Die Tochter des Meeres.
Roman von A. Nicola.
(Nachdruck verboten.)
92.
Endlich kam die Entscheidung in scharfem, klaren Tone von des Grasen Lippen.
„Die Liebe und Barmherzigkeit sollen siegen. Ich will jeden Versuch, meines Bruders Tod zu rächen, aufgeben, und es soll dann Lord Belfort leicht werden, die Erlaubnis zur straflosen Rückkehr zu erlangen."
I.XHI.
Tiefes Schweigen herrschte in der kleinen Capelle, nachdem die Hauptpersonen bei der soeben stattgefundenen Scene sie verlassen hatten.
Frau Falkner war die Erste, die wieder sprach.
„Du ihälest besser, mit uns in Deine alte Heimat zurückzukehren, Cora," sagte sie höhnisch. „Es scheint nicht, als ob sich sonst Jemand nach Deiner Gesellschaft sehnte, und obwohl Adele und ich allerdings sehr einfache Leute sind, die tief unter der Gesellschaft stehen, in Welcher Du Dich, seit Du uns Verlassen, bewegt hast, so ist es doch wohl anständiger für Dich, als daß Du jungen Herrn nachlaufst, die sich nichts aus Dir machen."
Cvra's erster Gedanke war, dieses höhnische Anerbieten verächlttch zurückzuweisen, aber dann stieg ein zweiter Gedanke in ihr auf.
„Wissen Sie, was er — ich meine Lord Rupert — mit dem Flüchtigen, Lord Belfort, anfing, nachdem er ihn in seine Obhut genommen hatte?" fragte sie.
„Wenn ich Las nun wüßte? Glaubst Du, ich würde Dich in das Geheimnis einweihen und Dich unterstützen in Deiner Liebschaft mit dem jungen Grafen?" lautete der Frau Falkner bittere Antwort.
„Ich wiederhole Ihnen das Gelübde, das ich soeben that: Ich würde nie Lord Belfort heiraten, ohne ihm an Rang und Reichtum gleichzustehen. Wenn ich nur Gelegenheit hätte, ihm seinen Rang, seine Sicherheit und Ehre wiederzugeben und ihm dann sür immer Lebewohl zu sagen I"
„Lord Belfort wird auch keine Lust haben, Dich zu heiraten," entgegnete Frau Falkner. „Der junge Lord hat jetzt andere Pläne."
„Vielleicht!" erwiderte die Frau ruhig. „ES ist nur natürlich, daß der vermeintliche Sohn seinen Gefangenen in das HauS seiner Mutter bringe ... es war seine Zuflucht," setzte sie, Adele mit einem bedeutungsvollen Lächeln anblickend, hinzu . . . „vielleicht ist es seines Herzens Wunsch, daß es seine Heimat werde."
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»
Mit einem seltsamen Gefühl näherte Cora sich dem Orte, wo sie die frühesten und vielleicht glücklichsten Jahre ihres Lebens zugebracht hatte. Alles, was in Beziehung dazu stand, rief diese Kindheit so lebhaft in ihr Gedächtnis zurück, daß sie sich kaum denken konnte, daß die Jahre und Ereignisse, die sie, seit sie dieses Häuschen verlassen, erlebt hatte, wirklich dazwischen lagen.
Frau Falkner und Adele waren jetzt ebenso bei ihr, wie damals. Die Umgebung des einsam dastehenden Häuschens war unverändert.
Sie selbst fühlte sich fast wieder in jene
Kinderzelt zurückversetzt, als ihr Auge auf die bekannte Gegend fiel, und ihr war, als könne sie wieder die Höhen da erklimmen, wieder wie früher das herankommende Schiff beobachten, das ihr den teuersten Gegenstand ihrer jungen Liede zurückbrachte. Wo war er jetzt, der einst vergötterte junge Mann, der Beschützer ihrer Kindheit, der edle, großmütige, liebende Rupert Falkner? ... Er war der hochgeborene Erbe eines cdeln Namens, der reiche Abkömmling einer alten Adelsfamilie, der Gemahl eines Mädchens, daS die Welt die als seine Gemahlin Passendste nennen würde. Cora war dagegen allein und einsam. Alle, die sie gekannt und geliebt hatten, schienen wie durch ein Verhängnis von ihr getrennt zu sein, sie für schuldig zu halten und sie von sich zu'verbannen.
Sogar er, der ihr mehr als das Leben verdankte, sollte sie — ihrem eigenen Gelübde gemäß — nur sehen, um ihre Friedensbotschaft, die sie ihm brachte, in Empfang zu nehmen, und dann für immer für sie verloren zu sein.
Liebte sie ihn ! Bereute sie das Gelübde, das sie abgelegt hatte?
Cora hätte sich diese Frage kaum beantworten können. Sic hatte ihn gerettet und gepflegt, sie war die unbewußte Ursache seiner Gefahr und Unehre, und der edle, selbstlose Retter vor bösen Folgen gewesen. Er hatte sie geliebt, ja sie fühlte es, er liebte sic noch tief und innig.
War es zu verwundern, wenn sie sich in Gedanken an den einzigen Gegenstand ihrer Liebe und ihres Interesses, der ihr geblieben war, hing?
War es zu verwundern, daß ihre Pulse rascher schlugen, als der Wogen, in dem sie saßen, langsam vor dem kleinen Hause vorfuhr, und wenn sie unwissentlich die Augen schloß, um sich die bevorstehende Unterredung auszumalen, die für immer die letzte Episode zärtlicher Romantik für ihr junges Herz beschließe» würde?
Aber jetzt war nickt Zeit solchen Gedanken nachzuhängen. Es waren neidische, unfreundliche Augen auf sie gerichtet, und chr einziges Bemühen mußte sein, den Sturm in ihrer Brust so gut als möglich fremden Blicken zu verbergen.
Die Fenster des Hauses waren geschlossen und kein Mensch ringsum zu sehen, als der Wagen vor dem kleinen Gitter vorfuhr, doch daS war natürlich, denn die Vorsicht gebot Ernst Belfort, durch nichts sei» Hiersein zu Verraten.
Frau Falkner stieg zuerst aus; ihr folgten Adele und Cora, und rasch näherten sie sich der niedrigen HauSthür.
Aber ihr Zeichen zum Einlaß blieb unbeantwortet, obwohl sie wiederholt heftig an die Thür klopften.
Frau Falkner zog die Stirn in finstere Falten.
„Das ist sonderbar, höchst sonderbar!" murmelte sie. „Ich habe Alles für meine Rückkehr vorbereitet, und außerdem bin ich überzeugt, daß Lord Belfort den Schutz, den er hier gefunden hat, nicht absichtlich mit solchem Undank lohnen würde, daß er daS Haus so heimlich verläßt." —
Sie zog einen Hauptschlüssel aus der Tasche, den sie stets bei sich trug, schloß die Thür mit einiger Mühe auf und trat mit
den beiden jungen Mädchen in die verlassenen Räume.
Da war das Zimmer, in welchem einst Lord Faro zuerst das schöne junge Wesen gesehen, das auf sein und seiner Angehörigen Schicksal ss großen Einfluß aus« geübt hatte. Nichts war darin verändert. Alles stand noch genau so wie zu jener Zeit, und Cora schrack jetzt vor dem Zusammentreffen, das ihr ihrer Meinung nach mit einem ihr noch Teueren bevorstand, scheu zurück. Ader daS Zimmer war leer und still.
Frau Falkner durchschritt! rasch die verschiedenen Räume, und dann stieg sie mit einer Schnelligkeit die schmale Treppe hinauf, wie man sie ihr kaum zugklraut hätte, aber nirgends war eine Spur eines lebenden Wesens zu entdecken.
Endlich wendete Frau Falkner sich zu ihrer Tochter und dem bleichen Mädchen, dem alle Pulse in fieberhafter Angst und Erregung schlugen.
„Das ist ein unerwartete« Ende unserer Reise!" sagte sie. „Lord Belfort ist fort . . . freiwillig oder gezwungen . . . und mir scheint, daß, seit wir das Haus verließen, seltsame Dinge hier stattgefunden haben . . . Therese hat das Haus trotz meines Befehles unter allen Umständen zu bleiben, bis ich zurück sein würde, verlassen, und mir scheint, daß gewissenlose Hände in meinen geheimsten Fächern gewühlt haben, was mehr für Ge» Walt und Verrat, als für ein freiwilliges Verlassen des Hauses spricht," fuhr sie ernst fort, doch zeigte ihr Gesicht einen halb triumphierenden, halb ängstlichen Ausdruck, als sie sich zu dem Findling wandte. „Jedenfalls ist nun alle Hoffnung, durch die Kleinigkeiten, die ich besaß, Deine Herkunft zu ermitteln, Cora für immer Verloren."
(Fortsetzung folgt)
Vermischtes.
— Metallreinigung. Manche Hausfrau gießt das Wasser, in welchem Kartoffeln mit Salz gekocht wurden, fort, da sie damit nicht« anzufange» weiß, obwohl es in sauer gewordenem Zustande ein nicht nur gutes und billiges, sondern auch unschädliches Putzmit- trl sür Silber, Alfenida und plattierte Ware, StahlgegenstLnde und Gläser ist. Die zu reinigenden Sachen werden ca. 10 Minuten lang in das heiße Kartoffelwasser gelegt, dann mit einem Wollloppen abgerieben und mit reinem Wasser nachgespült, wodurch ein blankes und ein neues Aussehen erzielt wird.
— Keuchhustenmittel. Man nehme 2 dis 3 Liter frische gute Milch und lasse dieselbe in einem reinen Topf auf gelindem Feuer beständig kochen, ohne daß sic anbrennt, so lange bis sie schließlich zu einer ganz dicken, gelblichen Flüssigkeit einkocht. Diese läßt man auf einem Kuchenblech erkalten und stößt sie, wenn sic erhärtcrt ist, im Mörser zu feinem Pulver, von dem man dem Patienten jede Stunde einen Kaffeelöffel voll giebt; will das Kind es nicht trocken nehmen, feuchtet man das Pulver mit etwas Wasser an.
(Doch etwas.) Durchlaucht läßt sich herbei, an dem Kegelabend sich zu beteiligen. Er schiebt eine Kugel, welche — vorbeigeht. Da der Fürst kurzsichtig ist, fragt er : „Nun, wie viel' stnd's?" Peinliches Schweigen. Endlich rafft sich einer auf und sagt mit tiefer Verbeugung: „Durchlaucht, zwei haben — gewackelt!"
Druck und Verlag von Bernh. Hofmann in Wildbad. (Verantwortlicher Redakteur: Bernh. Hof man N.)