Grste Liebe.
Noveletie von Johanna Berger.
Nachdruck verboten.
3.
So verharrten beide geraume Zeit in tiefem Schweigen, sinnend, in tiefe Gedanken verloren, aber halbscheuc Blicke, welche sich hin und wieder wehmütig und in verborgener Glut von Aug zu Auge strahlen, berauschten beide bis zum Vergessen alles dessen, was hemmend zwischen ihnen lag.
Alle Thore der Vergangenheit sprangen vor ihnen auf, eine weiche träumerische Stimmung bemächtigte sich ihrer und theure, süße Erinnerungen an die froh verlebte Jugendzeit wurden wieder wach und lebendig in ihrem Herzen, wie eine gewaltige Flut strömten sie über sie hin.
Dort drüben in den grünen Harzbergen, deren majestätische Felsenkruppen aus bläulichem Nedelduft so vertraut zu ihnen her- übergrüßten, hatten beide das Licht der Welt erblickt. Dort befand sich ein gar freundliches Städtlein mit niedrigen, spitzgibligen Häusern und einem altersgrauen Schlosse, das mit seinem in edlen Stil gehaltenen Gemäuer frei und stolz auf die roten bescheiden Dächer des kleinen Ortes herniedersah. Droben in dem feinen, vornehmen Ritlerschlosse hatte einstmals — eS wac schon lange her — Landrat's Kurt gewohnt und wett abseits in dem von Weinreben umsponnenen schlichten Pfarrhause, Pastors kleine Hanna.
Beide Kinder waren einst unzertrennliche Gefährten gewesen, gleichsam ein Herz, eine Seele. Das eine war so jugendfroh, so frisch, so wild und so unschuldig wie das andere. Sie spielten, jubelten und lachten miteinander, sie liefen zusammen in den Wald und kletterten auf die Berge, im Winter und Sommer, bei Sonnenschein und Regen, ohne Unterlaß. Sie hatten sich lieb und halten sich gern, für andere Kinder fanden sie kein Interesse. Daß Landrat's Kurt sechs Jahre mehr zählte, als die kleine Hanna, das lhat ihrer treuen Freundschaft und Kameradschaft keinen Abbruch.
Kurt wanderte täglich ins Pfarrhaus, um beim Herrn Pastor Lateinisch und Griechisch zu lernen. Kaum waren aber die Stunden beendigt, dann warf er freudig die langweiligen Bücher bei Seite und lief mit der herzigen Spielgefährtin ins Freie.
Im Winter, wenn eS bitterkalt war im rauhen Harzgebirge, wenn wilde Stürme um die Berggipfel lobten und Wald und Thal ein weißes Leichentuch deckte, dann saßen die Kinder fröhlich beisammen in der warmen Wohnstube deS alten Pfarrhauses. In der Ofenröhre brieten Aepfel und ihr feiner aromatischer Duft erfüllte das ganze Zimmer mit Wohlgeruch. Der Herr Pastor saß nebenan im kleinen Studierstübchen, aber Tante Regina, des alten Herrn ledige Schwester, welche ihm seit dem frühen Tode der geliebten Gattin die Wirtschaft führte, leistete den beiden Kindern treulich Gesellschaft. Diese milde, still bescheidene, alte Jungfrau hatte ein Herz wie Gold, rastlos lhälig im Haushalt, vertrat sie mit warmen, zärtlichen Empfinden Mutterstelle bei der kleinen Hanna. Aber auch Kurt, dem gleichfalls die Mutterliebe fehlte — der Landrat war Wittwer — hatte sie ihr gütiges Herz zugewendet. Für
die beiden kleinen Durchgänger — so nannte sie die Kinder, hielt sie stets etwas gutes bereit, Nüsse, süßes Backwerk, saftiges Obst und anderes Naschwerk und wie glücklich strahlten ihre Augen aus, wenn es ihren Lieblingen schmeckte, was übrigens immer der Fall war. Auch herrliche Märchen verstand sie zu erzählen und wunderbare Harzsagen, vom verwunschenem Ritter Goto und der holden Prinzessin Ilse, deren goldene Krone im Bodekefsel liegt, vom Hexentanz auf dem Brocken in der Walpurgisnacht, vom Mägdesprung und der Roßtrapp-. Sie war eine unermüdliche Erzählerin und Kurt und Hanna lauschten mit brennenden Wangen und leuchtenden Augen und schmiegten sich dann vor Gruseln noch fester aneinander.
Was waren das doch für wonnige, glückselige Stunden und Tage gewesen, so voll unbeschreiblicher, durch keinen Schatten getrübter Seligkeit, daß noch jetzt in der Erinnerung daran den beiden so kalt und fremd einander gegenübcrsitzenden Menschen das Herz stürmisch in der Brust hämmerte. Doch Alles auf der Welt ist dem Wechsel und der Vergänglichkeit unterworfen, auch Kurl'S und Hanna'S Glück und Seligkeit nahmen frühzeitig ein Ende.
Es kamen trübe Tage voll schweren Kummers. Hanna's Vater, der würdige Seelsorger seiner kleinen Gemeinde, starb nach langem, schmerzlichem Siechtum. Ach, wie bitterlich die Kleine weinte, als sie Abschied nehmen mußte von dem traulichen Pfarrhause, das so lauschig zwischen den riesenhohen Lindenbäumen gelegen war und wie sehnsüchtig sie danach zurückblickte, als sie mit der guten, alten Tante Regina hinausziehen mußte in das stille Magdalenen- stist, das außerhalb vom Städtchen und weit entfernt vom Schlosse am Rande des Hochwaldes lag.
Die prächtige alte Jungfrau wußte sich auch im Kloster Verehrung, Liebe und Würdigung zu verschaffe, sie sprang überall mit Wort und That hülsreich ein, wo es fehlte. Für Hanna ging das Leben eintönig vorüber. Die Tante unterrichtete sie in Handarbeiten, seiner Wäsche und im Kochen. Die übrige Zeit nahm die Schule in Anspruch. Sie sollte und mußte Vielerlei lernen, um später einmal auf festen Füßen zu stehen und sich das Brod selbst verdienen zu können, denn Geld und Gut hatte der Herr Pastor nicht hinterlassen.
Der Verkehr zwischen beiden Kindern hatte jetzt gänzlich aufgehört. Der Landrat von Barlenstein fand es an der Zeit, seinem einzigen Sohne eine strengere, energischere Erziehung geben zu lassen, um ihn dem höheren Lebensberuse entgegenzuführen, zu welchen ihn seine aristokratische Geburt berechtigte. Ein wissenschaftlich gebildeter Lehrer wurde ins Haus genommen, welcher den geweckten Knaben unterrichten mußte. Kurt wurde nun nach allen Regeln der Pädagogik und Schulweisheit dressiert und gemaßregelt. Er mußte von früh bis spät über den Lehrbüchern sitzen und hatte wenig Freistunden. Mitunter konnte er dem Verlangen und der Sehnsucht nach seiner kleinen Hanna nicht widerstehen, eS drängte ihn stürmisch, zu ihr zu eilen, aber er durfte die herzige Gefährtin nicht besuchen. Es wurde ihm klar gemacht, daß zwischen einem großen, hochaufgeschossenem und wohlerzogenen Knaben
und einem kleinen dummen Mädchen keine Freundschaft mehr bestehen könne — und daß es geradezu lächerlich fein würde, wenn er die alten Jungfern mit ihren großen blauen Schürzen und den beständig klappernden Stricknadeln in den welken Händen, im Magdalenenstift aufsuchen wollte, »m mit der kleinen Hanna Zwiesprach zu halten- Der arme Kurt fühlte sich anfangs unter der strengen Zucht seines Lehrers recht unglücklich, die Trennung von Hanna bereitete ihm großen Schmerz, aber er fügte sich stillschweigend in das Unabänderliche. Allmählich erwachte auch ein gewisser Jungensstolz in ihm und übte über sein Fühlen und Denken siegreiche Macht aus, wenn er die ehemalige Gespielm zufällig auf der Straße traf, vermied er es, mit ihr anzuknüpfen, er blickte scheu zur Seite und ging ihr auS dem Wege. Was in seiner jungen Seele vorging und daß er sie trotz alledem herzlich lieb hatte, durfte sie niemals ahnen, denn er schämte sich der weichen Regungen und drängte sie in sein tiefstes Innere zurück. Und diese widersprechenden Empfindungen machten ihn immer kälter, immer schroffer ihr gegenüber.
(Fortsetzung folgt.)
Verschiedenes.
— „Beschirmte" Pferde. Die Wohl- lhat eines Regenschirmes soll jetzt auch den Pferden zu gut kommen.. Die Amerikaner John P. Pittenger und Zelora B. Breisford in Laddonia, Ma., beabsichtigen nämlich, an der Deichselstange Kloben zu befestigen, an welche sich nach oben zeigende Säulen an» schließen, welche dem Stocke eines Regenschirmes entsprechen. An diesen Säulen ist ein aufklappbares Armsystem befestigt, welches mit einem wasserdichten Stoffe bezogen ist. Es ist einleuchtend, daß eine solche Einrichtung weniger bei Rcgenwetter, als bei dem den Pferden viel lästiger fallenden Sonnenschein sehr gut geeignet ist.
(Der lachende Erbe.) (Sepp, Michel und Hannes, Resten des jüngst verstorbenen Großbauern Jörgl, werden in die Kreisstadt zum Notar, behufs Entgegennahme ihres Erbteils, vorgeladen) Notar: „Jeder von Euch hat von den vererbten 12 000 Mark, nach Abzug der Kosten für die Verlassen- schofisverhandlung, 2500 zu bekommen!" Sepp: „Jetzt' woaß i' net, iS mir a' Onk'l g'storb'n, Herr Notar, oder Jhna?"
— In der „guten alten Zeit" scheint das Handwerk ebenso in Nöten gewesen zu sein, wie in der Gegenwart; zum wenigsten sind die Klagen, welche wir da aus Seb. Brandts „Narrenschiff" zitieren können, das vor 400 Jahren (1494) im Druck erschien, die gleichen. Die betreffenden Verse lauteten: Kein Handwerk hat mehr seinen Wert, Ueberlastet ist jeder und beschwert I Ein jeder Knecht will Meister werden,
Drum sind jetzt Handwerk viel auf Erden; Mancher zum Meister sich erklärt,
Der nie ein Handwerk hat gelehrt.
Was dieser nicht will billig geben,
Da sicht man zwei und drei daneben;
Die meinen das zu liefern wohl.
Doch die Arbeit ist nicht wie sie soll;
Man sudelt Ware jetzt in Eil',
Daß man sie billig halte feil.
Das Handwerk trägt man so zu Grabe.
(Druckfehler ) Er fiel seiner blutrot ausflammenden Nase um den Hals, küßte sie und sprach ; Werde mein Weid l
Rrdaktion, Druck und Verlag von Brrnh. Hosmann in Wildbad.