fl« sei mit dem Kinde verreist. Jetzt lebt Jedes für sich.
Berlin, 13. April. Heute morgen fand ein Duell zwischen dem Zeremonienmeister v. Kotze und dein Hofmarscball Frhrn. von Reischach, statt. Bei einem achtmaligen Kugel- wcchsel wurde Herr v. Kotze am Oberschenkel verwundet. Die Wunde gibt indes zu ernsten Bedenken keinen Anlaß.
— Von der Bismarck-Nummer des Kladderadatsch sind 100 000 Exemplare abgesetzt worden.
— Sonntagsruhe im Gastgewerbe. Eine Versammlung des Verbandes deutscher Gastwirte und des sächsischen Gastgewerbes, die am Mittwoch in Leipzig abgehalten wurde, erklärte die Einführung der Sonntagsruhe für undurchführbar, die Gesetze zur Regelung der Arbeitszeit der Angestellten dagegen für durchführbar.
Wien, 16. April, lieber das Erdbeben, das in der Nacht zum Montag stattfand, liegen Berichte der hiesigen Blätter aus Laibach und Triest vor. Aus ersterer Stadt wird gemeldet: Alle Einwohner kampieren im Freien, wo auch die Kranken, Wöchnerinnen und kleinen Kinder, so gut es ging, ge
bettet wurden. Rüstige Personen flohen in den nahen Wald. Frauen und Kinder, die zur Zeit der Erdstöße schon zu Bette lagen, sind nur notdürftig bekleidet, da man sich nicht traute, in die Häuser zurückzuk-hren, um Kleider zu holen. Es herrschte eine unbeschreibliche Unordnung; alles schrie durcheinander, und die Fliehenden erzählten sich kreischend, wie man der ^Lebensgefahr entronnen, wie Zimmerdecken einstürzten, Vasen, Uhren, Bilder herabflelen und durchs Zimmer flogen. Als die Leute auf der Straße angelangt waren, sielen ihnen Steine von Rauchfängen und Ziegel von den Dächern auf die Köpfe.
Barcelona, 14. April. Während eines Stiergefechtes brach ein Stier in den Zuschauerraum ein und rief eine entsetzliche Verwirrung hervor. Ein Gendarm tötete den Stier mit einem Gewehrschuß, verwundete aber mit demselben Schasse einen Zuschauer, der starb, als er forigetragen wurde. Im Gedränge des allgemeinen Flüchtens erlitten zahlreiche Leute Verletzungen.
— Merkwürdiger Kamps. Seit einem Monat ist ein Hau« in Birmingham in England von den Gerichtsvollziehern in Be
lagerungszustand versetzt worden. Zwei unverheiratete Damen, die Schwestern Smyers, wurden gerichtlich zur Zahlung von 80 ^ verurteilt; da sie jedoch ihre Schuld nicht tilgen konnten oder wollten, erhielten sie den Besuch zweier Gerichtsvollzieher, die vom Gläubiger beauftragt waren, die Möbel der beiden Schuldnerinnen zu pfänden. Aber die Schwestern schlugen den Urtcilsvollstreckern die Thür vor der Nase zu und verschanzten sich. Nach den englischen Gesetzen dürfen Gerichtsvollzieher die Wohnung eines Schuldners nur dann betreten, wenn er es gestattet oder wenn sie die Thüren osten finden. Die beiden Gerichtsvollzieher Hallen daher Tag und Nacht Wache vor dem verschanzten Hause und warten geduldig auf den Augenblick, in welchem die beiden belagerten Damen aus Zerstreuung oder Vergeßlichkeit die Thür öffnen und ihnen Einlaß gewähren würden. Aber die Schwestern Smyers sind sehr wachsam; und um nicht zu verhungern, lassen sie sich von guten Freunden durch die Fenster des ersten Stockwerks hindurch verproviantieren. Auf den Ausgang des sonderbaren Kampfes ist man in Birmingham sehr gespannt.
Am Abgrunde.
Novelle von Walter Hogarth.
(Nachdruck verboten.)
2 .
„Freilich, freilich," erwiderte der Administrator, „aber wo schaffen wir gleich die große Summe her, um die bedeutende Schuld an Herrn von Thümen zu tilgen I Kennen Sie Personen, gnädige Frau, die uns in dieser Hinsicht in großmütiger Weise helfen könnten"
„Ich habe einen alten Onkel, den Herrn Major von Plessen, der als reicher Mann gilt, und mir vielleicht meine Bitte nicht abschlägt. Ich werde noch heute an ihn schreiben."
„De, H rr Major wird uns aber wohl nicht helfen wollen," bemerkte der Administrator bitter, „denn der Herr Baron hat sich mit ihm, wie Sie wissen, gnädige Frau, vor zwei Jahren verfeindet, und wie ich den Herrn Major kenne, wird er die Kränkung nicht vergessen haben, die ihm der Herr Baron durch die Entziehung der Entenjagd auf den Pommelsdorscr Teichen zugesügl hat. Außerdem hat der Herr Major drei Söhne, die jetzt bei der Kavallerie als Offiziere dienen. Das kostet Geld, gnädige Frau, und da wagt man keine große Summe an einen leichtsinnigen Vetter."
„Sie dürsten Recht haben," erwiderte die Frau Baronin niedergeschlagen, „und ich will lieber gar nicht an Herrn von Plessin schreiben. Halten Sie aber nicht für möglich, daß man von einem soliden Creditinslitute oder einem rechtlichen Capitalisten die Summe geliehen erhalten könnte, die nötig ist, um die Fessel loszuwerden, die meinen Mann an den falschen Thümen bindet."
„Bei den Zeilen halte ich dies so gut wie ausgeschlossen, da auf der Besitzung bereits eine Schuld an die LandeS-Renten- Casse in Höhe Von 75.000 Mark lastet."
„Barmherziger GoltI Ist dies wirklich noch der Fall?" srug die Frau Baronin ganz bestürzt. „Mein von der Tante ererbtes Vermögen betrug ja seiner Zeit circa 80,000 Mark und das wollte mein Mann, als ich eS ihm übergab, dazu benutzen, um
die Schuld an die Landes-Rcnten-Casse zu bezahlen I"
Der alte Mann zitterte bei den Klagen der geängstigten Frau am ganzen Körper und zornig blitzten seine Augen über das Unrecht, welche« der Baron an dem von der Tante ererbten Vermögen seiner sonst armen Frau begangen halte.
„Die Schuld an dieLandeS-Renten-Casse ist leider nicht getilgt, gnädige Frau," sagte er dann mit verschleierter Stimme, denn ich bezahlte noch am 1. Juli die Zinsen dafür. Ihr Herr Gemahl hat damals wahrscheinlich andere Schulden mit dem Gelde bezahlt."
„Oder die schöne Summe wahrscheinlich verspielt und in thörichten Unternehmungen vergeudet," rief die beklagenswerte Frau und verbarg weinend ihr Antlitz in dem seidenen Taschentuche.
Nach einer peinlichen Pause erhob sie wieder mutig ihren schönen Kopf und sagte:
„Was meinen Sic zu einer Hilfe, die u»s Vetter Paul gewähren könnte, Herr Administrator? Vetter Paul gilt doch für reich."
Bei der Nennung dieses Namens war der alte Mann auffällig zusammengezuckl.
„Ja, Herr Paul gilt für reich," sagte er dann mit seltsamer Betonung, „aber dieser junge Herr ist noch nicht großjährig und darf über sein Vermögen noch nicht verfügen."
„Also böte sich in diesem Unglücke kein Ausweg? srug die Frau Baronin mit schmerzlicher Geberde.
„Leider nicht I" entgegnete der Administrator. „Aber ganz darf man deshalb noch nicht verzagen. Der selige Herr Baron hat einst vielen Leuten Gutes gethan und manche von diesen Leuten sind heute wohlhabend. Ich will den Versuch machen, das Geld zu borge», welches nötig ist, um den gnädigen Herrn aus den Schlingen Thümens zu befreien. Ich selbst will auch meine Ersparnisse, es sind fünfzehntausend Mark, zur Verfügung stellen, nm die Summe aufzubringen."
„Sie sind ein edler, braver Mann, Herr
Administrator. Nehmen Sie einstweilen meinen herzlichen Dank für Ihre Großmut und treue Anhänglichkeit, die mein Gatte wahrhaftig nicht an Ihnen verdient hat, denn immer und immer hatte er in den letzten Jahren an Ihren Vorschlägen zu tadeln. Aber ich hoffe, daß mein Gatte nun endlich ein Einsehen hat und erkennt, wer es gut mit ihm meint, wenn er hört, was Sie sür ihn thun wollen."
„O, mit meinem Plane wollen Sie sehr vorsichtig dem Herrn Baron gegenüber sein, gnädige Frau, denn er ist noch sehr stolz und hat noch keine rechte Vorstellung von dem Unheile, welches ihm droht, er wird deshalb sehr leicht meinen Plan, das Geld zu schaffen, als einen Eingriff in seine Rechte, vielleicht sogar als eine Verletzung seiner Ehre ansehen- Sagen Sie lieber dem Herrn Baron jetzt nichts von meiner Absicht, ich werde heimlich in der Sache handeln und zu geeigneter Zeit bereit sein, beizustehen."
„Es ist dies sehr edel und rücksichtsvoll von Ihnen, Herr Administrator," entgegnete die Baronin, „aber ich glaube nicht, daß solche Rücksichten in der verhängnisvollen Lage noch zu nehmen sind. Wenn ich meinem Gatten erkläre, in welcher Gefahr er sich befindet, wenn ich ihm Nachweise, welchen großen Summen er in wenigen Jahren vergeudet hat, wenn ich ihm ferner die Frage vorlege, wo er das Geld hernehmen will, um die Schuld an Herrn von Thümen zu bezahlen, so wird er wohl die Hülfe annehm :n, die Sie ihm suchen und bieten wollen, Herr Administrator."
„Ich will das Letztere nicht gerade bestreiten, gnädige Frau, aber trotzdem bitte ich Sie herzlich, meinen Namen in der Unterredung mit dem Herrn Baron nicht gleich zu n-nnen, sondern erst dann meinen Plan mitzweilen, wenn Sie glauben, daß der Herr Baron denselben nicht unfreundlich aufnimmt."
„Ich werde Ihren Rat befolgen, Herr Administrator. Nochmals besten Dank."
(Fortsetzung folgt.)
Druck und Verlag von Beruh. Hosmann in Wildbad. (Verantwortlicher Redakteur: Beruh. Hofmann.)