Die Tochter des Meeres.
Roman von A. Nicola.
(Nachdruck verboten.)
57.
XXXIII.
Graf Treville blieb seinem Worte treu. Alles was er angeordnet wurde so genau beachtet wie in einem Kloster. Doch war eine Veränderung mit ihm vorgegangen. Alle seine Diener sahen es und einige der älteren und bevorzugteren sprachen unter einander davon oder zeigten es durch Zeichen, Worte und Blicke, die vielleicht eine doppelte Bedeutung hatten. Und unter diesen war der kühnste und doch auch der vorsichtigste der alte Diener des Grafen, der ihn in früheren Jahren auf seinen Reisen begleitet hatte. Dieser Diener Namens Ponsford war wohl einer der wenigen seiner Glosse, die sich so lange uno ununterbrochen des Grafen Gunst erfreuten. Er war schweigsam, zurückhaltend und, wie die Erfahrung lehrte, seinem Herrn in allen Lagen treu und ergeben.
Einige Wochen nach der Ankunft der beiden Damen war er eben dabei die Toilette seines Herrn für das Mittagessen zurecht zu legen, als der Graf so Plötzlich und doch so geräuschlos eintrat, daß der Diener heftig er- schrack.
„Was ist Ihnen, Ponsford? Man sollte meinen, Sie hätten ein Geheimnis zu verbergen," bemerkte Graf Treville mit einem Lächeln, das man nur selten auf seinem strengen Gesichte sah.
„Vielleicht ist es auch wirklich so, Mylord, und ich werde es so lange als möglich verbergen," lautete die bedeutungsvolle Antwort, welche die Heiterkeit von des Grafen Antlitz bannte.
„Ich kenne Ihre Treue recht gut, Ponsford," erwiderte der Graf, indem er sich auf seinen gewöhnlichen Platz setzte, „und Sie wissen ebensogut, daß ich sie zu schätzen weiß, denn Sie sind das einzige menschliche Wesen, das mein Vertrauen hat, und das ohne eigennützige Gründe Interesse an mir nimmt."
„Sie haben Recht, gnädiger Herr," erwiderte der alle Diener treuherzig, „doch wenn Miß Netta Sie liebgewönne, könnte sie Ihnen ein Trost, könnte sie wie eine Tochter zu Ihnen sein."
„Nie I Ich glaube, wenn sie vernünftiger erzogen worden wäre, hätte sie vielleicht ihr eigenes Interesse besser wahrgenomme». Doch so ist sie hart wie ein Kieselstein und flatterhaft wie eine Feder. Sie kann mir stets nur ein Aergernis sein, bis irgend ein um glücklicher Thor, von ihrer Schönheit und ihrem Reichtum geblendet, sie heiratet. Doch, Ponsford," fuhr er fort, „ich würde die Hälfte meines Vermögens für ein Kind hingeben, wenn ich ein solches besitzen könnte. Durch Netta's Hiersein ha! sich das ruhelose Sehnen vergrößert, daß es mich noch tausend Mal mehr nach Liebe und Gesellschaft Verlangt."
„Es ist schade, jammerschade!" sagte der Diener nachdenklich.
„Was ist schade, Ponsford?"
„Daß der gnädige Herr keinen Sohn hat," lautete die Antwort.
„Einen Sohn I Ich würde mit viel weniger zufrieden sein: Ich würde mir größter Liebe an einer Tochter hängen, wenn mir dieses Glück zu Teil geworden wäre. Ponsford,
während ich Anderen kalt, hart und gefühllos erscheine, quält sich mein Herz mit der Erinnerung an die Vergangenheit."
„DaS ist nutzlos, Mylord. Genießen Sie lieber die Gegenwart nach besten Kräften," lautete die Antwort. „Es ist unmöglich, die Vergangenheit zurückzurufen, und auch wenn Das möglich wäre, würden Sie es vielleicht bereuen."
„Ponsford, es ist nicht unmöglich I Warum sollte ich nicht die Verbannte wiederfinden und meinen Fehler wieder gut machen können?"
Ponsford sah seinen Herrn an, als fürchte er, derselbe habe den Verstand verloren und sagte dann leise:
„Der gnädige Herr vergißt gewiß, daß sie . . . ich meine . . . Sie wissen, daß Ihnen nicht nur ihr Tod angezeigt wurde, sondern Sie sind auch im Besitze ihres Totenscheins. Sie können doch nicht an der Echtheit dieses Documcntes zweifeln?"
„Nein, nein," versetzte der Graf. „Doch es war ein Kind vorhanden . . . Das können Sie doch nicht bezweifeln, Ponsford . . . obwohl ich nichts Näheres weiß. Ich weiß gar nicht, ob es ein Knabe oder Mädchen war, und was später aus ihm wurde . . . Ponsford," fuhr er in leisem, erregiem Tone fort, „ich habe ein nicht zu unterdrückendes Verlangen, mehr darüber zu erfahren. Können und wollen Sie es übernehme», darnach zu forschen?" Es würde nur Ihre treuen Dienste vervollständigen."
Der Diener blickte ihn bestürzt an.
„Sie sprechen doch nicht im Ernste, Mylord ?" sagte er ungläubig. „Das wäre doch entschieden ein wahnsinniger Versuch I"
„Und warum?" fragte der Graf mehr im Tone eines Bittenden als eines Befehlenden.
„Aus den verschiedensten Gründen, Mylord. Bedenken Sie erstens den Scandal, den es verursachen müßte, wenn es bekannt würde, was doch unvermeidlich wäre. Und dann würde es Ihnen auch wenig Trost gewähren, wenn Sie des Kindes Legitimität nicht beweisen können. Mylord," fuhr er mit fester Stimme fort, „lassen Sie sich raten. Um des Kinde» selbst willen möchte ich Sie bitten, eine solche Idee aufzugeben. Sie würden nur Kummer verursachen, wo jetzt vielleicht Glück und Zufriedenheit herrscht."
Der Graf überlegte einige Augenblicke.
„Nein, Ponsford, nein l" sagte er dann. „Sie irren! Wenn das arme Kind lebt, kann ich das Unrecht, das ich ihm zugefügt habe, wieder einigermaßen gut machen. Ich habe keine Ruhe, bis ich es wenigstens versucht habe. Und wenn Sie den Auftrag nicht übernehmen wollen, so werde ich selbst gehen. Ich werde krank, wenn ich noch länger diese ruhelosen Nächte und diese Tage voll bangen SehnenS durchwachen soll. Wollen Sie mir die letzte Bitte abschlagen, die ich vielleicht an Sie richte ? Ja, die Bitte," fuhr er fort, „denn wenn wir auch Herr und Diener sind, so giebt es doch Dienste, die sich durch kein Geld erkaufen lassen. Treue und Pflicht lassen sich nicht bezahlen."
„Es ist gegen meine Ansicht, Mylord, aber wenn Sie dazu entschlossen sind, habe ich nichts weiter zu sagen. Selbst gehen sollen Sie nicht, so lange James Ponsford die Kraft hat, dem Auftrag zu folgen. Aber erst sagen Sie mir, was ich thun soll um zum Ziele zu kommen.
„Ich werte Ihnen vertrauen, wie Sie es verdienen," versetzte der Graf. „Sie wissen, daß die unglückliche Bianca einer Frau Namens Falkner anvertraut wurde, die damals im südlichen Frankreich lebte, sich aber später auf meinen Wunsch in Deutschland niederließ. Ich glaube, daß Bianca starb, bevor Frau Falkner dort ankam, daß aber das Kind lebend geboren wurde ... so viel wurde mir wenigstens mitgeteilt, um, wie ich glaube, sich der Summe zu versichern, die ich für die Erziehung des Kindes versprochen hatte."
„Und der Herr Graf haben sich nicht versichert, ob es ein Knabe oder ein Mädchen war?"
„Nein I Ich wollte es gar nicht wissen, weil ich damals vor Schmerz und Unglück halb wahnsinnig war, denn mein strenger Vater hatte erklärt, daß er meine unebenbürtige Ehe, die ich heimlich in Frankreich mit Bianca geschlossen, nie anerkennen und mich enterben und seinem zweiten Sohne die Grafschaft zufallen würde, wen ich die die Ehe mit Bianca nicht lösen würden."
„Ja, es war ein entsetzliches Unglück," bemerkte leise der alte Diener und wischte sich eine Thräne aus den Augen, „denn das Herz der armen Bianca brach, als sie von des selige» Grafen Fluch und Enterbung des erstgeborenen Sohnes hörte, wenn dieser seine Ehe mit ihr nicht löse."
„Und ich Unglückseliger, ich hatte nicht den Mut, auf Reichtum und hohen Titel zu verzichten und verließ Bianca, die doch meine Frau war."
(Fortsetzung folgt.)
Verschiedenes.
— Zittern der Glieder. Wermutsaft mit Oel vermischt, die zitternden Glieder damit cingerieben, hauptsächlich an den Stellen, an welchen Sehnen liegen. Trinke täglich 6 Liter Wasser frisch vom Brunnen, darauf mache Bewegung im Freien, sowie Enthaltung von allem Bier, Wein, Branntwein u. s. w.
— Gegen das übermäßige Schwitzen der Hände. Man kann das übermäßige Schwitzen der Hände dadurch vermeiden, wenn man morgens und abends einen Kaffeelöffel voll Seifenspiritus zwischen den Händen verreibt und über Nacht lederne Handschuhe trägt, die innen mit gepulvertem Talg bestreut sind.
.-. Ordogravieh. Eine „Soldatenbraut", die sich mit Würde ins Unvermeidliche zu fügen weiß, ist Fräulein Minna F., Küchenfee in Danzig, die an ihren nach Lauenburg entlassenen 128er folgenden wörtlich abgedruckten Brief gesandt hat:
„Libe Frans I Ich will nur dich mid- eilen, das is nuscht mer. Weil du entlassen wirscht mihr untre! un blos doch zu Nähren gemacht sacht mein Herren seinem Frau. Und darum bin üch zu schot als immerwesende Junkfrau. Und ich Hab mich gantz annre Schads angeschafft uns is vil großer als du und gewest Huntrowflhr und du nich mal kein Gefreit! Darum is aus brauchS nich zu weinen ich auch nicht. Adche besten Gruß. Meine Fohtgrawü schmieß wech!
Minna."
(Uebles Befinden ) Herr: „Was macht denn Ihr Mann, meine Gnädige?" — Dame: „Was ich will!"
Druck und Verlag von Beruh. Hvsmann in Wildbad. (Verantwortlicher Redakteur: Beruh. Hosmann.)