Rundschau.
Stuttgart, 7. Jan. Aus Hofkreisen erfährt man, daß der König mit Gemahlin zum GeburlSfest des Kaisers sich nach Berlin begeben werden.
Stuttgart, 7. Jan. Die offizielle Etats- stärke unseres Armeekorps für das Jahr 1896 ist lt. „Sch. B." festgesetzt auf 912 Offiziere, 3264 Unteroffiziere und 19 745 Gemeine.
Zuffenhausen, 7. Jan. Unter zu Weihnachten mit dem goldenen Ehrenkreuz bedachten Dienstboten befindet sich auch ein hies. Bürgerkind, welches manchem älteren Stuttgarter in den Jahren 1846—1866 wohl- bekannt war. In dem erstgenannten Jahre kam dieselbe in den Dienst des damaligen Verwalters der K. Meierei Roscnstein B. Binler, und 20 Jahre führte sie die Milch von den Rosensteiner Kühen in die Stapt. Als im Januar 1866 die älteste Tochter des Verwalters Binter sich mit dem Hauptmann der Artillerie I. Groß verehelichte, trat sie in deren Dienst und befindet sich jetzt noch daselbst, geachtet Won der ganzen Familie. Der treue Dienstbolc ist Barbara Eckert, geboren am 1. Januar 1829.
Ditzmgcn, 7. Jan. Heute wurde auf hiesiger und Kornthaler Markung große Hofjagd abgehalten, wobei sich auch S. der König betnligle. Die Strecke ergab 415 Hafen.
Ludwigsburg, 7. Jan Letzie Nacht ist der 26 Jahre olle Bierbrauer Matthias Dreß von Ehingen a. D., ein gefährlicher Einbrecher, aus der Untersuchungshaft des K AmtsgerichlS Besigheim entsprungen. Dreß ist 1,75 w groß, von bleichem Aussehen, trägt blondes Schnurrbärtchen, hellkarriertc Kleidung und Hellen weichen Filzhut.
Bietigheim, 7. Jan. In der Nähe des Bahnhofes erschoß sich gestern auf Bissinger Markung ein bayerischer Infanterist, welcher sich seit mehreren Tagen ohne Urlaub hier aufgehalten hatte, in dem Augenblick, als er fcstgenommen werden sollte.
Nagold, 5. Jan. Am Schluß des alten Jahres wurde in Enzthal das Ehepaar Roller gemeinsam zur Erde bestattet. Mann und Frau, die in den 60er Jahren standen, starben fast in derselben Stunde.
Pforzheim, 6. Jan. Der Grmeindercch ner Müller von Jspringeu wurde verhaftet. Derselbe beabsichtigte laut Pf. Beob. unter Mitnahme von 3500 ^ Gcmeindcgelder nach Amerika zu gehen.
Berlin, 4. Jan. Prinz Alexander von Preußen ist heute abend gegen 10b.« zzhx gestorben. Der Kaiser und die Kaiserin weilten am Sterbelager. Prinz Friedrich Wil Helm Ludwig Alexander, Sohn des am 27. Juli 1863 verstorbenen Prinzen Friedrich, ist geboren am 21. Juni 1820 in Berlin. Er bekleidete in der Armee den Rang eines Generals der Infanterie und war ebenso wie sein ihn überlebender Bruder Prinz Georg nicht verheiratet. Politisch ist der Verstorbene niemals hervorgetreren. Die irdische Hülle deS verblichenen Prinzen Alexander von Preußen wird in aller Stille nach der Dom- JntcrimSkirche überführt und voraussichtlich am Donnerstag den 9. d. M. feierlich bei- gesetzt werden. Die Hoftrauer ist aus 4 Wochen angeordnet worden.
Berlin, 5. Jan. Ein großer Einbruchsdiebstahl wurde in der Geschützgießerei zu Spandau auSgeführt. Das Kassengewölbc wurde mit Nachschlüsseln geöffnet, etwa 70 000 Gelbeswert sind aus der Kranken
kaffe der Geschützgießerei geraubt worden. Von den Thätern fehlt noch jede Spur. Die Thür des Gewölbes zeigt keinerlei Spur einer gewaltsamen Oeffnuna, sie ist allem Anscheine nach mit einem Nachschlüssel geöffnet worden.
Siegelsbach (A. Sinsheim), 29. Dez. In unserem Nachbarorte H. trug sich unlängst folgendes ergötzliche Stückchen zu: Ein wohlhabender Bauersmann ohne Kinder, der es nicht nötig hat, auf den letzten Pfennig zu sehen, hatte eine GaiS zu verkaufen. Richtig kam auch ein Handelsmann aus dem Württcmbergischen, dem der Bauer 15 für dieselbe verlangte. Derselbe fand aber den Kaufpreis zu hoch. Im langen Hin- u»d Herreden behauptete der Bauer, die Ziege wiege mindestens 35 Pfund. Hierauf ent- gegnete der Handelsmann: „Wenn die Gais 35 Pfd. wiegt, so bezahle ich 40 bar, wiegt ste's nicht, so bekommt Ihr aber nichts dafür." Das schlaue Bäuerlein zeigte sich damit einverstanden und ohne sich lange zu besinnen, schnitt der Handelsmann dem Gais- lein den Hals ab. Ausgenommen wog dasselbe 25 Pfd. Selbst nachdem unser pisisiges Bäuerlein noch die Hanl und das Eingeweide zu dem Fleisch hängte, zeigte die Wage nicht mehr als 29 Pfund an. Als der Verkäufer einsoh, daß auf diese Weise nichts zu machen war, schlug er andere Saiten an und meinte: „Nun, ich hätte nicht haben wollen, daß Ihr 40 c/A bezahlt hättet, wenn ich die Welte gewonnen hätte, d'rum werdet Ihr auch nicht haben wollen, daß ich den Schaden leide, weil ich sie verloren habe." Der Handelsmann erwiderte ihm, er solle zu seiner Beruhigung beim Ochsenwirt nur ein Viertel Wein trinken. Der Bauer gehorchte schmunzelnd; mein Händler aber lud sein Schlachtvieh auf und fuhr von dannen I So kann's kommen, wenn mau das Bett an 5 Zipfeln heben will.
— Mord aus Eifersucht. Au« Eifersucht hat in Hannover der Kutscher Nordmeyer seine Frau ermordet. Der Mörder gesteht seine That ein. Er war am Abend vorher mit seiner Frau bei einem Vergnügen gewesen und am Sonntag Morgen gleich nach dem Erwachen mit ihr in Streit geraten. In seiner Wut sprang er aus dem Belte, eilte ins Nebenzimmer, holte den bereits geladenen Revolver heraus und schoß damit nach seiner Angabe zuerst zweimal nach dem Kopfe seiner inzwischen ebenfalls aufgestandenen Frau. Als diese ihm zurieff, sie sei getroffen, er möge nur schnell einen Doktor holen, rief er ihr zu, nun sei es zu spät, schoß sie noch einmal in die Brust u. warf dann die Nicdersinkende aufs Bett, auf dem er sie dann, da sie noch Leben zeigte, mit einem Str'cke erdrosselte. Der Mörder ist 40, seine Frau 30 Jahre alt. Beide sollen in Unfrieden, hervorgerufen durch die Eifersucht des Mannes, gelebt und die Getötete soll ihren Mann auch einmal auf längere Zeit verlassen haben.
— Die verwechselten Aemter. Ein heiteres Vorkommnis hat sich vor einigen Tagen in der Kirche zu Großheringen in Thüringen zugetrage». Der Portier der Bahnstation des genannten Ortes^ ist zugleich ein sehr guter Orgelspieler und vertritt als solcher zeitweise den Kantor in der Kirche. Dies war auch vor einigen Tagen der Fall. In Folge der großen Anstrengung während der Wcihnachlsfeiertage scheint unser Portier aber etwas ermüdet gewesen zu sein, so daß er
wohl oder übel an geweihter Stätte Gott Morpheus seinen Tribut zollen mußte. Als er zum Schluß nochmals seines Amtes walten sollte, setzte man ihn durch eine leise Berührung zdavon in Kenntnis. In diesem Moment mag der pflichteifrige Beamte aber etwas lebhaft von seinem alltäglichen Beruf geträumt haben, dann plötzlich unterbrach der an dieser Stelle sonst nicht übliche Ruf die feierliche Stille: „Schnellzug in der Richtung nach . . . ., im zweiten Geleise ein- stcigen!"
Oldenburg, 3. Jan. Folgender Akt der Rohheit hat die Frau des zur See abwesenden Schiffers BolleniuS aus Warsingsfehn ausgeführt. Ihres zwölfjährigen Kindes, eines kleinen Mädchens, überdrüssig, verfällt das Weib auf den schrecklichen Gedanken, das Kind in Heesfelde ins Gehölz zu bringen, um es dort umkommen zu lassen. Knaben, welche vor einigen Tagen nachmittags im Ge» hölz mit Schlittschuhlaufen sich vergnügten, fanden das noch lebende Kindchen unter Gesträuch und Laubwerk versteckt. Sie brachten ihren Fund schleunigst ins Dorf, wo das Kind bald liebevolle Aufnahme fand und durch warme Nahrung völlig ins Leben zu- zückgerufen wurde. Die Beine und Füße sollen dem bedauernswerten Kinde bei der grimmigen Kälte erfroren sein. Das gefühllose Weib wurde verhaftet.
— Jammervoller Tod. In Marburg in Steiermark sind am 3. d. M. vier Kinder eines Bahnwächters einer Kohlenoxydgas-Ver- giftung zum Opfer gefallen. Die Mutter, welche ausgegangen war, um Einkäufe zu besorgen, hatte beim Verlassen des Hauses die Ofenklappe geschloffen und die Zimmerthüc okgesperrt. Als sie zurückkehrte, fand sie die Kinder in der Nähe der Thür tot auf dem Boden. Der Todeskampf der Kleinen scheint ein furchtbarer gewesen zu sein, da die älteren Kinder Bißwunde» an den Händen trugen, welche sie offenbar in ihrer Angst und Verzweiflung selbst beigebracht hatten.
— In Zürich fand man zwei junge Leute von 16 und 18 Jahren, die in einem ungeheizten Zimmer schliefen, am Ncujahrs- morgen durch KohlcnoxydgaS, das aus dem Parterre, wo man geheizt hatte, durch eine Oeffnung hinaufgedrungen war, betäubt und röchelnd im Bette liegen. Der eine von ihnen konnte wieder inS Leben zurückgerufen werden, während der andere starb.
— Ahlwardt hat in Amerika fortgesetzt arges Pech. Aus den neuesten Nachrichten über sein Auftreten in Amerika ergibt sich, der „Magd. Ztg." zufolge, daß feine Nix- Verlage die denkbar größte ist. Bekanntlich hatten sich zur ersten Versammlung Ahl- wardts in Newyork nur 200 Personen ein- geiunden; der Eintrittspreis betrug 50 Cents, die Saalmiete aber 250 Dollars. Ahlwardt hatte also ein gewaltiges Defizit. In Brooklyn ging es ihm noch schlechter, da er überhaupt keinen Saal bekommen konnte. In Jersey City erhielt er zwar einen Saal, aber, obgleich er den Eintrittspreis auf 25 CtS. herabfetzte, fanden sich im ganzen nur 125 Personen ein. Ahlwardt Halle eine große Rundreise nach dem Westen angekündigt, aber aus ihr kann nichts werden, da er kein Reisegeld besitzt. Jetzt hat der Rektor a. D. mitteilen lassen, daß er vorläufig in Newyork bleiben und erst nach Gründung der antisemitischen Organisation nach dem Westen abreijen werde. DaM hat es nalürl. gute Wege.