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Ein neues Jahr gebar der Zeiten Schooß,

Es winkt »ns, mit der Hoffnung Kravzumwunden

Doch ruht verhüllt noch unser Schicksalsloos Inmitten seiner leichtbeschwingten Stunden

Denn ob uns lächeln wird ein künftig' Glück,

Ob uns des Unglücks schwere Last beschieden;

Nicht offenbart's sich unser'm geist'gen Blick,

Und ein Geheimnis bleibt dies unS hieniedcn l

So sei willkommen denn, du neues Jahr Nimm unser aller frohen Gruß entgegen,

O, spend' in deinem Lauf uns immerdar Zu unser'm ganzen Thun den rechten Segen O, schau' mit klaren Augen uns stets an,

Hilf leichter tragen uns des Daseins Mühen, Laß fürder uns auf uns'rer Lebensbahn,

Im neuen Jahre ein neues Glück erblühen I

Und dennoch hoffen alle wir so gern,

Es werde Alles sich zum Besten wenden,

Es werde leuchten uns ein guter Stern,

Uns tröstend seine milden Strahlen senden Vertrauend schreiten wir deshalb hinein Jetzt in des jungen Jahres Dämmermorgen; Und lassen hinter uns den letzten Schein Des alten Jahres mit den alten Sorgens

Die Tochter des Meeres.

Roman von A. Nicola.

(Nachdruck verboten.)

91 .

Ich bin froh, sehr froh, daß wir gleich, gestellt sind, Rupert," sprach Petta sanft, aber nicht wahr, Du vergißt nicht, daß ich, lange bevor ich eine Ahnung davon hatte, Dich wählte? Und ich verlange nichts, als daß Du gut und liebevoll gegen mich bist, und Dich nicht durch das listige Mädchen von mir abziehen läßl, die an allem, was mich in den letzten zwei Jahren so unglück­lich gemacht hat, schuld ist," fuhr sie fort, und ihre Lippen zitterten mehr vor Erreg­ung als Betrübnis

Cora trat stolz näher, als sie diese Worte Vernahm.

Beruhigen Sie sich," sprach sie mit Vornehmer Miene, ich werde Ihren Pfad nicht kreuzen, noch Sie irgendwie belästigen, «S sei denn, daß ein widerwärtiges Geschick mich gegen meinen Willen dazu zwänge. Ich für meinen Teil bin jedenfalls zufrieden, daß ich und Ihr Gemahl getrennt wurden, bevor unsere Wege so weit auseinandergingen. Ich hätte mich als Eindringling nie glück­lich fühlen können in einer Stellung, in die ich nicht durch meine Geburt paßte."

Und ruhig wandte sie sich zum Gehen, als Graf Treville sie zurückhielt.

Halt, junge Dame l" sagte er gebieterisch I Ich habe wenigstens einiges Recht, Sie als den Schützling und das adoptierte Mündel sowohl meines Sohnes wie meines verstorbenen Bruders zu beschützen. Sie dürfen nicht wieder schutzlos und allein hinausgehen in die weite Welt."

Cora wich vor der Berührung mit des Grafen auSgestrcckter Hand zurück.

Verzeihen Sie mir, Mylord ... ich bin überzeugt, daß Sic cs gütig mit mir meinen, aber es giebt Wunden, welche nur durch Einsamkeit und Freiheit geheilt werden können. Wenn Sie mir Unrecht gethan haben, so gewähren Sie mir meine Bitte als beste Entschädigung dafür."

Aber wohin, zu wem wollen Sie gehen?" fragte der Graf besorgt.

Ich weiß eS nicht, es ist mir auch gleich, Wenn ich nur Ruhe finde," ecwiderte sie un­geduldig.Jeder, der mir Freund zu sein schien, ist für mich zur Ursache großen Kum­

mers geworden. Besser offene Feinde, als falsche Freunde."

Wenigstens müssen Sie die Mittel von mir annehmen, Ihre eigenen Pläne und Ab­sichten durchführen zu können, Miß Cora," bat der Graf.Nach all' dem Kummer und Schmerz, den Sie erlitten haben, bin ich Ihnen das schuldig."

Ich nehme nichts an. Ich brauche nichts, als die Anerkennung Ihrer Ungerech­tigkeit und meiner Unschuld, Mylord," ver­setzte sie ruhig.Alles Andere ist bald ver- g-ssen, wenn ich wirklich noch andere Wünsche in diesem Leben haben sollte, als nach Ruhe."

Und giebt cs nichts, gar nichts, womit ich Ihnen beistehen könnte?" entgegnete der Graf bittend.Glauben Sie mir, meine Sorge um Sie ist aufrichtig ... ich würde viel darum geben, wenn ich Vergangenes ungeschehen machen könnte," setzte er leiser hinzu.

Sie schwieg einige Augenblicke, als wolle sie ihre Gedanken sammeln. Dann bedeckten sich ihre Wangen mit einer tiefen Röte, und mit halb ängstlichem, halb hoffnungsvollem Ausdruck hob sie die Augen bittend zu dem Grafen auf.

Ja, es gibt Etwas," sagte sie zögernd, das Einzige, um das ich Sie bitten möchte. Es ist eine Gunst, die jede Ungerechtigkeit und jeden Kummer verwischen, die mich so­gar zu Ihrer Schuldnerin machen würde, Graf Treville."

Und was ist das? Was ist das?" fragte er.

Ich möchte für Jemand, der viel ge­litten hat, um Verzeihung und um Ihren mächtigen Einfluß für seine Begnadigung bitten," sagte sie.Für Jemand, der tief bereut hat . . . der, wie ich glaube, ja, wie ich weiß, nicht so schuldig ist, als es wohl scheinen mag ... für Lord Belfort, Mylord."

Auf des Grafen Gesicht blitzte es zornig auf.

Sie wissen nicht, was Sie verlangen," sagte er.Ist es recht, den Verzicht auf die Vergeltung für des Bruders Blut zu fordern?"

Es ist wohl richtig, Mylord, in so froher Stunde, wie es die jetzige s>in sollte, Gerechtigkeit und sogar Erbarmen zu üben," entgegnete sie mit einem Blick auf Rupert. Den größten Verbrechen wird verziehen, wenn einem Herrscher besonderes Glück zer­

stößt. Und ich wiederhole Ihnen ouS vollem Herzen, daß bei der unglücklichen Affaire mehr gegen Lord Belfort gesündigt wurde, als er gegen Andere sündigte. Sie können die Toten nicht wieder lebendig macken. Wohl aber können Sic den Lebenden Ruhe und Frieden geben."

Graf Treville war unschlüssig, aber seine Schwester trat zwischen den jungen Für- sprecker und ihren Bruder.

DaS ist Alles recht klar, Miß Cora," sagte Lady Emily,aber ich glaube, ich kann für das Alles, was dir junge Dame sagt, einen bessern Grund finden. Sie wünscht Lady Belfort zu werden, und hofft sich da­durch, daß sie den Lord rettet, eine solche Stellung zu erringen."

Ist das wahr? Wäre es möglich, daß Sie so selbstsüchtig sind, Cora?" rief Rupert halb unbewußt, während Graf Trevill's Stirn sich bei den Worten seiner Schwester «m- wölkte.

Ich wiederhole die Frage: ich möchte wissen, ob es möglich ist, daß Sie bei Ihrer Jugend und Schönheit so falsch sein können?* sprach er ernst.Bedenken Sic wohl . . . mit der Zeit wird sich die Wahrheit zeigen, io sehr Sie auch jetzt bemüht sein mögen, sie zu verbergen."

Wenn es für mich selbst wäre, würde ick mich nicht zu einer Antwort herablassen," sprach Cora stolz,aber wo eS sich um ein Menschenleben handelt, ist eS nicht an der Zeit, sich gekränkt zu fühlen. Genügt es, wenn ich erkläre, daß ick weder Lord Bel­fort, »och irgend einen Anderen, den ich kenne, heiraten werde, so lange ich ein unbe­kanntes, namenloses Findelkind bin? Ich könnte keinen Schatten auf einen edlen Namen werfen, Graf Treville. Sie brauchen nicht zu fürchte», daß ich mir auf Ihre Kosten einen Titel erkaufe."

Edles Mädchen!" zitterte es von des Grafen Lippen.

Vielleicht fühlte er in diesem Augenblicke, wie viel er sich durch seine Schnelligkeit ver­scherzt halte! Wie glücklich hätte Rupert sein können . . . welch eine Tochter hätte seine letzten Jahre erheitern können!

Aber ergab seinen Gedanken keine Worte. Er blieb einige Momente stumm, und sogar Lady Emily wagte nicht, die Stelle zu unter­brechen.

(Fortsetzung folgt.)

Druck und Verlag von Beruh- Hofmann in Wildbad. (Verantwortlicher Redakteur Beruh. Hofwannl.

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