dem Augenblicks als er vom Berliner Geleise durch einen Begleiter zum Bahnhof hinübergeführt wurde. Um den Bahnsteig zu erreichen, sind nämlich zwei andere Geleise zu überschreiten. Auf einem dieser Geleise blieb der blinde Fürst hinter einer Bresche mit dem Stiefelabsatz stecken, so daß er den Fuß nicht wieder herausheben konnte. Da der Verkehr gerade sehr lebhaft war, im nächsten Augenblicke auch von beiden Seilen zwei Züge die betreffende Stelle zu passieren hatten, sprang ein Lokomotivführer herbei, welchem eS mit großer Mühe gelang, dem gefährdeten Fürsten aus dem Stiefel zu helfen. Inzwischen hatte der Bahnhofsvorsteher nach beiden Seiten hin den von Kleinen und von Stralsund heranbrausenden Zügen durch lebhaftes Schwenken mit seiner Mütze sHalt geboten, so daß es roch gelang, sie rechtzeitig zum Sieben zu bringen.
— Kamps einer Frau mit einem Wolf. Aus Angoulsme (Frankreich) wird mitgeteilt, daß eine Frau Richard aus dem Kanton Aigre beim Schafhüten plötzlich von einem Wolf angefallen wurde. Ohne sich lange zu besinnen, öffnete die Frau ihr Brotmesser und stieß es dem Wolf bis ans Heft in den
Leib. Der ob solcher Unweiblichkeit aufs höchste betroffene Wolf stieß einen Weheschrei aus, kniff die Rute zwischen die Hinterbeine und entfernte sich in langgebeinten Sätzen. Eine breite Blutspur zeigte, daß der Hieb gesessen.
— Der Horcher im Beichtstuhl. Aus dem Steyerthale schreibt man der Linzer Tagespost: Während der letzten Osterbeichtzeit konnte ein Bauerssohn aus der Pfarre Aschach an der Steher seine Neugiede bezüglich der Treue seiner in der Pfarre Steinbach an der Steher bediensteten Geliebten nicht mehr bezähmen und so beschloß er, sich dadurch in Kenntnis der von derselben abgelegten Beichte zu setzen, daß er sich am Tage, als seine Geliebte zur Beichte ging, frühmorgens nach Steinbach zur Kirche begab und sich dort unbemerkt in den Beichtstuhl schlich. Beinahe wäre es ihm auch geglückt, seinen Zweck zu erreichen, denn schon hatte er mehrere Frauenspersonen absolviert, ohne erkannt worden zu sein, und nun wäre als zweitnächste seine Geliebte daran gekommen, als er vom Pfarrgeistlichen entdeckt und der strafenden Gerechtigkeit zugeführt wurde. .-. (Im höchsten Schmerz.) Kranker
Bauer: Alte, was kochst Du da? FraU (schluchzend): Knödel mit Speck. Bauer: Ach, gib mir was herüber dann kann ich ruhig sterben! Frau: Nee, Alter, 's iS ja für den Leichenschmaus I
.'. (Druckfehler). Die junge Dame war schön wie eine aufgeblühte Hose.
Professoren der Meinem
und Tausende von pract. Aerzlen haben erklärt, daß die ächten Apotheker Rich. Brandt'S Schweizerpillen ein ganz vorzügliches, unübertroffenes, weil mild ohne jegliche Beschwerden und Schmerzen wirkendes, dabei absolut unschädliches und billiges Abführmittel sind. — Wer daher an Verstopfung leidet nehme nicht anderes.
Erhältlich nur in Schachteln zuM. 1.—- in den Apotheken. Die Bestandteile der ächten Apotheker Richard Brandt'schen Schweizerpillen sind Extracte von: Tilge 1,5 Gr,, Moschusgarbe, Aloe, Absynth je 1 Gr., Bitterklee, Gentian je 05. Gr., dazu Genlian« und Bitterkleepulver in gleichen Teilen und im Quantum, um daraus 50 Pillen im Gewicht von 0,12 herzu stellen.
Geläuterte Kerzen.
Novelle von Johanna Berger.
(Nachdruck verboten.)
20 .
Nun hatte er Annie kennen und lieben gelernt und der süße berückende Reiz, der ihr eigen war, steigerte seine Liebe doch zur Leidenschaft und sing an sein ganzes Leben zu beherrschen.
Er hatte niemals ein Phantastelcben geführt und so überlegte er auch nicht lange, sondern dachte ernsthaft daran, sein Junggesellentum aufzugeben und das liebliche Mädchen als Gattin heimzuführe». Daß er bedeutend älter war, kam bei ihm nicht in Betracht. Er konnte ihr ja eine sorgenfreie Zukunft bieten, eine angesehene Stellung in der Welt und ein Herz voll warmer Liebe. — Alles, was rin Mädchen sonst nur beglücken kann, besaß ja in Wirklichkeit der gute Professor. Und er wollte sie auf Händen tragen, wenn sie die Seinige geworden war. Er hoffte von ganzer Seele, daß er sie erringen würde, zumal er allen Grund zu haben glaubte, daß die Frau Rat seine Werbung begünstigen werde.
Und nachdem er seinen Entschuß gefaßt, hielt er auch mit der Zähigkeit seines Charakters daran fest. Er machte Annie einen Antrag und zwar einen schriftlichen.
Dieser Brief rief zumal bei der Frau Rat die höchste Aufregung hervor. Ehe Annie ihn nur zu Ende gelesen hatte, stürmte die Mutter schon mit Fragen über den Inhalt auf sie ein, und als sie den wichtigen Inhalt in Erfahrung gebracht, da faltete sie ihre Hände wie zum Gebet und blickte dankerfüllt zum Himmel hinauf.
„Annie, mein Herzenskind — Gott sei gepriesen I Du bist nun versorgt, wenn cs einmal mit mir ans Sterben gehtl" sagte sie tief ergriffen. „Der Professor ist ein resprctabler, ehrenfester Mann und Du wirst unbeschreiblich glücklich mit ihm werden I Es gibt gut- Männer und böse Männer auf der Welt, aber er ist einer der Besten von Allen I Daß er Dich liebt, wußte ich schon
längst, und wie danke ich Gott, daß er ihm die Liebe zu Dir ins Herz gelegt hat. — Zuerst fürchtete ich freilich, daß Du den Lieutenant nicht vergessen könntest, aber als ich sah, daß diese Gefahr vorüber war, atmete ich erleichtert auf. — und nun nimm meinen herzlichen Glückwunsch an, mein liebes Kind, und den Segen der Mutter!"
Annie wurde weiß wie der Kalk an der Wand, das Licht verschwamm vor ihren Augen und eine furchtbare Angst brachte ihr eine Anwandlung von Ohnmacht. Sie wankte und sank schwer auf einen Sessel.
„Mein Kind! Mein Herzenskind I Wie siehst Du aus, was hast Du?" rief die Rätin erschrocken.
„Liebe Mama!" stammelte sie gepreßt. „Ich muß Dir von Neuem Kummer be. reiten. Ach, Mitleid Hab ich mit mir selber, daß ich's muß! Aber ich kann nicht thun, was Du wünschest — ich kann den Professor nicht heiraten I Es ist mir unmöglich I"
„Unmöglich? Aber warum unmöglich!" frug die Mutter starr vor Staunen.
„Weil ich ihn nicht liebe — weil ich überhaupt keinen Anderen mehr lieben kann I Ich werde überhaupt wohl mich niemals Verheiraten, Mama!"
Die Mutter sah sie halb erschrocken, halb zweifelnd an und schüttelte ärgerlich den Kopf.
„Du bist von Sinnen, Mädchen I Denn Du weisest ein Glück von Dir, um das tausend Andere Dich beneiden würden. Es ist besser, einem braven Manne als Gattin anzugehören, als ein ganzes Leben mit einer unglücklichen Liebe vertrauern!"
„Ich will dieser Liebe getreu bleiben, wenn sie auch hoffnungslos ist," erwiderte Annie mit Festigkeit.
Die Mutter rang die Hände.
„Annie, jetzt sei einmal vernünftig!" rief sie energisch, fast drohend. Ich bin eine alte Frau und weiß wie schnell diese ersten Jugendlieben überwunden werden. Die Zeit heilt Alles, auch kranke Herzen. Du bist nicht dazu gemacht. Dich ewig in Sehnsucht zu verzehren und Phantomen nach
zuhängen. Und was willst Du anfangen, wenn mich der Tod ereilt — Dann stehst Du mutterseelenallein auf dieser Erdenwelt. Darum überlege Dir die Sache einmal ganz in Ruhe und dann entscheide mit Verstand. Solch ein Glück winkt Dir nicht zum zweitenmal! Das bedenke! — Darf ich dem braven guten Professor nicht schon heule ei» Fünkchen Hoffnung geben? — Du kannst Dir doch denken, wie glücklich ihn das machen würde!"
Annie zitterte an allen Gliedern.
„Nein! Nein! Um Gotteswillen nicht!" rief sie entsetzt. „Ich kann nichts versprechen — ich will auch nicht! Ich heirate den Professor nicht! Sei nicht böse Mama, aber mein Entschuß steht fest! Ich kann keinen Mann heiraten, den ich nur achte, aber nicht liebe."
Die alte Dame brach über diese starre Erklärung der Tochter in Thränen aus. Sie weinte und schluchzte herzbrechend. Dann bedeckte sie das Gesicht mit den Händen und sagte seufzend: „Solch ein Glück mit Füßen zu treten, Annie, wie es sich vielleicht Dir nie wieder bietet, eS ist unerhört." — Dann weinte die Frau wieder bitterlich.
Dieser Anblick erschütterte Annie, auch ihr kamen die Thränen in die Augen. Zerknirscht kniete sie vor der Mutter nieder, küßte ihre Hände und streichelte ihr den Arm. Flehendlich bat sie, ihr nicht zu zürnen.
„Ich möchte gern gehorsam sein, Mama," schluchzte sie, „aber in diesem Falle kann ich es nicht! Dringe nicht mehr in Dein armes Kind. Ich kann meine erste Liebe nicht vergessen, Du weißt es gar nicht, wie viel ich um ihn geweint habe, so viel bittre Thränen, wie wohl selten ein Mädchen in meinen Jahren geweint hat. Aber ich trüg mein Schicksal schweigend — um Deinetwillen, Mama, und übte mich, zu leiden, und zu entsagen, ohne zu klagen, damit auch Dir das Herz nicht schwer wurde!"
Und dann barg Annie leidenschaftlich weinend ihr Haupt in der Mutter Schooß.
(Fortsetzung folgt.)
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Redaktion, Druck und Verlag von Bernh. Hofmann in Wldbad.