Die Tochter des Meeres.
Roman von A. Nicola.
(Nachdruck verboten.)
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„Ist das wahr? Oder haben Sie eine Lüge, eine schändliche Lüge als Sie Vorgaben, dieses Mädchen, vor dem jede Fiber in mir ziirückwcicht, sei meine Tochter? Hören Sie mich an, bevor Sie antworten?" suhr er in festem Ton fort. „Ich bewillige Ihnen hundert Pfund jährlich für dieses junge Mädchen, und werde ihr als Heiratsgut zweitausend Pfund bewilligen, wenn sie jene ist, für die sie von Ihnen erklärt wird , . . aber wenn sie nicht mein Kind ist, wenn Sie mir beweisen können, daß dieser junge Mann der Sohn meiner Bianca ist — wofür mein Gefühl spricht — dann will ich Ihnen freigiebigster Weise meine Freude über ein solches Geständnis zeigen. Nennen Sie selbst ihre Bedingungen, und Sie werden kaum auf Widerstand bei mir stoßen, wenn Sie mir genügende Beweise der Wahrheit geben können."
Frau Falkner war unschlüssig; ihr Blick war zu Boden gesenkt, und offenbar erwog sie reiflich, was sie thun sollte, bevor sie antwortete.
„Ich möchte wohl wissen, welchen Wert Sie auf einen Erden legen würden, Mylord," antwortete sie kühl, „und wäre es nur. um zu wissen, wie sehr ich Sie durch meine Antwort strafen oder erfreuen könnte. Ich beeinflusse Sie auch mit keinem Worte bei Ihrer Entscheidung, ob Adele ober Rupert in Wahrheit das Kind Ihrer vernachlässigten Bianca ist."
„Eigentlich ist ein solches Glück kaum mit Geld zu bezahlen," sagte Graf Treville lebhaft, „aber wenn Sie sich mit einer Belohnung von zehntausend Pfund befriedigen lasten, so sollen Sie dieselben behalten, wenn Sie genügende Beweise Ihrer Versicherungen geben können, und Ihren Betrug, daß dieses Mädchen meine Tochter sei, eingestehen."
„Was meinst Du, Adele," wandte die Frau sich zu derselben, „sollen wir den stolzen Grafen in seinen Phantasien Unterstützen und ihm einen Sohn geben?"
„M>r >st er sowohl wie seine Phantasien gleichgitng," erwiderte die Angeredete mürrisch. „Ich weiß nur so viel, daß ich unabhängig sein möchte, und baß ich nicht als ehrlos angesehen werden will, denn das könnte ich nicht ertragen. Am liebsten, Tante, liefe ich davon, und ließe nie wieder etwas von mir hören."
Und des Mädchens heftiges Schluchzen bestätigte ihre Worte.
„Wenn Sie diesem jungen Mädchen die genannte Summe geben und mir das Einkommen bewilligen wollen, das Sie mir versprachen, wenn Adele sich als ihre Tochter answcisen sollte, will ich Sie über die Wahrheit zufrieden stellen," sagte Frau Falkner nach einer kleinen Weile.
„Und mit Beweisen? Mit Beweise»? Nicht nur mit mündlichen Versicherungen?" fragte der Graf erregt.
Frau Falkner neigte bejahend den Kopf.
„Sonst nützt cS wenig," entgegnete sie kalt. „Ich habe die Ungewißheit und die Undankbarkeit Derer satt, für die ich gearbeitet, gelitten und gewartet habe. Wenn Sie mir als Ehrenmann Ihr heiliges Wort
darauf geben, daß Sie meinen Bedingungen in vollem Maße Nachkommen wollen, soll die Sache ein für alle Mal zum Abschluß kommen."
«Ja, ja, ich verspreche eS," erwiderte der Graf leidenschaftlich, während sein bleiches Gesicht glühte und seine Lippen vor Erregung zitterten.
„So will ich Ihnen eine sehr kurze und einfache Geschichte erzählen," fuhr die Frau ruhig fort.
„Als Sie die schöne Spanierin, die Sie erst heimlich geheiratet und dann verstoßen hatten, meiner Obhut anvertramen, nahm ste mir das Versprechen ab, daß das Kind, dem sie bald das Leben zu geben Hostie, weder Ihnen überlassen, noch Ihnen des KindeS Geschlecht verraten werden sollte, bis ich volle, feierliche Beweise Ihrer Reue und die feste Ueberzeugung erlangt hätte, daß Sie für das unglückliche Kind in väterlicher Weise sorgen würden. Damals hatte ich selbst noch kein Kind, aber brei Jahre später wurde mir eine Tochter geboren, und um dieselbe Zeit verlor ich den Vater dieses Kindes. Da waren meine Pläne gefaßt, als Adele noch in der Wiege lag. Ich beschloß, sie als das Kind einer verstorbenen Schwester auszugeben, während Rupert für mein Sohn gelten sollte, und daß die Heirat zwischen ermöglicht werden sollte, bevor ich Las Geheimnis von Ruperl's Geburt offenbarte. Das war leicht zu bewerkstelligen, da ich in Bremen, wo ich später meinen Wohnort aufschlug, nur Wenigen, sehr Wenigen bekannt war, und mehrere Jahre lang hatte ich nicht die geringste Besorgnis, daß mein Plan fehlschlagen könnte. Aber die unerwartete Ankunft dieses Eindringlings dort," fuhr sie mit einem feindlichen Bück auf Cora fort, „zerstörte Alles, und erst nach langer Zeit, nachdem ich nichts unversucht gelassen halte, Rupert zur Vernunft zu bringen, beschloß ich, ihn mit dem Verlust seines Geburtsrechds zu strafen. Wie die Dinge j.tzt stehen, hat sich ja Alles geändert."
„Aber was gibt mir die Gewißheit, daß Sie nicht einen zweiten Betrug ausüben?" sagte der Graf, indem er sich bemühte, seine bange Freude über die Hoffnungen, die sich ihm eröffneten, zu verbergen.
„Auf sehr leichte Weise," antwortete Frau Falkner in kaltem Ton. „In der englischen Kirche zu Bremen befindet sich ein Taufregister, in welchem die Geburt dieses Knaben in demselben Jahre verzeichnet ist, in welchem Ihre verstoßene Frau vor Kummer starb. Und für mein Kind, mein Adele," fuhr sie mit einem innigen Blick auf das junge Mädchen fort, „trug ich reichlich Sorge, daß Niemand verächtlich, als sei ste von zweifelhafter Herkunft, auf sie bücken kann. Die Wärterin, die mir bei ihrer Geburt bei- stand, und der Geistliche, der sie taufte, sind Beide noch am Leben, und können, wenn Sie cs wümchen, meine Aussage bestätigen. Es ist ein seltener Triumph, Mylord: Die Entdeckung, daß Sie einen natürlichen Sohn besitzen und ihm die Erbin Ihres Bruders zur Frau gegeben haben."
„Still, Frau! Still!" sagte GrafTre- ville ernst. „Glauben Sie, ich würde mich bemüht haben, einen Unglücklichen aus der Dunkelheit zu ziehen? Nein, erst als ein glücklicher Zufall mir die Thatsache offen
barte, daß meine Sünden weniger traurige Folgen gehabt hatten als ich glaubte, erst da wünschte ich die Wahrheit zu erfahren. Die heimliche Trauung, durch welche ich beabsichtigt hatte, eine nicht standesgemäße Verbindung geheim zu halten, wurde durch ein günstige« Geschick, eine wirkliche, gesetzliche. „Rupert, mein Sohn," fügte er mit einem halb traurigen, doch innigliebevollen Blick zu dem jungen Mann gewendet fort, „kannst Du das Deiner Mutter und Dir selbst an- gethanc Unrecht mir verzeihen?"
Der junge Mann war durch den schnellen Wechsel seiner Verhältnisse auf's Höchste verwirrt. Allerdings eröffnete sich ihm als den Sohn und anerkannten Erben des reichen Grafen Treville eine glänzende Zukunft, aber doch hatte er das bittere Gefühl, daß er in der Verurteilung seiner einstigen Liebe grausam gefehlt und dadurch den schönsten Edelstein seiner Adelskrone verloren hatte. Frau Falkners Geständnis hatte ihn über Vieles, bas er für einen verräterischen Undank Von Seite» Cora'S gehalten hatte, aufgeklärt. Jetzt war eS klar, daß Cora und er die unschuldigen Opfer einer schändlichen Jn- trigue gewesen waren.
„Mylord," erwiderte er mit ehrerbietiger, aber vielleicht ein wenig erzwungener Zärtlichkeit, „es steht mir nicht zu, Ihre Handlungsweise ohne genau-re Kunde der Beweggründe zu beurteilen, aber wenigstens möchte ich Sie bitten, das geschehene Unrecht an dieser jungen Dame wieder gut zu machen, die, glaube ich, von uns Allen am schwersten gekränkt worden ist. Miß Cora sollte doch wohl sofort ihre Freiheit wiedererhalten, sich nach eigenem Wunsch ihr>n Wohnort wählen dürfen, und ihr dazu genügende Mittel zur Verfügung gestellt werden."
Da fing Netta leise an zu schluchzen.
„Es ist doch zu sonderbar, daß mich Jeder dieses Mädchens wegen vernachlässigt. Ich sollte doch meinen, daß Du, Rupert, erst an mich denken solltest, statt Dir gerade jetzt Sorge um sie zu machen.
Unwillkürlich zuckte es spöttisch umTre- ville's Lippen, aber sein besseres Gefühl sagte ihm, daß die Klage seiner Nichte zum ersten Mal vielleicht ganz ungerecht sei, und ernst sagte er:
„Netta hat vollständig Recht. Rupert, ste nahm Dich aus Liebe, und eS ist nicht Recht von Dir, sie zu vernachlässigen, nun es sich herausgestellt hat, daß Ihr Euch gleichgestellt seid."
Der junge Mann wandte sich freundlich zu der schönen schmollenden Braut:
„Netia, kannst Du mir nicht verzeihen, daß mich für den Augenblick andere Dinge beschäftigen? Kannst Du nich! begreifen, daß ein so seltsamer Schicksalswechsel mich kür den Augenblick von Dir abzieht ? Jetzt kann ich Dir doch wenigstens Rang und Reichtum bieten, wovon wir Beide uns nichts träumen ließen, als Du mir Deine Hand reichtest."
(Fortsetzung folgt.)
(Auch ein Kündigungsgrund.) Frau: „Denke nur, die Frau Sekretär im ersten Stock hoi schon wieder einen neuen Hut, während ich ... !" — Hausherr (brummend): „Nun ja, Du sollst auch einen haben,
. . . aber die Sekretärs müssen wir am Ersten hinaus!"
Druck und Verlag von Bernh. Hof mann in Wildbad (Verantwortlicher Redakteur: Bernh. Hofmann.)