Rundschau.

Mit Ermächtigung Sr. Maj. des Königs ist dem Arbeitsausschuß der Berliner Gewerbeausstellung 1896 die Erlaubnis zum Absatz von je 10 000 Losen der ersten 4 Serien der Berliner Gewerbeausstellungs­lotterie innerhalb des Königreichs Württem­berg erteilt worden.

Stuttgart, 25. April. Zu der Frage der Zulässigkeit der Aufhebung des Volks- schulgeldcs hat das Ministerium des Innern dieser Tage eine für Gemeindeverwaltungen wie auch für weitere Kreise interessante Ent­scheidung getroffen. Der Entscheidung liegt im wesentlichen folgender Thatbcstond zu Grunde Die Gemcindekollegien von U. hat­ten die Abschaffung des Schulgeldes beschlossen, wogegen die Staatsforstverwaltung Protest erhob, weil sie mit 27 Prozent an der Schul­gemeindeumlage belastet sei und weil ihr durch den Beschluß verhältnismäßig zu viel aufgebürdet würde. Die Kreisregierung er­kannte den Protest der Staatsforstverwaltung als berechtigt an und versagte dem Beschluß der'Gemeindekollegien die nötige Zustimm­ung. Hiebei beruhigten sich die bürgerlichen Kollegien von U. keineswegs, sondern wand­ten sich beschwcrdeführend an das Ministerium. Dieses jedoch glaubte die Beschwerde als un­begründet abweisen zu müssen, weil u. a. namentlich auch seiner Zeit in dem Kom­missionsberichte der Kammer der Abgeordne­ten ausdrücklich hervorgehoben worden sei, daß die Ermöglichung der Aushebung des Schulgeldes nur für größere Städte in Be- tracht zu ziehen sei, in welchen die durch den Ausfall des Schulgeldes bedingte Mehrbe­lastung der Gesamtheit kaum fühlbar wird, und allenfalls auch in solchen Landgemeinden, in welchen durch die Aufhebung des Schul­geldes einzelne Steuerpflichtige nicht zu sehr belastet würden. Diese Voraussetzungen treffen in U- nicht zu.

Stuttgart, 25. April. Kammerpräsident Rechtsanwalt Payer weilt seit voriger Woche zu seiner Erholung in Wiesbaden und wird dem Vernehmen nach anfangs nächster Woche wieder an den ReichStagsverhandlungcn teil­nehmen und dann zu der Eröffnung des Landtags am 5. Mai hier eintreffen.

Stuttgart, 26. März. Pfarrer a. D. Steudel wird, wie man hört, demnächst nach Berlin überstedeln, um dort eine ihm ange­botene Stellung beim Protestantcnverein an­zutreten.

Stuttgart 27. April. (Auch eine Ge- schästSreklame!) Za Gunsten der Streikkasse der Bauhandwerker zahlt Kleiderhändler Alf­red Raiser, Nadlerstraße bei Bareinkäufen 5 Prozent des Betrags in die Streikkasse.

Waiblingen, 25. April. Verdustet von hier ist ein jüngerer hiesiger Schreiner und zwar mit seiner verwitweten vor 1'/» Jahren etwa aus Amerika zurückgekehrten Schwäge­rin. In der Eile der Reise hat das Paar aber die 3 Kinder aus der ersten Ehe der Frau hier zurückgelassen.

Vom Lande. (Alles schon dagewesen.") Die Inschrift der sozialdemokratischen Siegel­marke auf 1. Mai erinnert an den Wort­laut eines Epigramms, das vor genau 70 Jahren in dem damaligen Stuttgarter Jahr­buch Polyhymnia veröffentlicht wurde und also lautet:Wie gleich weiß Bauch die Zeit zu messen I Wie bringt er sie so nützlich zu I Zwölf Stunden widmet er dem Essen Und Mieder zwölfe seiner Nuh." Die Ueberschrtst

des Sinngedichts lautete: Auf einen gebilde­ten Taugenichts.

Tübingen, 23. April. Die Erfolge des Sammelns Von Cigarren-Spitzen in hiesiger Stadt sind ganz besonders im verflossenen Jahre in lobensverter Weise anzuerkennen, denn es konnten dieses Jahr an 17 Konfir­manden in der Stadt je 3 ferner an einen Konfirmanden in Walddorf 3 ge­geben werden. Aber noch manches könnte mehr geschehen, denn auch hier heißt es, viele Bäche geben einen Fluß."

Heidenheim, 23. April. Auch Heuer wieder konnte, wie schon seit vielen Jahren, von Zigarrenspitzenabfälle und dem Ertrag einer durch dieselben Herrn in Freundes­kreisen veranstalteten kleineren Sammlung von Liebesgaben 2 arme Konfirmanden, ein Knabe und ein Mädchen, vollständig geklei­det und ein weiterer Knabe mit einer schönen Geldgabc bedacht werden.

UlM, 24. April. (Wette.) Auf Grund einer Wette traten heute früh zwei junge Herren von Ulm und Neu-Ulm eine Reise zu Fuß um die Erde ohne Geld an. Sic wollen dieselbe in 2 Jahren machen. Ihren Lebensunterhalt wollen sie sich durch Man­dolinenspiel, Verkauf von Ulmer Ansichten, Reiseberichte an Zeitungen u. s. w. verdienen. Zunächst geht die Reise nach der Schweiz, Italien, Griechenland nnd Aegypten.

Aus dem Amtsbezirk Bretten, 23. April. (Merkwürdiger Unfall.) Welche Vorsicht auch bei geringfügig erscheinenden Verletz­ungen nötig ist, zeigt folgender Fall. In einem Dorfe des Amtsbezirks zog sich ein nicht ganz fünfjähriger Knabe beim Fallen eine kleine Verletzung über dem Auge zu. Niemand dachte an eine schlimme Folge. Nach einigen Tagen jedoch schwoll das Gesicht des Kindes an: cs stellten sich furchtbare Schmer­zen und Krämpfe, zuletzt der Starrkrampf ein. Trotz herbeigeholter ärztlicher Hilfe konnte daS Leben des bedauernswerten Kna­be» nicht gerettet werden, erstarb nach qual­vollen Leiden.

Alteckendorf, 20. April. Dieser Tage machte der Ackerer Michael Pfennig aus Alt­eckendorf in seinem im GewandGoldgrube" gelegenen Rebstück einen hübschen Fund. Derselbe wollte einen Baum pflanzen, stieß aber dabei auf einen eisernen Topf, der mit Geld angefüllt war. Bei näherer Untersuch­ung fanden sich nicht weniger als 2600 ver­schiedene Silbcrstücke vor, darunter sehr wert­volle ; die meisten tragen ie Jahreszahl von 16151695. Daß dem glücklichen Finder schon recht schöne Angebote gemacht wurden, läßt sich leicht denken ; jedoch ist derselbe noch sehr zurückhaltend. Nicht ohne Grund scheint das Gewand den NamenGoldgrube" zu führen.

Von der Rheinebene, 23. April. (Am Hochzeitstage begraben.) In Marlon saß kürzlich eine Braut vergnügt mit dem Ihrigen am Tisch, plötzlich wurde sie von einem Herz­schlag betroffen, dem sie sofort erlag. Im Brautgewande wurde ste an dem Tage, da ihre Hochzeit stattfinden sollte zu Grabe ge­tragen.

Ein Mechaniker aus Bockenheim be­suchte eineWirtschaft mitDamen-Bedicn- ung in Frankfurt a. M. Er trank erst Bier, wurde aber durch die Kellnerinnen veranlaßt, Wein und Champagner auffahren z» lassen. Schwer betrunken begab er sich endlich nach Hause. Am nächsten Morgen entdeckte er,

baß sein Geldbeutel um 400 erleichtert war.

Die konservativ-antisemitischen Wähler des Wahlkreises Friedeberg-ArnSwalde sollen Herrn Ahlwardt ein Abstandsgeld von 5000 Mark angcboten haben, wenn er sein Reichs- tagS-Mandat niederlegen wollte. Das An­gebot ist durch einen nach Amerika einge­schrieben gesandten Brief übermittelt worden.

Ein überaus komischer Vorfall spielte sich, wie dieNogat-Zig." erzählt, am 20. April in dem Wartezimmer eines Arztes zu Marienburg ab. Dort erschien ein Arbeiter, um den Arzt zu konsultieren, erhielt aber von demselben die Aufforderungen, er solle inzwischen nur ablegen und kurze Zeit war­ten. Der biedere Mann verstand die Sache falsch, er legte die ganze Kleidung bis auf das Hemd ab. In diesem Kostüm stand er mitten im Zimmer, als eine Dame hcrein- kam, die natürlich unangenehm überrascht zur Seite ging. Doch der seltsameHemden­matz" ließ sich nicht beirren, trat vielmehr an die Dame heran und fragte dieselbe ganz harmlos, ob er nun wohl in das Sprech­zimmer hineingehen solle? Der drastischen Szene bereitete der herzukommende Arzt ein Ende.

Reichenbach u. d. Eule (Schles.), 20. April. Einen Akt abscheulichster Bosheit be­gingen am Freitag zwei vierzehnjährige Fab­rikarbeiter in Langcnbielau. Es gelang ihnen, ein Stück giftigen Farbestoff aus der Fabrik, in der sie beschäftigt waren, fortzuschmuggeln und nun forderten ste einen 12jährigcn Kna­ben, der ihnen begegnete, auf, das Gift zu essen. AlS er sich weigerte, drohten sie ihn zu schlagen, dagegen versprachen ste ihm, wenn er das Stück esse, ihm fünf Pfennig zu geben. Hiedurch ließ sich der Knabe be­wegen, den Giftstoff zu verzehren, doch schon auf dem Wege nach Hause trat Erbrechen ein, und obgleich bald ärztliche Hilfe eintrat, mutzte er nach stundenlangen, schweren Leiden seinen Geist aufgeben. Der Fall ist um so bedauerlicher, als der Vater des Vergifteten, auch ein Fabrikarbeiter, von seinen vier Kin­dern schon eines durch Ertrinken, ein anderes durch Uebcrsahren verloren hat. Die Bur­schen, die das Verbrechen verübt, sind ermittelt.

Berlin, 24. April. Die Abgeordneten Siegle, Payer , Freiherr v. Wangenheim haben jetzt von Mitgliedern aller Parteien unterstützt, den Antrag zur Gewerbenovelle cingebracht, wonach der § 56 der Gewerbe­ordnung über das Verbot des Hausierhandels in Absatz 10 die Fassung erhält:Bäume aller Art, Sträucher, Schnite, Wurzelrcben, Futtermittel und Sämereien, mit Ausnahme von Gemüse, und Blumensamen."

DasNein" der Braut. Aus Wien berichtet das dortigeN. Taget»!." vom 23. d. M.: Für gestern Nachmittags war im israelitischen Tempel in der Seitenstettengasse die Trauung eines Witwers mit einem un» gefähr zwanzigjährigen Mädchen angekündigt. Etwa eine Stunde vor dem festgesetzten Ter­min wurde aber der Tempelvorstand in Kennt­nis gesetzst, daß die Trauung nicht statlfinde; nach einer weiteren halben Stunde wurde diese Absage wiederrufen, das Brautpaar erschien und die Ceremonie nahm gegen 2 Uhr ihren Anfang. Als- der Prediger endlich an die Braut die übliche Frage richtete, ob sie in die Ehe kinwillige, gab ste keine Antwort. Auf die Wiederholung der Frage rief dann das Mädchen rin lautesNein!" Die so»