Rundschau.

Wilddad. D-r eiste Advenr, dem wir uns mit raschen Schritten nähern, fällt Heuer auf den 1. Dezember. Mit dem 1. Advent beginnt auch die sog. geschlossene Zeit, welche bis zum 25. Dezember währt. In derselben ist das Tanzen an den Werktagen nur mit Genehmigung deS kgl. Oberamtes gestattet und zwar findet diese Bestimmung nicht nur Anwendung auf öffentliche, sondern auch auf solche Tanznnterhaltungcn, welche von ge­selligen Vereinen und geschloffenen Gesell» schäften in MirlschaftSräumen veranstaltet werden. Nach der bestehenden Praxis sind nur Tanzstunden, von Tanzlehrern abgehal- len, sofern sie über den bloßen Rahme» einer Tanzunterrichtserteilung nicht hinauögchen, auch in der geschlossenen Zeit von einer be­sonderen Erlaubnis nicht abhängig, während bei U beischreitung dieses Rahmens z. B. bei sog. verlängerten Tanzstunden bezirkspolizei­liche Genehmigung erforderlich ist.

Neuenbürg, 20. Nov. Der hierher neu­ernannte Dekan und Stadlpfarrer, bisherige zweite Stadlpfarrer Uh! von Nürtingen, ist heute zum Antritt ttiner Stelle hier ein- getroffen. Seitens der Stadt und des Filials wurde der neue Seelsorger durch die HH. Stadtpfarrverweser Loebich, Stadtschultheiß Stirn und einer Abordnung des Kirckenge- meinderats auf dem Bahnhof begrüßt und zur Stadt geleitet. Vor dem Dekanalhause hatten die übrigen Mitglieder des Kirchenge­meinderats und Mitglieder der bürgerlichen Kollegien, sowie die HH. Lehrer mit den Schülern Ausstellung genommen. Nach dem stimmungsvollen GesangEs kennt der Herr die Seinen" betrat der Hr. Dekan mit den genannten Kollegialmitgliedern das Haus.

Neuenbürg, 21. Nov. OberamtSdiener Weiß ist tnsolge eines Schlaganfalls un­erwartet rasch im Alter von 71 Jahren ver­schieden.

Stuttgart, 20. Nov. Zu der Gedenk­feier des Grenadier-Regiments Königin Olga am 30. Nov. werden nach einer uns vor­liegenden Bekanntmachung diejenigen Vete­ranen, welche ihre Teilnahme zugesagt haben, eingeladen, sich vormittags 10 Uhr auf dem Hof der großen Infanterie-Kaserne (Rolhe- bühlstraße) einzufinden. Die Feier umfaßt: Regimenisappell, Festessen, Aufführungen Verschiedener Art, abends kameradschaftliche Vereinigung der Offiziere, Veteranen und der aktiven Mannschaften.

Cannstatt, 19. Nov. Die hiesige Poli­zei beschält,gt derzeit die bis jetzt noch nicht gelungene Ermittelung einer Diebesbande, die in letzter Zeit verschiedene Diebstähle aus hies. Güierbahnhof begangen hat. An Güter­wagen wurden von den Dieben die Plomben entfernt und die vorhandenen Waren ver­schiedenster Art gestohlen.

Tübingen, 20. Nov. Se. Majestät der König hat den hiesigen Veteranen zu dem am Sonntag stattfinbenden Festessen anläß­lich der 25jährigen Feier der Erinnerung an die Gründung des deutschen Reichs, 2 Hirsche zum Mahle gesandt.

Calw, 19. Nov. Aus dem letzten Kampf im 7. Reichstagöwahlkreis ist als Neuheit zu vermelden, daß ein bekannter hiesiger demo­kratischer Agitator den Kandidaten der Volks­partei unseren Bauern da und dort in Photographie herumzeigte. Das Bildnis war aber doch nicht sobezaubernd schön", daß ks zum Sieg verhalf.

Echterdingen, 20. Nov. Ein Buben­streich erregte hier allgemeine Entrüstung. Als vor einigen Tagen die Tochter einer hiesigen geachteten Familie abends von einer Gesangsprobe nach Hause zurückkehrte, wurde sie nahe bei ihrer elterlichen Wohnung von einem Unbekannten überfallen und mit einer Flüssigkeit aus Teer und Mistjauche über­schüttet. Das Mädchen hat dadurch zwar keinen Schaden an der Gesundheit erlitten, wohl aber wurde ihre Kleidung vollständig vernichtet. Leider entkam der gemeine Atten­täter in der Dunkelheit unerkannt.

Göppingen, 21. Nov. Letzte Nackt wurde in dem Uhrenladen deS Uhrmachers Kepp ein großer Einbruchsdiebstahl v-rübt. Der Thäter schob d- n Rollladen in die Höhe und stieß mit einem Backstein die Glasscheibe ein. Er entnahm der Auslage Uhren und Kelten im Werte von etwa 25(j0 ^ Durch den Lärm wurde die Nachbarschaft mach, die noch sah, wie der Dieb im Dunkel verschwand. Bis jetzt ist es noch nicht gelungen, des­selben habhaft zu werden. Vor zwei Tagen ist in Schorndorf und gestern in Gmünd auf gleiche Weise eingebrockrn worden, so daß man es hier scheim's mit-iner orgarnisierten Diebesbande zu Ihun hat.

Urach, 20. Nov. Um die Stelle eines Ortsvorstehers in unserer Nachbargemcindc Dettingen b> warben sich fünf Kandidatin. Bei der gestern vorgenommenen Wahl erhielt Schullehrer Hauser von dort 276, Gemein­te,Pfleger Kirschbaum, der vor 8 Jahren mit Stimmenmehrheit gewählt worden war, aber zurücktrat, 203, Gerichtsvollzieher Wendel von hier 26 Stimmen.

Ulm, 18. Nov. Einem hiesigen Band-, Spitzen-, Seiden- und Posamenticrgeschäst, daS in Stuttgart eine Filiale hat, widerfuhr an einem der jüngsten schönen Nachmittage das Mißgeschick, daß die Steuerkommission ins Haus kam, um wegen Verdachts der Steuerhinterziehung die Bücher etwas in Augenschein zu nehmen. Urplötzlich, der Lade» war voll Kunden, wurde das Haus von hinten und vorn n von Steuerwächtcrn abqesperrt, und der Firmeninhaber hatte ge­rade noch Zeit, einem im Comptoir anwesen­den GcfchällSfrcund znzuslüftern:Tele­phoniere nach Stuttgart, sie sollen sich in Acht rühmen", als auch schon der Hr. Steuer- kommissar sich vorstellte und den Zweck seines Erscheinens erklärte. Der Geschäftsfreund durfte nach einigen Formalitäten mit den Kunden den Laden verlassen; er eilte sporn­streichs zur nächsten Tcttphonstelle, verlangte dringende Verbindung mit der Stuttgarter Band-, Spitzen-, Süden- und Posamentier- F-chiale und rief, als er Anschluß hatte, mit größtem Eifer hinein:Achtung! Aufpaffen I Ihr Schwager läßt Ihnen sagen, bei ihm sei soeben Haussuchung, Sie sollen die Sachen beiseitigen I" Wie erstaunte er aber, als er von Stuttgart die Worte vernahm:Danke schön, aber Sie kommen zu spät! Hier Stcuerkommiffar G., wir halten soeben auch in der hiesigen Filiale Haussuchung!" Der Nlmer Geschäftsfreund soll ein sehr langes Gesicht gemacht haben.

Ulm, 20. Nov. Gestern fiel der Bauer Johannes Steck von Raumingen am Stutt­garter Thor aus dem Bahuzug und wurde überfahren. Er starb nach einer Stunde. In seinem Besitz fanden sich 127 bar und zwei Sparkassenbüchlein. Das Elek­trizitätswerk gab gestern abend erstmals Licht

an seine Abonnenten, nachdem die Besichtig­ung der Anlagen durch die Ministerialver- trcter Baurat Schaal und Wagner zur voll­sten Zufriedenhkit ausgefallen war. Bis jetzt sind 96 Anschlüsse genommen mit 3300 Lampen und 10 Elektromotoren.

Speyer, 18. Nov. (Rettung durch ein vierjähriges Kind.) Ein zweijähriges Kind fiel in den stark angeschwollenen Speierbach. Als es auftauchtt, hatte ein chjähriges Brü­derchen das Glück, es von einer Vvrspring- cnden Waschküche aus am Aermel ftin.'S Kleidchens zu erhaschen. Mit großer An­strengung hielt nun der kleine Held das Brüderchen so lange fist, bis auf vereintes Hilferufen Nachbarleute den Kleinen dem nassen Element entreißen konnte».

Jever, 18. Nov. (Späte Reue.) Vor einigen Jahren wurde nächtlicherweile in un­serem Städtchen eine, die Synagoge umge­bende Mauer fast in ihrer ganzen Länge ge­waltsam eingeriffen. Man schrieb die Thal auf dos Kontojugendlicher Flegeleien" Trotz aller polizeilichen Nachforschungen war es nicht möglich die Th-ätcr zu ermitteln, ebenso erwies sich das Aussehen einer Geld­prämie als erfolglos. Was die Klugheit der Polizei nicht zu stände brachte oder gar der Zufall, das erzielteein gefoltertes und schwer belastetes G wissen." Jetzt, nachdem die Thal schon taugst der Vergessenheheit anhcimgefallen war, traf bei dem israelitischen Lehrer in Jever ein Brief ein, in welchem sich ein junger Geistlicher anklagl, dik That als Student einst verübt zu Hab.». Auch seine Mit­schuldigen giebt der Geistliche a», wovon einer bereits verstorben sei und der andere in Süd­amerika lebe und bittet schließlich um Ver­zeihung. Wenn die Reue auch etwas spät sich eingestellt hak, so ist doch der ManncS- mut, mit weichem der Pfarrer sein einstiges Unrecht wieder gulzumachen sucht, anzuer­kennen. Die erbelene Verzeihung ist ihm denn auck geworden.

Aus Genf w:rd abermals über eine Blutlhai berichtet. Ein im Kanton Waadt geborener Berner und eine Waadtländerin hatten sich im Juni d. I. geheiratet. Der Mann ergab sich dem Trünke und anderen Lastern, versetzie alles, was er in die Hände bekam, sogar den Eh ring, und mißhandelte seine Frau, so daß diese vor ihm flüchtete und sich scheiden lassen wollte. Der Mai,» iauerte ihr auf und schoß ihr eine Kugel in dl n Rücken, worauf er sich selbst durch zwei Schüsse de» Tod gab. Die Frau ist nicht lebensgefährlich verletzt und kann wieder her- gestellt werden.

Die Stadt Paris ist wieder um einen Angestellten reicher geworden, der Beschäftig­ung genug haben bürste. Gegen 4000 Frcs. Gehalt ve, pflichtet er sich, die Ratten aus dem Nathans und allen städtischen Gebäuden zu vertreiben, dabei keinerlei schädliche Stoffe anzuwenden. Der Mann wirb in etwa 500 Gebäuden feines Amtes walten müssen. In den Markthallen, Schlachthäusern u. Nieder­lagen Hansen unendliche Raltenschaaren, so daß leicht einige Zehntausend gefangen und vertilgt werden könnten. Da ein Rattenbalg einige Pfennige wert ist, kann der Ratten­fänger noch eitlen ansehnlichen Nebenverdienst hcrausschlagen; der Ralienbraten, des Ratten- pfeffers, der Rattenpastelen u. s. w. nicht z» gedenken, wie sie ja während der Pariser Belagerung gegessen wurden.