Rundschau.
— Dem Vernehmen nach ist die Einberufung der Ständeversammlung auf Donnerstag, 10. Dez. in Aussicht genommen. Da nach dem bisherigen Gang der Verhandlungen der Stevrrkommifsion kaum angenommen werden kann, daß b's dahin der Bericht über daS Einkommensteuergesetz fertig gestellt sein wird, so wird der Stoff für die Kammer auf das Gesetz über die Umwandlung der Staatsschuld, das Farrenhaltungsgesetz und einige minder wichtige Gegenstände sich beschränken,
Tübingen, 18. Nov. (Brücken-Einweih- ung.) Unsere neue, befahrbare Neckarbrücke, genannt „Alleenbrücke" wurde heute nachmittag in Anwesenheit des Staatsministers von Pischek offiziell dem Verkehr übergeben. Sr. Majestät war infolge der Erkrankung seiner hohen Gemahlin leider verhindert der Feier beizuwohnen. Der Minister war nachmittags nach einem Besuche der Stadt Reutlingen hier eingetroffen und von Oberbürgermeister GöS, dem Bürgerausschußobmann Liesching, dem Oberamtmann, Reg.»Nat Preu und dem Gemeinderat Prof. Dr. v- Schönberg am Bahnhof empfangen worden. An der festlich geschmückten Brücke, wo sich außer einem zahlreichen Publikum die bürgerlichen Kollegien, Vertreter der Amtskorporationen und sonstige offizielle Persönlichkeiten eingefunden hatten, begrüßte den Minister als Vertreter der Stadtgemeinde Prof. Dr. v. Schönberg, nachdem Oberbürgermeister GöS durch den gestern erfolgten Tod seines in Stuttgart wohnhaften Sohnes, des Amtmanns Gös Verhindert war, weiter an den Festlichkeiten teil zu nehmen. Prof. v. Schönberg gab der Freude über das Erscheinen des Ministers Ausdruck, gab einen Uebcrblick über die Entstehungsgeschichte der Brücke und brachte ein Hoch auf den König aus. In seiner Erwiderung wies Staatsminister v. Pischek darauf hin, daß dies jetzt die 82. befahrbare Brücke sei, die den Neckar überspanne und äußerte seine herzlichsten Wünsche für den durch die Brücke erweiterten Verkehr und daö Wohlergehen von Stadt und Universität Tübingen, auf die er ein freudig anfgenom- menes Hoch ausbrachle. Im Privatgespräch äußerte der Herr Minister dann, mit welcher Freude er der Zeiten Gedruke, in denen er als Student auf dem alten Hirschaner Steg gestanden habe. Es fvlgte dann eine Be: sichtigung des Brückenbaues, dessen Schöpfer, den Stadlbaumeister Geilsdörfer der Minister beglückwünschte. Hierauf begab er sich zur Psychiatrischen Klinik, um dieselbe einer Besichtigung zu unterziehen. Abends versammelte man sich zu einem gemeinsamen Essen im Gasthaus „zur Post", wobei Toaste auf den König, den Minister und die Bauleitung ausgebracht wurden.
Hohenhaslach, 17. Nov. (Eine Fahrt mit Hindernissen.) Am letzten Sonntag (Kirchweih?) abend wollte der ledige Gustav Rapp von Illingen auf ein Chaischen als blinder Passagier hinten aufsitzen, waS ihm jedoch übel bekam. Er blieb nämlich an den eisernen Zacken des Kofferbrttts hängen und wurde von SerSheim bis hiehcr geschleift, so daß ihm nicht nur die Beinkleider beinahe vollständig vom Leibe gerissen wurden, sondern er auch am linken Bein arg zerschun- den wurde. Sein Befinden sei verhältnismäßig ordentlich.
Kilchberg a. I., 16. Nov. Ein gräß
licher Unglücksfall ereignete sich im benachbarten Psarrdorfe L. Eine ältere Frau war abends mit dem Anfällen ihrer Erdöllampe beschäftigt. Dadei entzündete sich das Erdöl und die Kleider der armen Frau fingen Feuer. Der hinzugekommene Pfiegesohn schleppte die Frau, statt auf richtige Weise zu löschen auf die Straße und suchte dort das Feuer zu ersticken, aber umsonst. Auf das Jammergeschrei der Unglücklichen eilte die Tochter eines dortigen Kaufmanns beherzt herbei, konnte aber leider nur »och einen kleinen Teil der nicht verbrennten Kleidungsstücke überdecken. Jämmerlich verbrannt wurde die Fran in ihre Wohnung gebracht. An ihrem Aufkommen wird gezweifelt.
Ellwangen, 18. Nov. Reichstagswahl im 13. Wahlkreis. Plärrer Hofmann erhielt 9323, Oekonom Bräuchle 5171, Geh 407, Agster 1267 Stimmen. Hofmann ist somit gewählt.
Gmünd, 13. Nov. Der zweite Gewinn der Stuttgarter AuSstellungslotlerir mit 30,000 fiel auf Nummer 6257 und wurde verkauft in der Kollekte und Haupt- agrntur von Friedrich Häcker, Gmünd.
Ulm, 16. Nov. (Lotteriegewinn.) Ein 16jähriger Gärtnerdursche hier hat in der Stuttgarter Lotterie 15 000 M. gewonnen.
Münsingen, 14. Nov. Wenn man jetzt herunterkommt auf den Schießplatz, muß man nur staunen, wie schnell dort eine förmliche Soldatenstadt entstanden ist. Der Unternehmer der Bauten, Werkmeister Vogel von Ulm, hat die Arbeiten so beschleunigt, daß jetzt schon 17 Mannschaftsbaracken, 4 Hauptmanns-, 6 Lieutenantsbaracken, 1 GeneralS- wohnung, 6 Wirtschaftsgebäude, 1 Wachkommando und 1 Arrestgebäude ganz fertig gestellt sind. 2 Stabsoffizierbaracken und ein OffizicrSkastno sind unter Dach und 7 weitere Mannschaftsbaracken werden in Kürze fertig sein- Dies alles wurde gebaut seit 1. Mai ds. IS. Bis 1. Juni 1897 kann der Schießplatz sicher bezogen werden. Die Bauarbeiten haben den Betrag von 470 000 Mark gekostet.
Elberfeld, 16. Nov. Ein Opfer seines Berufes wurde gestern abend in der Nähe der Station Schee ein Schaffner. Als in einem Coupee das Licht auögegangen war, stieg der Schaffner während der Fahrt auf den Wagen, um es wieder anzuzünden. In demselben Augenblicke fuhr der Zug in einen Tunnel ein, um dem Beamten, der infolge dessen mit dem Kopfe an die Steinmauern stieß, wurde der Schädel zerschmettert. Er war sofort tot.
Kausbeuren, 17. Novbr. Ein heiterer Zwischenfall spielte sich bei der Besichtigung der Heilanstalt Kausbeuren ab, welche die Mitglieder des schwäbischen Landrates unternahmen. Bei der Besichtigung der männlichen Krankenabteilung kamen die Herren Landräte auch zu einem Kranken, der von Zeit zu Zeit io gut ist, daß ihm sogar der freie Ausgang in die Stadt gewährt werden kann, gegenwärtig aber wieder an einem Rückfall leidet. Er suchte den Herren in langer Rede auseinanderzusetzen, welche Ungerechtigkeit cs sei, daß er in diesen Mauern gefangen gehalten werde. Einer der Landräte, ein Geistlicher, glaubte ihm Trost zusprechen zu müssen und meinte, er (der Patient) möchte sich beruhigen und sich nicht so sehr aufregen. Allein diese Worte fanden nicht den rechten Ort. Ehe sich der Herr Landrat versah und
ehe die Wärter hindern konnten, saß elu Hieb auf seinem Hute, den der Patient mit den Worten begleitete: „Wenn Du es hier so gut findest, so bleibe selber dal" Der Kranke wurde rasch in seine Zelle gebracht und die Landräte gingen über diesen kleinen Zwischenfall mit geziemendem Humor zur „Tagesordnung" über.
— (Spanische Briefe und kein Ende ) Ein Bräum ister in Scheer, O.A. Saulgau, hat vor einigen Tagen aus Barcelona in Spanien einen mit A. OzerSky Unterzeichneten Brief erhalten, in dem ihm der angeblich in Hast befindliche Briesschreiber im Vertrauen mitteilt, er habe auf seiner Flucht vor den russischen Behörden (!) in der Nähe von Scheer 400 000 Rubel vergraben. Der Adressat wird eingeladen, persönlich nach Barcelona zu kommen und die zur Beseitigung der einer Hebung des Vermögens entgegenstehenden Hinternifse erforderliche 5000 Fr. mitzubringen, wogegen ihm als Hilfeleistungen ein Drittel des Vermögens versprochen wird. Der Brief ward sofort an die richtige Adresse, an die Staatsanwaltschaft, weiter gegeben. Bekanntlich sind früher Briefe mit ähnlichem Inhalt schon öfters aus Spanien in Deutschland und besonders in Württemberg angekommen und wir haben ebenso oft auch Anlaß genommen, das Publikum vor diesem Schwindel zu warnen.
Emden, 17. Nov. In der letzten Nacht brach hier ein Brand aus, der sechs Häuser vernichtete. Zwei Personen verbrannten. Eine Dame, die, um sich zu retten, aus dem Fenster sprang, brach beide Beine und erlag später ihren Verletzungen.
— Der ärztliche Schwindler Dr. Volbe- ding hatte früher für seine Haftentlassung eine Sicherheit in Höhe von 200 000 ^ hinterlegt. Dieser Betrag ist nunmehr von der Staatssteuerverwaltung beschlagnahmt worden, weil Dr. Volbeding in seinen Steuererklärungen sein Einkommen Viel zu niedrig angegeben hatte. Der Fiskus gedenkt, sich jetzt an den 200 000 schadlos zu halten. Dem Gerüchte zufolge soll der größte Teil der Summe verfallen sein. Unter solchen Umständen dürfte die von Volbeding gegen den Verhaftungsbefehl beim Kölner Ober- landeSgericht eingelegte Beschwerde erfolglos sein. — Unrecht Gut gedeiht nicht I
— Vom Segen der Gastfreundschaft können einige Bauern aus Olterswetler (Elsaß) erzählen. Letzthin kamen zwei Herren in das freundliche Dörfchen und sprachen verschiedentlich ein. Verschiedene freundliche Bauern setzten ihnen ein Krügel Selbstgemachten vor. Der Dank der fremden Herren kam dieser Tage schriftlich an: er bestand in einem Protokoll. Die Fremden waren nämlich Steuerbeamtc gewesen und die Bauern hatten nicht gewußt, daß man in Elsaß auch von selbstgemachtem Wein Steuer bezahlen
Müsse I
— Eine ergötzliche Geschichte, die allerdings dem Betroffenen nicht angenehm war, soll sich kürzlich in einem ostpreuß. Städtchen bei einer Versteigerung ereignet haben. Unter anderem ergriff der Ausrufer auch einen Ueberzieher und einen Regenschirm. Beides wurde für die üblichen Preise verkauft. Nach Beendigung der Versteigerung, als vorgedachter Ausrufer heimgehen wollte, vermißte er sowohl Ueberzieher wie Regenschirm. Man glaubte anfänglich, daß Diebe sich daS Gedränge zu Nutze gemacht hätten^