Rundschau.

Stuttgart, 3. Okr. Der Reichskanzler Fürst v. Hohenlohe-Schillingsfürst, der gestern nachmittag Besuche bei Prinz Herrmann zu Sachsen-Weimar und Herzog Wilhelm von Urach gemacht hatte, begab sich abends 6 Uhr nach Marienwahl, wo er von Sr. Mas. dem König und I. M. der Königin empfangen wurde. Darauf nahm der Fürst und seine Begleiter Teil am Diner, zu welchem die Minister, die preußische Gesandtschaft, die obersten Hofchargen geladen waren. Heute früh 7 Uhr 35 Min. hat sich der Fürst mit dem Nürnberger Schnellzug nach Schil- lingsfürst begeben, von wo dann die Reise nach Berlin erfolgt.

Stuttgart, 4. Okt. Das hiesige Hauptpostamt erläßt die wohl zu beachtende Mahnung, bei Briefen und Telegrammen an Firmen das WortHerr" wegzulassen und dafürAn die Firma" zu setzen. Briese und Telegramme mitHerr" können nicht befördert werden, sobald am Platze noch eine oder mehrere Personen sind, welche denselben Namen und Vornamen führen.

Stuttgart, 4. Okt. Dem Verneh­men nach ist die Intervention des Oberbür­germeisters Rümelin neuerdings angerufen worden, um den Gnttenbergverein doch noch zur Teilnahme an dem deutschen Sängerfest im nächsten Jahr zu veranlassen. Eine an­dere Frage ist, ob dieser Verein die Berech­tigung hat, im Falle seiner Nichtmitwirkung seine bereits früher gemachte Garantiezeichnung wieder zurückzuziehen. Heute erfolgte zum erstenmale die Abgabe von elektrischem Licht durch das Allg. Elektrizitätswerk im Häuser- viertcl der unteren Königsstraße. In Stutt­gart hat genau SO Jahre gedauert, bis als allgemeines Beleuchtungsmittel das Gas durch daS elektrische Licht ersetzt wurde. Am 26. Nov. d. I. sind es nämlich 50 Jahre, daß erstmals das Gas in Stuttgart leuchtete.

Stuttgart, 5. Okt. Der württ. Obstbauverein hat beschlossen, an die ärmeren Grundbesitzer in den geschädigten Oberämtern Balingen, Calw und Nagold 500600 hoch­stämmige Kcrnobstbäume kostenfrei abzugeben.

Stuttgart, 6. Okt. Dem heutigen Gottesdienste zu Ehren des GebnrtssesteS I. M. der Königin wohnten in der Schloß­kirche, wo Prälat von Schmid die Festpredigt über Psalm 25,45 hielt, I. K. Hoheit Prin­zessin Katharine, ferner Prinz Weimar mit Prinzessin Olga Maria und Prinz Bernhard, die Minister von Sarvey, v. Rucke und v. Pischek, Kammerpräsident Paper, die Hof­staaten und höhere Beamten an. In der St. Eberhardskirche, wo ein Hofamt mit Tcdeum zelebriert wurde, hatten sich der Her­zog und die Herzogin v. Urach, sowie ver­schiedene Abgeordnete eingesunden. In der Garnisonskirche war die gesamte Generalität anwesend.

Kathreiners Malzkaffee auf dem Cann- statter Volksfest. Ein unternehmungslustiger Wirt, Herr Süßkind-Werner aus Stuttgart hat eS riskiert, und auf dem Volksfest eine Kaffee-Halle errichtet, in welcher er einem aus halb Bohnen und halb Kathreiners Malz­kaffe? pro Tasse mit Gebäck zu 20 Pf. ver­abreichte. DaS Getränk mundete vorzüglich und war in der Halle zumeist kein Platz zu bekommen. Gegen 10 000 Taffen Kaffee wurden getrunken, ein Beweis für die Be­liebtheit des Kalhreinerschen Malzkaffees. Reutlingen, 2. Okt. Der Schw. KrSz.

zufolge hat eine über reichliche Mittel ver­fügende Gesellschaft dicht bei Eningen in der Richtung nach Reutlingen einen großen Güter- kowplex zur Errichtung einer Baumwoll- weberei erworben. Die Fabrikanlage soll bis kommenden Sommer so weit gediehen sein, daß vorläufig 400 Webstühle aufgestellt wer­ten können. Der Stadtschultheiß von Münsingen hat im Gewerbeverein erklärt, daß nach den mit der Militärverwaltung ge­pflogenen Verhandlungen die Weiterführung der Bahn zum Anschluß an die Donauthal­bahn, und zwar in Schelklingen in Bälde zu erhoffe» sei.

Reutlingen, 5. Okt. Die landwirtschaft­liche Winlerjchule Reutlingen beginnt im näch­sten Monat ihren 26. Kursus, welcher bis Ende März oder Anfang April dauert. Diese Schule ist zur theoretischen und praktischen Ausbildung angehender Landwirte vorzüglich geeignet und es verdanken ihr viele hervor­ragende Männer ihre Lebensstellung. Der Lehrplan ist auf zwei Winter berechnet; doch bietet auch schon der I. Kursus ein abge­rundetes Ganzes. Anmeldungen nimmt jetzt schon der Vorstand dieser Anstalt entgegen, von welchem auch die das Nähere enthalten­den Prospekte bezogen werden können.

Nördlingen, 2. Okt. In einer der letz­ten Julinächte wurden an dem um die dies. Stadt führenden Spazierweg mehrere Laternen zertrümmert und etwa 15 Stück junge Obst- bäumr mutwillig abgebrochen. Als Thäter wurden erst jetzt ein Eisenbahnadjunkt und 2 Bahnafpiranicn ermittelt. DaS Schöffen­gericht hier verurteilte 2 dieser Helden zu je 400 Mark und den dritten zu 50 Mark nebst Tragung sämtlicher Kosten. Eine ent­sprechende Disziplinarstrafe von Seiten der Vorgesetzten Behörde wird Nachfolgen.

Unterbalbach (Baden), 4. Oft. Gestern ereignete sich hier ein gräßliches Unglück. Der 45 Jahre alte Waldhüter Josef Knapp half beim Dreschen mit der Dampfdresch­maschine mit. Schon war das eigentliche Dreschen vorüber, die Maschine war nicht mehr in vollem Gange, da wollte Knapp von der Bühne aus über die Maschine hin­unter steigen; er trat auf die mit Zinnblech belegte Einlegelade, glitt infolge seiner mit Nägel beschlagenen Schuhe auf dem Blech aus und brachte den Fuß in die Trommel, ein Gedanke und derselbe war bis zu den Knöcheln zerfleischt und zermalmt. Der Un­glücklicke halte soviel Geistesgegenwart, ehe Hilfe kam, sich aus dieser schmerzlichen Lage zu befreien; wäre die Maschine noch in vollem Gange gewesen, Knapp würde nicht mehr unter den Lebenden weilen. Die her- beigeholten Aerzte konnten keinen besseren Rat geben, als unverzüglich den schauderhaft zu­gerichteten Fuß bis zum Knöchel abnchmen zu lassen.

Berlin, 3. Okt. (Ueber den einjährigen Militärdienst der Volksschullchrer) wird noch gemeldet, daß die Lehrer gemeinsam mit den Einjährig-Freiwilligen ausgedildet werden, aber, sofern sie nicht im Stande sind, die Kosten ihrer Dienstzeit selbst zu tragen, in der Kaserne ihres Regiments wohnen werden, von dem sie auch sonst dieselben Kompetenzen beziehen, wie die zweijährigen Mannschaften. In den Kasernen werden sie jedoch besondere Stuben erhalten, sodaß sie in dieser Hinsicht eine Ausnahmestellung einnehmen.

Ein junges Schwcinchcn mit sechs

Beinen und vier Ohren wird jetzt in ver­

schiedenen Restaurants im Norden der Stadt Berlin gezeigt. Der Besitzer zieht mit seinem Wunder der Tierwelt", das er in einem sauber gearbeiteten Käfig vorführt, von einem Lokal zum andern und läßt sich vo» jedem Gast, der das seltsame Borstentier betrachten will, ein Zchnpsennigstück bezahlen. Wenn das muntere Tierchen am Leben bleibt, kann cs seinem Besitzer ein ganz anständiges Sümm­chen einbringen, und man wird bald von ihm sagen können, daß er wirklichSchwein" ge­habt hat.

Potsdam, 2. Okt. (Ein Student als Dieb.) In der Nacht zum Mittwoch wurde dahier ein Student der Medizin als Einbrecher festgenommen. stellte sich heraus, daß der Mann unter seinem Mantel einen wert­vollen Teppich und verschiedene andere Sachen, die er in der Wohnung des Lieutenants im Regiment der Gardes du Corps, Grafen v. d. Schulenburq, gestohlen bei sich trug. Er hatte die Wohnung, deren Inhaber verreist ist, mit einem Nachschlüssel geöffnet- Der Dieb ist der in Berlin im siebenten Semester studierende, aus Pommern gebürtig? Student der Medizin St. Er ist ein Krüppel und hat einen Holzarm, sodaß es äußerst gewagt von ihm war, auf Diebeszüge auszugehen. Er will aus Geldverlegenheit den Diebstahl begangen haben.

Noch nie dagewesen. In Augsburg ereignete sich der seltene Fall, daß ein Sol­dat sich das Leben nahm, weil seine Dienst­zeit beendet war.Mir geht es herinnen viel besser, als draußen," sagte der Unglück­liche und wollte durchaus nicht fort, als er nach zweijähriger Dienstzeit er stand beim dortigen 4. Chcvauxlegers-Regiment in die Heimat beurlaubt werden sollte. Er war auch nicht etwa durch die Entlassung vor ein erwerbsloses Leben gestellt, da ihn sein früherer Dienstherr bereits erwartete. Den Abschied vom Soldatenleben nahm er sich so zu Her­zen, daß er sich im Stalle erhängte.

Darmstadt, 7. Oktbr. Freiherr Schenk von Schmitlburg ist hochbetagi gestorben.

Brüssel, 7. Oktbr. Gestern abend fuhr zwischen Havre und Oltigires eine Lokomo­tive in einen vollbesetzten Personenzug. Zehn Personen waren sofort tot, vierzig weitere wurden verwundet, darunter mehrere schwer. Hilfe ist von allen Seiten eingetroffen.

Brixen i. Tirol, 1. Okt. Ein heiteres Geschichlchen wird aus einem größeren Dorfe der Nachbarschaft gemeldet: Bei der herrschen­den großen Trockenheit haben die Bauern wie in Fällen großer Not üblich, Bittgänge veranstaltet, und siehe da, der Himmel schien wirklich ein Einsehen zu haben, denn bald darauf ballten sich pechschwarze Wolken zu­sammen und zogen langsam in der Richtung nach dem Dorfe hin. Jetzt bekamen die Bauern Angst, es könnte ein schweres Gewitter geben, womöglich gar Hagel. Schnell wurden die Wetlerglocken geläutet, welche die Gläubigen mahnten, um Abwendung des Gewitters zu beten, und richtig verzogen sich die Wolken, ohne auch nur einen Regentropfen fallen zu lassen.

In Saybusch (Galizien) hat eine an religiösem Wahnsinn leidende junge Fabrik­arbeiterin, nachdem sie eine Wallfahrt zur Wunderkapelle in Szlzyk unternommen hatte, auf offenem Felde ihre Kleider und Haare mit Petroleum getränkt und in Brand ge­steckt. Sie starb ohne Schmerzensschrei.