Die Tochter des Meeres.

Roma» von A. Nicola.

(Nachdruck verboten.)

22 .

Selbst Lord Marston, so sehr er auch an die Launen seiner excentrischen Tochter gewöhnt war, konnte sich über ihre außer­ordentliche Ruhe bei einem so aufregenden Ereignis, wie die Werbung eines Herzogs uud seine eigene Mißbilligung waren, eines halb bewundernden, halb zornigen Staunens Nicht erwehren.

Wirklich, Marian," Hub er an,ich ..."

Aber Marian's Zug an der Klingel wurde so eiligst gehorcht, daß der Satz un­vollendet blieb, und des Dieners Erscheinen hinderte den Lord an ferneren Restexionen.

Tomkins klirrte mit dem Porzellan, ließ einen silbernen Präsentierteller fallen und stieß mehrmals mit solcher Heftigkeit an des Lord Stuhl, daß dieser eS nicht länger er­tragen konnte.

So seien Sie doch etwas vorsichtiger, Tomkins," verwies er ihn.Sie wissen, daß ich kein Geräusch in meiner Gegenwart dulde."

Ja, Mylord, es thut mir leid," sagte der Diener in wenig bescheidenem Tone. Mich haben wohl die traurigen Nachrichten, die der Postbote brachte, etwas aus der Fass­ung gebracht."

Der Graf war zu stolz, um sogar nach einer solche» Herausforderung zu fragen, und Tomkins mußte schon aus freien Stücken etwas mehr berichten-

Haben Mytord gehört, daß Lord Farv und der junge Belfort ein Duell mit ein­ander gehabt habe» und daß Lord Faro dem Tode verfallen ist?" Hub er nach einer Paust wieder an.

Das ist thörichtes Geschwätz I" sagte der Lord.Was in aller Well könnte eine so unwahrscheinliche Katastrophe herbeigeführt haben?"

Bitte um Entschuldigung, Mylord, aber eS ist nur zu wahr," erklärte der Diener. Es waren zwei Aeizte in der Villa Faro, und man scheint wenig Hoffnung zu haben. Es waren auf den Schuß zwei Wildhüter herbeigeeilt, aber sie sind doch zu spät ge­kommen. Lord Faro lag auf der Erde, und ein junger Arzt, w>e eS scheint der Einzige, der bei dem Duell zugegen gewesen, war um ihn beschäftigt. Wo Lord Belfort hin ist, weiß Niemand. Er wird wohl geflohen sein, doch wenn man ihn bekommt und Lord Faro stirbt, wird er als Mörder verurteilt."

Lady Marian Halle still und regungslos zugehörl, aver sic war halb bewußtlos auf einen Sessel dicht am Fenster nüdergefunken.

Und waö giebt man als Grund der Thal an, da Sie so viel zu wissen scheinen, TomkinS?" fragte der Lord, der in der Auf­regung seine Würde zu vergessen schien,

Tomkins zögerte ein wenig.

Nun, Mytord, man sagt, die junge Per­son, die Loro Faro ins HauS gebracht hat, sei an dem Allem schuld. Ich glaube, Lord Faro war eilersüchlig auf den jungen Lord."

Da vernahm man einen schweren Seuf­zer, das Rauschen eiius Kleides und Lady Marian saut bewußtlos zu Boden.

Der Lord saß bei diesem ungewohnten Schauspiel starr und regungslos da.

Aber Tomkins sprang rasch hinzu, hob

Lady Marian ans und legte sie auf das Sopha.

Es ist nur eine Ohnmacht, Mylord!" sagte er tröstend.Mylady wird bald wie­der zu sich kommen. Die Sonne wird ihr zu sehr ins Gesicht geschienen haben."

Und ohne weitere Befehle abzuwarten, rief Tomkins Marian's Jungfer und die Haushälterin herbei . . .

Jetzt geht es Ihnen ja schon wieder besser, Mylady," sagte Frau Aston schmeich­elnd, als Marian nach kurzer Zeit die Au­gen wieder aufschlug.Bleiben Sie noch eine kleine Weile ruhig liegen . . . oder wollen Sie sich lieber in ihrem Zimmer ein wenig hinlegen?"

Lady Marian fuhr sich mit der Hand über die Augen und schaute verwirrt um sich. Ader als sie ihres Vaters strengem, beküm­mertem Blick begegnete, und Tomkins noch in der halboffenen Thür stehen sah, kehrte die ganze Scene wieder in ihr Gedächtniß zurück, und schaudernd bedeckte sie ihr Ge­sicht mit den Händen.

Ja, ich will gehen I" sagte sie dann langsam.Aston, Sie können mich begleiten. In einer halben Stunde wird mir wieder wohl sein. Papa, Du brauchst Dich nicht zu ängstigen," fügte sie mit erzwungener Ruhe hinzu.Der Sonnenschein ist schuld daran j. . . ich hatte schon heute morgen, als ich aufstand, Kopfschmerzen."

Der Lord blickte erleichtet auf.

Es wird wohl so sein I" sagte er mit zustimmendem Nicken, Tomkins hat dieselbe Idee gehabt ... die Sonne hat .Dir zu heiß auf den Kopf gebrannt."

XII.

Kaum lag Lady Mariam mit Hilfe der mütterlichen Fürsorge ihrer treuen alten Haushälterin in ihrem Toilcttenzimmer aus dem Sopha, so sprang sie auch schon wieder mit einer Kraft auf, der man nichts von Krankheit anmerkle, empor.

Aston, liebste Aston, kommen Sie her I" rief sie erregt.Hierher, ganz dicht zu mir I Sitzen Sie sich auf diesen Stuhl, und er­zählen Sie mir die traurige Geschichte, auf welche Sie schon oft angespielt haben."

Frau Aston machte ein Gesicht, als meine sie, ihre Herrin rede irre.

Meine liebe, junge Lady, welch selt­same Idee von Ihnen, gerade jetzt diese alte Geschichte hören zu wollen, wo Sie schwach und angegriffen sind! Lassen Sie das auf ein ander Mal I"

Nein, Aston, ich will sie jetzt hören," erwiderte das Mädchen bestimm!.Man munkeli so verschiedenes über die Sache, daß cs mich verlangt, endlich ein Mal die Wahr­heit zu erfahren. O, mein Gott, ich weiß nicht mehr, wohin ich mich wenden, und wem ich vertrauen soll I" setzte sie verzweifelnd hinzu.

Nun, Mylady, von mir werden Sie die lautere Wahrheit hören," sagte die Haus­hälterin,aber es hat ja Zeit mit dem Er­zählen."

Nein, ne>n! Ich will es wissen, und zwar sogleich I" unterbrach sie Lady Marian. Aston, wenn ich auch nicht ,zur geraden Linie Ihrer geliebten Herrschaft gehöre, so habe ich doch ihr reines Blut in den Adern, und als eine geborene Biddulph v.rlangeich, die wahre Geschichte zu hören."

Ja, ja, Sie haben das blitzende Auge und die stolze Miene der Biddulphs,* er­widerte die Haushälterin nachgebend,und da ich ein Mal von der geraden Linie ab­gehen mußte, hätte ich nichts besseres thun können als zu Jhncn kommen, Lady Marian. Ja, Sie sind anders als Ihr Vater," fuhr sie sinnend fort.Er besitzt wenig von dem heißen Blut und der Großmut der Bid­dulphs."

Fahren Sie fort, Aston. Erzählen Sie mir die ganze Geschichte von Anfang bis zum Ende, die mich zu einer zweifelhaften Erbin der Hauptlinie machte," versetzte Marian mit mattem Lächeln.Nun fangen Sie rasch zu erzählen an, bevor ich aus Aerger noch ein­mal ohnmächtig werde."

Wenn Sie es durchaus verlangen, will ich Ihnen die Geschichte erzählt» , so weit ich sie selbst kenne . . . Der alt> Lord Mar­ston, Ihres Vaters Vetter, hatte drei Söhne und keine Tochter. Sie waren sthr eigen­sinnig und ungestüm, und gerieten in Streit miteinander . . . wenigstens der Netteste und der Zweite, Sir Philipp. Der jüngste war in fernen Landen, wo er, wie es hieß, in Folge seines wüsten Lebens an der Auszehr­ung starb. Und je älter und gebrechlicher der alte Lord wurde, um so mehr wuchs die Zwietracht 'zwischen seinen beiden Söhnen, und eines morgens wurde der junge Lord verwundet und blutend heimgcbrachk, und eS wurde geflüstert, Sir Philipp, sein Bruder, sei dieser Thal schuldig."

Aber er tötete ihn nicht? Einen solchen Fluch lud er doch nicht auf sein Haus?" rief Lady Marian zitternd aus.

Nein!" DaS gerade nicht. Lord Bid- dnlph lebte darnach noch viele Monate, ja Jahre lang, aber meines Wissens ist er nie wieder ganz gesund geworden. Und Sir Philipp Hst nach der That von seiner Heimat geflohen und niemals wieder zurück­gekehrt."

Mein Vater sagt, er habe Beweise von seinem Tode, ja sogar von seiner Beerdig­ung," sagte das Mädchen zweifelnd.

Das mag wohl sein. Ich weiß, daß inan von Zeit zu Zeit von dem armen PH. Nachricht hatte, obgleich man es so gehen» hielt, daß auch ich es nur aus wenigen Wor­ten weiß, die man hin und wieder fallen ließ. Ich hatte Philipp trotz seines Unge­tüms und seiner Leidenfchaftiichk it lieber als alle die Anderen. Er war so hübsch, und so großmütig, wenn er nicht seine Lau­nen halte, daß man ihm, meiner Ansicht nach, nicht böse sein konnte."

Und was hatte den unseligen Streit b-rbeigk,ührt?" fragte Marian angstvoll.

Fcau Aston zögerte mit der Antwort.

Ich glaube, eine unglückliche Liebe trug die Schuld daran. Beide Brüder verliebten ich in eine junge Dame, und wie es auch den äußern Anschein haben mochte, so steht doch fest, daß sie Sir Philipp lieber hatte, doch sprachen sowohl ihr Stolz und ihre Freunde für den jungen Lord, den erstge­borenen Eiben der Grafschaft. Doch wenn dem so war, so blieb auch die Strafe dafür nicht aus, denn bevor drei Jahre vergangen waren, halte sie alle Beide verloren."

Und was wurde aus ihr?" fragte Marian in leisem, gedämpften Tone.

(Fortsetzung folgt.)

Druck und Perlag von Beruh. Hosmann in Wildbad, (Verantwortlicher Redakteur: Beruh. Hofin » nn.)