberg, 18. Nov. Heute morgen 4 Uhr brach in der Scheuer des Bauern Fr. Keck hier Feuer aus, welches dieselbe binnen einer Stunde in Asche legte. Brandstiftung Wird vermutet. Es ist dies innerhalb zwei Monaten der zweite Brand.
Mehrstetten, OA. Münstngen, 18. Nov. Beim Ausgeschirren wurde der hiesige Landwirt Jakob Schrade von seinem ansschlag- enden Pferde so unglücklich an die Schläfe getroffen, daß er, ohne wieder das Bewußtsein zu erlangen bald darauf starb.
Aalen, 19. Nov. Als Wahlkuriosum mag erwähnt werden, daß in einem hiesigen Wahlbezirk ein Wähler seinen schön zusammengefalteten Kapitalsteuerzettel abgegeben hat. Der Zettel wurde vorschriftsmäßig als Beilage dem Wahlprolokoll beigesügt.
Berlin, 20. Nov. Der „Nationalztg." zufolge soll das Gehalt der Oberlehrer auf 2500 ^ bis 5700 Mark, anstatt wie jetzt auf 2100 Mark bis 4500 Mark festgesetzt werden. Der Höchstgehalt soll nach 24, anstatt wie jetzt nach 27 Jahren erreicht werden.
Berlin, 17. Nov. Der Kaiser hat am letzten Donnerstag unmittelbar im Anschluß an die Rekruten-Vereidigung an die versammelten, zu dem Zweck zu engster Gruppe herangezogenen Offiziere ernste Worte über den Fall Btüsewitz gerichtet. — Nach dem »Hann. Anzeiger- kam das Urteil in Sachen des Lieutenants Brüsewitz vom Kaiser mit zahlreichen Randbemerkungen zurück: es sei ein neues militärisches Gericht eingesetzt worden, dessen Urteil vom Kaiser kaum noch bestätigt sein könne.
Karlsruhe. Infolge der neulichen Veröffentlichung dreier hiesigen Studenten über das Verhallen des Begleiters Brüsewitz, Jung- Stilling, hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen denselben eingeleitet.
Karlsruhe, 18. Nov. Das Opfer einer Zahnoperation wurde in Adelhausen ein 27- jähriger, sehr kräftiger Mann. Er ließ sich in L. einen Zahn ziehen. Die Operation verlief normal. Zwei Tage später jedoch stellten sich unerträgliche Schmerzen ein. Hals- und Gesichtsteile schwollen, so daß der Patient nicht mehr sprechen konnte und sich seiner Umgebung nur noch schriftlich verständlich machen konnte. Der herzugerufene Arzt entfernte dem schwer Leidenden noch zwei weitere Zähne im guten Glauben, ihm Erleichterung zu verschaffen. Allein auch dies Mittel half nichts. Der Arzt ordnete die Ueberführung nach dem L.er Krankenhaus an, wo sofort eine Operation vorgenommen wurde, die aber leider schon zu spät war. Es lag augenscheinlich Blutvergiftung vor.
— Ein neues Gasglühlicht. Eine Erfindung, welche geeignet sein dürfte, eine große Umwälzung auf dem Gebiete des Belcuchtungs- wesens hervorzubringen, wurde von dem Sohne des Hofbüchsenmachers Nagel in Baden-Baden , August Nagel, Mitglied der dänischen GaSglühlicht-Korn. in Kopenhagen gemacht. Das Prinzip dieser Erfindung beruht auf der Zuführung von komprimierter Luft in die unter einem Strumpfe brennende Gasflamme, wodurch dieselbe bei vermindertem Gasverbrauche die zehnfache Lichtstärke des AuerlichteS erzielt. Die Hauptvorteile sind kurz folgende: Wunderbar schönes Licht und dabei billiger wie alle bis jetzt bestehenden Beleuchtungs-Systeme. Die Erfindung ist in den in Betracht kommenden Kultur- staaten patentiert und in diversen Staaten sind die Verhandlungen, den Verkauf der Patente betr-, bereits im Gange.
Recklinghausen (Wcstphalen), 10. Nov. Auf der Zeche General Blumenthal hat sich heute früh ein Grubenunglück ereignet. Bis 1 Uhr mittags sind 25 Leichen heravfge- bracht worden. 40 bis 50 Arbeiter sind noch eingeschlossen. Die Gesamtzahl der Vermißten beträgt jedenfalls nicht über 30. Oie übrigen Vermißten haben sich eingefunden. Die Ursachen des Unglücks find noch nicht ermittelt. Die Wetterführung sei in bester Ordnung gewesen.
— Die Röntgenstrahlen in der Heilkunst, Mit Röntgenstrahlen wurden in Madrid Soldaten untersucht, die in Kuba schwere Verletzungen davongetragen hatten, deren Diagnose aber nicht genau festzustellen war. Es gelang sofort, Art und Ort der Verwundung zu ermitteln und dadurch eine Heilung herbeizuführen. Ferner meldet man aus San Francisco, 17. Nov. Eine soeben hier glücklich vollzogene Augenoperation erregt das größte Aufsehen in Aerziekreisen. Ein Knabe, der seit vierzehn Jahren gänzlich blind war, hat durch Anwendung von Röntgen- strahlen seine volle Sehkraft wieder erlangt.
Hamburg, 18. Nov. (Zur Warnung für Radfahrer.) Sehr oft kann man die Beobachtung machen, daß Radfahrer es lieben, hart neben einer mit Dampf oder Elektrizität betriebenen Straßenbahn längere Strecken in gleicher Schnelligkeit dahinzufahren, indem sie sich auf ihre Geschicklichkeit im Fahren verlassen. Es ist das aber ein gefährliches Ding, denn die größte Gewandtheit des Radfahrers kann nicht ein unvorhergesehenes Gleiten des Rades verhindern, das den Fahrer zu Fall bringt und unter den Wagen wirft. Ein solcher Unglücksfall hat hier den sofortigen Tod eines ^Radfahrers zur Folge
gehabt. Der junge Mann fuhr auf der Hamburg-Pinneberger Landstraße mit der Kaltenkirchener Spurbahn um die Wette und hielt sich beständig hart neben dem Bahnge- leisc dicht vor der Lokomotive. Plötzlich geriet er ins Schwanken und stürzte mit seinem Rade quer über die Schienen. An ein Bremsen des Zuges war nicht zu denken, so schnell vollzog sich der Vorgang. Lokomotive und Wage» gingen über den Radfahrer hinweg, der auf der Stelle getötet wurde.
— Ein ansregender Tierkampf. Die Arena de Figueras in Perpignan (Südfrankreich) war am 16. November der Schauplatz einer aufregenden Scene. Vor einer ungeheuren Menschenmenge fand daselbst ein Kampf zwischen einem Stier und einem Bären statt, welch letzterer angekettet in der Arena war. Als der Stier eingelassen wurde, stürzte er sich sofort mit fürchterlicher Wut auf den Bären. Dieser wich dem Angriffe aus, zerriß die Kette und wendete sich gegen eine Barriöre, welche das Publikum von der Arena trennte. Nun entstand unter den Zuschauern cine surchtbare Panique. Der Bärenführer wollte den Bär an dem Ueberschrei- ten der Barrisre verhindern und gab drei Revolverschüsse auf das Tier ab, ohne jedoch zu treffen. Die Zuschauer schrien, stießen und drängten dem Ausgange zu, wobei zahlreiche Verletzungen, darunter einzelne sehr schwere, vorkamen. Ein Gendarm schoß schließlich den wütenden Bär nieder und verhütete so weiteres Unheil.
— Eine Regierung gegen das Damenfahren- Aus Argentinien meldet man, daß die Regierung ein Gesetz erlassen habe, welches den Frauen das Radfahren verbietet. Die Ursache hierzu soll nicht, wie man vielleicht glauben könnte, übetriebeneS Schamgefühl, sondern die wohllöbliche Absicht sein, den Vorteil der in ihrem Dasein, bedrohten Wagenverleiher zu wahren.
— Hoher Preis für eine Münze. Bei einer Münzversteigerung, die am 16. d. M. in London vorgenommen wurde, — es handelte sich um die Sammlung des verstorbenen Hyman Montagu, Vizepräsidenten der Ruis- matischen Gesellschaft, — wurde für eine Münze mit dem Bildnisse König Karl I von England der enorme Preis von 470 Pfd. Sterling (94000 ^/ki) gezahlt. Dieses teure Stück, bekannt unter dem Namen „Jnxon- Medaille" hatte einst Karl I., als er vor seiner Hinrichtung das am Whitchall-Palaste aufgeschlagene Schaffst betrat, dem Bischöfe Juxon überreicht, der ihm bei der Hinrichtung geistlichen Beistand leistete.
- In die Reihe der Riesenstädte wird am 1. Januar 1898 die Stadt New-Iork treten, denn an diesem Tage werden einem Beschlüsse der Gesetzgebung zufolge die Orte Newyork, Brooklyn, Long Island-City, New- town, Jamaica, Fluhin, sowie ein T/il von Hempstead und Staten-JSland zu einem einzigen großen Gemeinwesen verschmolzen. DaS so entstehende Groß-New-Aork wird dann eine Gesamtbevölkerung von mehr als drei Millionen Seelen aufweisen und über 1100 Kirchen, 900 Postämter, 350 Schulen, ferner 150 000 Wohnhäuser, 36 000 Geschäfts. Häuser, 900 englische Meilen gepflasterte Straßen mit ebensoviel Meilen Abzugskanälen, 1800 Meilen Gasleitungs- und fast ebensoviel Wasserleitungsröhren und schließlich 1100 Meil. unterirdische, Niveau- u. Hochbahnen der verschiedensten Systeme enthalten.