Rundschau.

Stuttgart, 15. Juli. Gutem Vernehmen nach werden die Kgl. Majestäten ihre» Auf­enthalt in Schloß Betzenhausen noch dis an­fangs August auStehnen. Alsdann werden sie den HoLzeitsflieriichkeiten in Nachod, der Vermählung des Fürsten zu WaldeckPhrmoiit mit Prinzessin Bathildis von Schaumburg- Lippe, der Schwester der Königin Charlotte, beiwohnen. Später begibt sich das KönigS- paar zum Besuche der Prinzessin Katharina nach Schloß Seefeld bei Rorschach, worauf dann das K. Hoflager nach Marienwabl ver­legt wird. Dieser Tage feierte der Neichs- und Landtagsabgeordnele Fleth, von Gült- lingcn seine silberne Hochzeit auf Schloß Berneck, wozu ihm auch von allerhöchster Seite gratuliert wurde.

Reutlingen, 15. Juli. Ein frecher Ein­bruch wurde letzte Nacht in einer hiesigen Wirtschaft verübt. Der Dieb, ein hiesiger Säger, drückte ein Fenster der Wirtsstube ein und durchsuchte dieselbe nach Geld, welches er dort vermutete; da letzteres aber von der Besitzerin in Sicherheit gebracht worden war, machte sich der Dieb an die vorhandenen Speisen und Weinvorräte. Hiebei scheint er jedoch des Guten zuviel gethan zu haben, denn er wurde heute früh 7 Uhr bei brenn­endem Licht schlafend von den Hausbewohnern angetroffcn und von diesen sofort der Poliz-i üvcrgeben. Den zur Mitnahme bestimmten Vorrat von Cigarren und Nahrungsmitteln hatte er neben sich auf dem Tische liegen.

Göppingen, 16. Juli. Der zehnjährige Sohn des Briefträgers Karle ist gestern vor­mittag beim Baden in der Fils ertrunken.

Munderkingen, 16. Juli. Das hierzu errichtende Denkmal für den verst. Staats­minister v. Schmid soll am 18. August ent­hüllt werden.

Balingen, 16. Juli. Von unser« Lands­leuten in Amerika sind für die Ueberschwemm- ten über 20 000 ^ bei dem Newyorker Untcrstützungskomite eingegangen. Unter den Spenden staden sich viele bekannte schwäbische Namen. Von einzelnen der Wohlthäter sind bis zu 25 Dollar, also über 100 ge­spendet worden.

Ulm, 16. Juli. Zur Erinnerung an die Mobilmachung vor 25 Jahren rückten heule früh sämtliche Truppcnzüge auf das Lerchenfeld, die Fahnen und 1 Geschütze mit Eichenlaub bekränzt. Der Divisionskomman­deur Generallieutenant v. Pfaff hielt eine schwungvolle Ansprache an die versammelten Truppen.

Für alle diejenigen, welche durch un- erbetene Zusendung von Waren belästigt wer­den, ist folgender Fall von Interesse: Ein Kaufmann A. machte einem Herrn in einer auswärtigen Stadt ein Angebot von Waren Mit dem Bemerken, daß die Ware obgcschickt würde, wenn in 8 Tagen keine ablehnende Antwort einginge. Der Adressat ließ die Postkarte unbeachtet und erhielt dann wirklich das Paket unter Nachnahme. Als die Ein­lösung verweigert wurde, drohte der Absender mit seinem Rechtsanwalt und damit, daß er­hebliche Kosten entstehen würden. Die Mahn­ung wurde der Staatsanwaltschaft angezeigt und diese eihob Klage wegen Erpressung Das Gericht verurteilte den Kaufmann A. zu 10 Tagen Gefängnis. Das Reichsgericht hat die Revision des Verurteilten verworfen.

Karlsruhe, 16. Juli. Das Opfer eines unglaublich dummen Streichs wurde ein

18jähr. Bursche in Dossenbach. Er ging von Hause fort mit dem Einfall, etwa ihm begegnende Leute, alsFeucrmann" zu er­schrecken. Zu diesem Zweck zog er sich zer­lumpte Kleider, welcher er einer auf dem Felde ausgestellten Vogelscheuche entnahm, an, übergoß sie mit Petroleum, das er in einer Flasche mitgenommen und steckte sie dann in Brand. Wie lange cs dieser Feuermensch in seiner Rolle ausgehalten, hat er nicht er­zählt. Nachher zog er seine Kleider wieder au und kam, am ganzen Körper verbrannt, wieder zu Hause an. Anfänglich stellte er sich als Opfer eines Bubenstreichs hin, ge­stand aber nachträglich seinen Streich vom Feuermann ein. Er ist am ganzen Körper derart verbrannt, daß sein Tod stündlich er­folgen kann.

Aus Berlin berichtet das dortige Frem­denblatt : Mit dem Leichnam seines verhunger­ten Kindes ging ein 35jähriger Arbeiter bet­teln. Er wollte seinem armen Liebling die letzte Ehre erweisen, doch auch der Tod ist nicht umsonst. Ein Sarg, ein Totenanzug kostet Gelb. Uud da der Äermste kein Geld hatte, so suchte er einige Groschen zusammen­zufechten. Wer seinen Angaben nicht traute, dem konnte er ein Bündel zeigen, in dem die Leiche eines zweijährigen Mädchens lag. Leute, die sich erinnerten, daß das Betteln eine straf­bare Sache in einem geordneten Staatswesen sei, übergaben den Aermsten einem Schutz mann. Seine Angaben beruhten nach poli­zeilichen Ermittelungen auf völliger Wahrheit.

Fürstlich speisen will einmal der Zimmermeister F. vom Kottbuser Ufer 33 m Berlin, weil er ein gutes Geschäft ge­macht hat. Der Zimmermeister hat an die Stadt Berlin ein Grundstück für 1 250 000 Mark verkauft und aus diesem Anlaß den Hoflieferanten Borchardt beauftragt, ihm für eine kleine Gesellschaft ein Festmahl herzu­richten, dessen Speisenfolge genau dieselbe ist, wie die bei der kaiserlichen Tafel in Holtenau. Das Gedeck kostet nicht weniger als 100^

Straßburg i. E. Im rechten Seiten­flügel der Haupthalle unserer Industrie-und Gewerbe-Ausstellung befindet sich eine zwar räumlich nur kleine aber desto sehenswertere Ausstellung von F. Todt in Pforzheim, Be­sonders Damen, Jäger und Jagdfreunde werden sich für diese Ausstellung interessieren, die reizend schöne Schmuckgegenstände dar­bietet, bei denen statt Perlen und Diaman­ten, Jagdtrophäen, in erster Linie Hirsch­haken, auch Grandeln genannt, dann Reiß­zähne von Raubzeug u. s. w. zur Verwend­ung gekommen sind. Man kann nichts Zier­licheres sehen, wie z. B. die ausgestellten Broschen von Armbänder, bei denen zwischen dem gold. Eichenlaub die Hirschhaken an Stelle der Eicheln eingesetzt sind.

Straßburg i. E. Letzten Sonntag, brachte ein von Stuttgart kommender Sonderzug 500 Besucher unserer Industrie- und Ge­werbe-Ausstellung. Es waren dies Mit­glieder der verschiedenen württembergischen Gewerbevereine, von denen der Stuttgarter das größte Kontingent mit 350 Teilnehmern beigestellt hatte. Der Sonntag war zum Teil dem Besuch der Stadt und ihrer Sehens­würdigkeiten besonders des Kaiserpalastes, des Münsters u. s. w. gewidmet; durch die Aus­stellung wurde nur ein vorläufig orientieren­der Rundgang unternommen, und zwar unter Führung des Vorsitzenden des hiesigen Ge- werbevereinS, Professor Dr. Schricker. Auch

der Vorsitzende des GeschäftSlcitenden Aus­schusses der Ausstellung, Bürgermeister Back widmete sich den Gästen- Montag fand die eing-hende Besichtigung der Ausstellung statt, und DienStag unternahm ein Teil der Herren einen Ausflug nach dem in der herrlichen Gegend der Vogesen liegenden, Schirmeck zum Besuch der dortigen velschiedeuartigen indu­striellen Etablissements und der interessanten Waldeisenbahn.

Ueber das große Brandunglück in Brotterode (Reg.-Bez. Kassel) wird der Fr. Ztg. noch geschrieben: Das Brandunglück dürfte zu den größten gehören, die wir in Deutschland in den letzten Jahrzehnten zu ver­zeichnen haben. Brotterode hatte 411 Häuser, die bis auf etwa 80 gänzlich niedergebrannl sind. Unter den ersten abgebrannten Ge­bäuden befanden sich die Post, welche im Jahre 1885 schon einmal nudergebrannt war, das Amtsgerichtsgebäude, das Pfarrhaus und die Kirche. Mit dem Amtsgericht sind sämt­liche Akten, Grundbücher und Hypotheken, die in einem Gewölbe aufbewahrt waren, verloren gegangen. In der Kirche sind die Standesamtsregister und Kirchenbücher ein Raub der Flammen geworden. DaS Feuer griff so rapid um sich, daß die Rettungs­mannschaften ihre Spritzen verlassen mußten, von denen fünf bis auf die eisernen Bestand­teile verbrannt sind. An die Rettung von Mobiliar konnte überhaupt nicht gedacht wer­den. Der Ort hatte eine langgestreckte Haupt­straße, an der die große Mehrzahl der vor­handenen Häuser lag. Von der ganzen Straße steht nur noch ein kleiner Ausläufer am un­teren Ende des Ortes; alles übrige ist in einen einzigen großen Trümmerhaufen ver­wandelt worden. Etwa zehn Geldschränke, die mitten im Schutt liegen, bezeichnen dte Stellen, wo vorher die größeren Geschäfts­häuser standen. Das sofort zusammenge­tretene HilfSkomite hat einen Aufruf erlassen.

Stellung für junge Landwirte ohne Vermögen ! Es ist eine bekannte Thalsache, daß der Betrieb der Landwirtschaft, wenn derselbe einigermaßen rentieren soll, ein er­hebliches Capital erfordert. Bei zu geringen Mitteln ist meistens trotz allen Fleißes, aller Strebsamkeit nichts zu erreichen und geht das kleine dabei verwandte Vermögen häufig auch noch verloren. So bleibt dann unbemittel­ten jüngeren Landwirten in der Regel nur übrig, entweder eine untergeordnete Stellung bei Verwandten rc. zu übernehmen oder als Verwalter ihren Unterhalt zu suchen. Aber auch zu diesem Posten findet ein derartiger Andrang statt, daß besser bezahlte Stellen zu den Seltenheiten gehören und heute viele Hunderte von Verwaltern und Jnspectoren stellenlos sind. Da möchten wir die Auf­merksamkeit der jungen Landwirte auf die Carriöre eines landwirtschaftlichen Rechnungs­führers und AmtSsecretärs lenken, die heute noch die besten Aussichten zu einem guten Fortkommen darbietet. Weil viele Oecono- men eine große Abneigung gegen Bureau- Arbeiten haben, so sind derartige Stellungen stets vacant. Außerdem ist in Folge des neuen Einkommensteuergesetzes, sowie der neueren socialen Gesetzgebung, jetzt fast jeder größere Besitzer genötigt, sich einen Rech- nungsbeamten und Sccretär zu halten. Die Stellungen sind zum größten angenehm und mit einem hinreichenden Einkommen versehen. Besondere Vorkenntnisse, außer denen einer guten Elementarschule, sind nicht erforderlich.