Rundschau.

I» den württembergischen Schulen fällt am 18. Januar der gewöhnliche Un­terricht aus. Dafür werden Erinnerungs- feiern an daS 25jährige Jubiläum der Gründ­ung des deutschen Reiches adgehaltni werden.

Bietigheim, 27. Dez. Der 13 Jahre alte Sohn des Wagners Knoll hier machte sich heute mittag aus Langweile an der Fut- terschneidmaschine eines Nachbarn zu schaffen, wobei er den Messern zu nahe kam und ihm der rechte Unterfuß vollständig abgeschnitten wurde.

Nagold, 29. Dez. Den von Hagelschlag betroffenen Gemeinden unseres Beznks hat S. M. der König einen Grundsteucrnachlaß Von rund 3100 gewährt.

Gaildorf, 27. Dez. Heute vormittag er­eignete sich auf dem hiesige» Bahnhof ein schreckliches Unglück. Ein 20 Jahre altes Mädchen aus Denkendorf bei Eßlingen, wel­ches hier seine Schwester besucht hatte, glitt beim Einsteigen in de» eben abfahrenden Schnellzug aus und geriet unter den Wagen, wobei ihr beide Füße abgefahren wurden. Unter den gräßlichlten Qualen wurde die Be­dauernswerte in das Krankenhaus gebracht, wo sie hoffnungslos darniederliegt.

Ulm, 26. Dez. Der Privatier Hosch wurde in Neu-Ulm vom Augsburger Zug erfaßt und zermalmt. Ein auS München herbeigerufcner Einbrecher wurde, als er in eine Wirtschaft einbrechen wollte, verhaftet.

Leutkirch, 27. Dez. Ein am Weihnachls- abcnd um 10 Uhr in dem Weiler Au, Gern. GötlliShofe», verübter Raubmord erregt in der ganzen Umgegend die größte Aufregung und Bestürzung. Der in genanntem Weiler mit seiner bejahrten Frau allein wohnend 67jährige Alois Bodenmiller wurde von einem Einbrecher ermordert. Mit vielfachen Wun­den bedeckt, fand man ihn arg entstellt in der Stube des untern Stockes seines Hauses tot auf. Der Mörder begab sich nach vollbrachter That ruhig in den oberen Stock, wo die fuß- kranke Frau zu Bett lag, bedrohte dieselbe ebenfalls mit Tötung und durchsuchte unter ihren Augen die Wohnung nach Geld. Er legte seine Kleider teilweise ab, zog solche deS Ermordeten an und entfernte sich dann mit dem gefundenen Geld, ca. 14 ^ Die zu Tode geängstete Frau lief nachher zu Nach­barn und fanden sie den Manu wie oben geschildert, zu ihrem Entsetzen in seinem Blute liegen. Der Mörder war inzwischen entkom­men, ist aber noch am Christf-stabend ver­haftet worden. Er halte in der Frühe in der Wirtschaft z. Mohren in Js»y gezecht, war sodann auf der Landstraße gegen Schweinc- bach und Dorenwaid zu weiter gegangen; an letzterem Orte nahm ihn Landjäger Bödm fest und führte ihn gefesselt nach Jsny. Er ist der 31 Jahre alte Quirin Etsele von Unterbaldingen bei Donaueschingen.

Mannheim, 29. Dez. Heute früh 7 Uhr brach in dem Maschinenraum des hiesigen Generalanzeigers, Mannheimer Journal, Großseuer aus, so daß die gesamte Lösch­mannschaft allarmiert werden mußte. Trotz großer Anstrengung brannte der ganze Ma- fchinenraum mit den daranstoßenden Räumen der Accidenzsetzerei vollständig aus, so daß die großen und teueren Rotalionsmaschinen unbrauchbar geworden sind. Auch das Lager der großen für letzere bestimmten Papierrollen wurde durch Feuer und Wasser total zer­stört, fs daß der Generalanzeiger jedenfalls

vorerst nicht erscheinen kann. Die Ursache der Entstehung des Brandes ist noch nicht bekannt.

Berlin, 27. Dez. DerR-ichsanzeiger" meldet: Nach Allerhöchster Bestimmung findet am 18" Jan. nächsten Jahres zur Erinner­ung an die vor 25 Jahren erfolgte Neube­gründung d'es deutschen Reiches eine Feier­lichkeit im köttigl. Schlosse statt, zu der u. a. auch die damaligen Reichstagsmitglieder geladen werden.

Warnung. Der Polizeipräsident von Berlin hat vor einiger Z-it folgende Warn­ung bekannt gegeben: Aus der sogenannten Poliklinik und Naturheilanstalt von O-Friedei i» Braunschwejg werden für de» Preis von 5 ^ als Hkilmitt-l gegen Diphtheritis zwei Lösungen versandt, welche abwechselnd einge­nommen werden solle!'. Nach der chemische» Uniersuchiiiig best'ht die eine aus einer ipui- tuösen Ablösung des giftigen Cyaiiqu.cksilbers in Wasser, die andere ist ein äußerst Ver­dünnter alkoholischer Auszug unwirksamer Pstanzenstoffe. Vor dem Ankauf dieser Mittel, sowie der von dem vo» Findel hrauSge- gebenen Brvschü'en:Der Keuch- und Stück­husten" undDie chronisch,n Krankheiten" warne ich hiemit das Publikum.

Zu einer solennen Prügele! zwischen Chef und Personal kam cs am Samstag in einer B-rUner Wollwarenfabrik. Der Chef machte nachmittags Kasse und behauptete plötzlich, daß ibm ein Hundertmarkschein fehle. Er beschuldigte zwei im Kontor anwesende junge Leute, ihn entwendet zu haben, was diese energisch bestritten. Inzwischen gingen die jungen Leute z» Tisch und der Chef sagte ihnen, als sie zurückkamen, daß erden Hundertmarkschein gefunden habe. Der eine junge Mann ließ dabei die Bemerkung fallen, daß eS nicht mehr als anständig fei, wenn er sich wegen des Verdachts, den er gegen die jungen Leute gehegt hätte, entschuldigen würde, da das übrige Personal sonst sicher denken müsse, daß sie die Spitzbuben seien. Der Chef gab ihnen eine cynischs Antwort, worauf die jungen Leute den Chef in gerech­ter Entrüstung durchprügelten. DaS übrige Personal, welches dem Chef sehr wenig zn- gelhan zu sein schein!, beteiligte sich tapfer an der Prügelei. Der Chef wurde so übel zngerichlet, daß er sich sofort zu einem Arzt begab, nachdem er vorher das gesamte Per­sonal entlassen hatte.

Wildernde Unteroffiziere. In dem Spandauer Forst wurden am heilige» Abend zwei Unlerosstziere durch de» Oderförster ver­haftet. Von den beiden Unteroffizieren ge­hört einer der Berliner Garnison an und der andere ein Oberjäger, war zur Schieß- schule kommandiert. Sie wurden dabei ab­gefaßt, als sie drei Stück Wild auf einen Wagen verladen wollten. Es hat den An­schein , als ob die Beiden die Jagd schon häufiger unberechtigt ausgeübt hätten. Die Untersuchung dürfte ergeben, wer der Ab­nehmer der gewilderten Tiere war. Die Ver­hafteten wurden sofort nach dem Spandauer Mitiiärarrcst gebracht.

Hinterhaus". Grauenhaftes Elend wurde in Spandau anläßlich des Todes einer Wöchnerin in einer Familie anfgedeckt. Eine Arbeiterin der Munitionsfabrik halte noch für ein Kind und ihre Mutter zu sorgen. Letztere ist eine dem Trunk ergebene, halb dem Wahnsinn verfallene Perlon, die alle Augenblicke wegen Erregung von AergerniS

von der Polizei eingesperrt werden muß. Die unglückliche brustkranke Tochter mußte nicht allein für den Unterhalt die Mittel herbejschosfe», sondern auch daS Geld für de» Branntwein, den die Mutter verlangte. Das unglückliche Gesäöps arbeitete fleißig, infolge dcr Entbehrungen siechte es indrß immer mehr dahin. Vor einigen Tagen gab cs iiuem zweiten Kinde das Leben; der Man,- harte die Aermste herzlos im Stiche gelassen. Während sie nun krank und elend darniederlag, entzog ihr die wahnsinnige Mutter das Notwendigste zur Nahrung; Gaben, die von mitleidigen Leuten gebracht wurden, sogar Lebensmittel, trug die Alte davon, um sich dafür mit Branntwein zu versorgen. Auf ihrem elenden Lager hauchte die Wöchnerin ihren Geist aus, während die betrunkene Mutter eben von einem Polizei­beamten auf der Straße aufgegriffen und eingesperrt wurde. Der Hinterbliebenen Kinder hat sich jetzt die städtische Armenpflege an­genommen.

Ein Riiubcranschlag und seine Ver­hinderung- Ei» dreister Gaunerstreich ist am 23. d- M. aut dem an der russische» Gcenze gelegene» Gu:e Slonysza noch glück­lich vereitelt worden. Gegen Abend kamen drei anständig gekleidete Männer zu dem a!S reich bekannten Gutsherrn und bäte» um Nacht- Herberge, da sie den Anschluß an den von Wilna nach Petersburg abgehenden Zug ver­säumt hätten. Sie wurden freundlich aus­genommen. verabschiedeten sich aber bald für einige Stunde», da sie ihrer Angabe nach in der Nachbarschaft Gctreidckäufe abschließe» wollten. Eine mttgebrochte größere Kiste ließen sic zurück und diese wurde tu einer Kammer aufgestellt. Als aber die Reisende» beteulend länger, wie verabredet, ausblieben, schöpfte der Besitzer Verdacht und ging mit einem besuchsweise herübergekommenen Nach­bar zur Besichtigung der Kiste in die Kam­mer. Zufällig folgte ihnen eine Dogge, die sich sofort knurrend und zähnefletschend aus die Kiste warf. Sofort wurden einige hand­feste Gulsleute herbeigeholl und stach man mit einem Stock durch ein Astloch in den Kasten, worauf sich menschliche Laute ver­nehmen ließen. Als man den Deckel abhob, sprang ein mit einem SLlachtmesfcr bewaff­neter Kerl heraus, der sich sofort auf die Umstehenden stürzen wollte, woran er jedoch durch die ihm an den Hals springende Dogge verhindert wurde. Der sofort gefcffelte Gau­ner gestand nun ein, daß er zur Nachtzeit seine drei Genossen zum Zwecke der Beraub­ung des Gutsbesitzers habe cinlaffen wollen. Man löschte das Licht aus und alles verhielt sich ruhig. Etwas nach 11 Uhr hörten die in der Kammer Versteckten ein leises Klopfen am Fenster, worauf dieses leise geöffnet wurde. Der zuerst cinsteigendc Räuber wurde nieder­geschlagen und gefesselt, während feine Ge­nossen zu entfliehen suchten, von den sich ver­steckt haltenden Gntsleulen unter Führung des Inspektors jedoch dingfest gemacht wurden. Säuttliche vier Räuber, dis anderen TageS dem Gefängnis überliefert wurden, sind ehe­malige Zuchthäusler.

- Etwa 800 Fischer aus Jeisk und Umgebung nehst ihren mil 100 Pferden be­spannten Schlitten wurden auf einer Eis­scholle in das Asowsche Meer getrieben. Von den Personen sind bereits mehr als die Hälfte gerettet. Die Rettungsardeiten dauern noch fort.