Matrone verhaftet, die das schändliche Ge­werbe seit 20 Jahren betrieben har Die ihr z»r Last gelegten Fälle sollen sich ans etwa 250 belaufen. Gegen eine weitere Beschul­digte, die Hebamme C., häufen sich gleich­falls die Beweise. Seit drei Wochen dauert schon das Verhör.

Teheran, 1. Mai. Das Attentat auf den Schah erfolgte nachmittags. Der Mör­der schoß auf den Schah in dem Augenblick, wo der Schah die Grabmoschee des Wall fahrtsortes Schah Abbulastm, sechs Meilen südlich von Teheran, betrat. Nach einer wei­teren Meldung war es 2 Uhr nachmittags, als der Mörder, ein Fanatiker, auf den Schah einen Pistolenschuß abgab, der Naßc-ed-din in die Herzgegend traf. Der Schah wurde zu Wagen in den Palast gebracht und starb um 4 Uhr nachmittags. Die Ruhe ist in keiner Weise gestört. Der Thronfolger wird unverzüglich aus Tädris hier eintreffen.

Petersburg, 2. Mai. Der Mörder des Schahs gehö>t der religiösen Sekte der Babi an, welche bereits viermal einen Mordver­such auf den Schah unternahmen. Der Mör­der wurde sogleich verhaftet.

Tiflis, 2 Mai. Zum Nachfolger des

Schah von Persien wurde der Valiahd Musaf- fer ed-din Mirza proklomiert. Derselbe ist seit dem Jahre 1858 von Rußland n. Eng­land als Thronerbe anerkannt worden. Im Lande herrscht überall Ruhe. Bis zur An­kunft Musaffers führt der Großvezier die Regierung.

Wien, 28. April. Der Hungerküttstler Succt hat eine 30tägige Fastenzeit unter strengster Ueberwachung glücklich überdauert und ließ sich am Schlüsse derselben Essen und Trinken reichlich schmecken. Er befindet sich jetzt i» Preßburg, wo er eine neue Fastenzeit zum Besten giebt.

Was ist eine unabhängige Zeitung ? Diese Frage beantwortet dieIllinois Staats­zeitung" so:

Viele Leute wollen oder können die Halt­ung einer unabhängigen Zeitung nicht ver­stehen ; sie meinen, eine unabhängige Zeitung sei charakterlos, habe keine Prinzipien, kein politrschcs Bekenntnis; sie sei wie ein Halm im Winde und wechsle die Farbe wie ein Chamäleon. Und doch ist die Ansicht grund­falsch. Eine unabhängige Zeitung hat mehr Charakter wie ei» Parteiblalt, sie dient der Wahrheit besser und dem allgemeinen Wohl,

sie ist gerechter in ihren Urteilen, offener in ihrer Sprache und logischer in ihrer ganzen Haltung. Eine Zeitung also, welche nicht blindlings einer Partei dient, sondern sirts die höheren Volköinteresscn, vor Allem ab>r und in erster Linie die Tüchtigkeit u. Ehr­lichkeit der Beamten im Auge hat, ist eine unabhängige Zeitung; sie vertrittt die An­sichten jener unsichtbaren, aber sehr zahlreichen politischen Gemeinde, welche hinter keiner Parteifahnc hermarschiert und sich nicht wie in einem Gestüt das Parteimal aufbrennen läßt, die aber bei jeder Wahl die Kandida­ten in die Wagschale legt und jene, die zu leicht befunden werden, über Bord wirft."

Diese sür ein amerikanisches Publikum geschriebenen Zeilen passen auch im Wesent­lichen für unsere deutschen Zustände. Wer will eS leugne», daß das einseitige Partei- wesen und die auf vorher festgelegle Maximen eingefchworene, alle Personen und Verhält­nisse unter dem engen Gesichtswinkel der Parteiinteresfen betrachtende Presse einen Krebsschaden in unserem Vaterlands bilden ?

(Malpropre.) Unteroffizier: Schulze, ich glaube, Sie kriegten cs fertig, mit unge­putzten Knöpfen an'ö Himmelsthorzu klopfen I"

KeMuLerte Kerzen.

Novelle von Johanna Berger.

(Nachdruck verboten.)

19.

Sie können jedenfalls noch hoffen, liebes Fräulein! Ich hoffe auch für Sie, ich habe den Oberlieutenanl kennen gelernt. Was das für ein edler Mensch ist ein echtcr Cavalier I Und-welch großartigen Stolz er besitzt und wie lieb er Sie hat. Mil einem Wort: er gefällt mir sehr und ich hab'o ihm heimlich abgebeten, daß ich erst nicht gnt Von ihm dachteI"

Sie haben ihn kennen gelernt?" frug das junge Mädchen erstaunt.Aber wie und wo?"

Fräulein Brunner machte ein eigentüm lich befangenes Gesicht und sah zu Boden, dann sprach sie in ernstem Ton.

»Io, cs ist doch so und nun ich schon so viel gesprochen, muß ich auch das klebrige deichten. Ich war gestern Abend bei ihm. Ich traf ihn noch glücklich vor der Abreise an. Seine Koster standen schon g-packt. Als ich merkte, daß ihm die Z.'ii gemessen war, hielt ich mich nicht lange mit der Vorrede auf, sondern bot ihm kurz und bündig meine Hilfe an. Ich ihac's gern, denn ich habe doch für meine alten Tage ge­nug und kann mir das schon erlauben, einem edlen jungen Manne zu helfen. Wen» ich einmal sterbe, beerben mich so fremde Leute, denn ich habe keine nahen Anverwandten."

Da stieg eine breiu ende Röte in Annics bleiche Wangen.

Das haben Sic gethan?" rief sie er­regt.

Nun ja und was macht das aus? Als ich sah, welch schweres Unglück ein so junges Mädchen betroffen, wie Sic es sind, da wurde mir das Herz weich und ich ver­suchte zu helfen, so gut ich's vermochte. Aber ich konnte nichts ausricht.n, gar nichts denn der junge Mann wollte keine Hilfe von mir. Ach, Anneri, Sie glauben nicht, wie osten, wie verständig und rechtschaffen er übrr Alles sprach.Sie meinen es herzlich

gui mit mir," erklärte er,und ich schulde Jbncn g-oßen Dank, aber neue Verpflicht­ungen darf ich nicht auf mich laden. Ich muß mir selbst helfen und ich will meine ganze Kraft einsttzen, um meine Verhältnisse b-sfer zu gestalten. Ich bin jung u. kräftig und kann arbeiten, wenn es sein muß, mit der Kack- in der Hand. Auf Beförderung im Dienst will ich nicht warten, denn felbtt wenn ich Hanptmann bin, ist es doch nur ein armseliges Los für mich, weil ich kein Vermögen habe, sondern nur Schulden." Und dann sprach er auch so rührend von Ihnen, Fräulein, und daß er Alles in der Welt ertragen würde, wenn er Sie nur wie­der so glücklich und sorglos mach könnte, wie Sie früher waren I"

Die Arme Annie I Sie mußte sich zu- sammennehm n, um nicht vor Wehmut von einem neuen Schmerze,iSanöbruch nie'erge- worfen zu werden. Sie preßte die Hand traurig gegen ihre Stirn und seufzte, wäh­rend ihr die Thränen in die Augen traten.

Sie müssen nicht verzweifeln, mein liebes Kind, und nicht verzagen, sondern sich i» Geduld fassen, denn wir Alle haben unser Teil Sorgen und müssen sie tragen, tröstete oas alte Fräulein.Sic sind noch so jung und können noch viel, viel Glück erwarten, darum werden Sie nur wieder rin Mädchen mit frohen sorglosem Sinn, wie es fürJhre Jahre sein muß und hoffen Sie das B-ste tür sich und sür den jungen Mann."

Mil liebreicher Teilnahme versuchte Fräu­lein Brunner sie noch weiter zu trösten.

Aber es war Annies erstes großes Herze­leid, welches sie zu ertragen hatte, und sie konnte es nicht so rasch überwinden. Als sie endlich ihr Köpfchen von der Brust de, alten Jungfrau erhob, sagte sie tief ergriffen : Wie gut Sie sind, Fräulein, wie soll ich Ihnen nur igenug für Ihre Güte ranken. Geben Sie mir Ihre Hand, daß ich sie küs­sen kann. Und auch ihm wird Ihre Teil­nahme wohlgethan haben, er ist ein warm fühlender Mensch. Aber er hat einen nobel» stolzen Sinn, darum nahm er nicht, was Sie ihm boten. Nur wenn man so ist wie

er, kann man so viel und still leiden ich vermag es leider noch nicht! Ach, wen» Sw wüßten, wie unglücklich ich bin, und und nichts kann mich mehr trösten!"

Das alte Fräulein erhob ihr Haupt und blickte zum Himmel empor.

O, ja,Einer kann cs, der Allvater,der über den Wolken thront, Sie thörichtes Kind," versetzte sie im fenrlichen Ton.Denn sicherer als m nschliche Hülfe ist Gottes Hülfe, die über Alle wacht. Also tragen Sie ge­duldig, was Ihnen das Schicksal auferlegt hat. Der Herr ist barmherzig!"

Dann trat liefe Stille ein. Annie war­tete geduldig, ob Fräulein Brunner noch etwas sagen würde, aber diese war jetzt wie in tiefe Gedanken versunken und schien An­nies Nähe ganz vergesst« zu haben. So schlüpfte sie still aus der Laude und sank bald wieder in ihren Kummer zurück. Es fehlte ihr der kräftige Wille, denselben zu be­herrschen, und sie ließ sich noch zu sehr von ihren Empfindungen leiten.

Langsam schritt sie die Parkstraße hinab und dann auf den sehr belebten Ouai weiter. Wie im Traum sah und hörte sie die Men­schen, die um sie h>rum schwirrten.

Die Mutter kam ihr schon entgegen, und dann gingen sie miteinander den gewohnten Weg über die alle Wiese zu den Puppschen Anlagen. Annie sah nicht rechts noch links, ihr Blick war trübe und sie hielt den Kopf gesenkt. Ihr ernstes niedergeschlagenes We­sen ängstigte und bekümmerte die Mutter auf's Tiefste, aber sic lhat, als ob sie es nicht bemerkte, sie wollte zunächst nicht mehr die Herzenswunde berühren, und erst später Annie auf andere Gedanken bringen.

Kurz vor den Puppschen Anlagen in der Nähe der Villa Quisisana begegneten die Damen dem Professor Hiller. Er begrüßte sie mit großer Herzlichkeit, fragte angelegent­lich nach ihrem Befinden und ließ sich, wor­auf er offenbar gewartet hatte, von der Frau Rat Göhren einladen, das Frühstück mit ihnen einzunehmen.

(Fortsetzung folgt)

Redaktion, Druck und Verlag von Beruh. Hofwann in Wrldbad.