Am Abgrunde.

Novelle von Walter Hogarth.

Nachdruck verboten.

1 .

An einem trüben Herbsttage saß in dem hohen Erkerzimmer des Schlosses Windeck eine bleiche, abgehärmte Dame von noch ziemlich jugendlichem Alter. Wiederholt ver­fiel sie in ein leises, krampfartiges Schluch­zen und rang dabei ganz verzweifelt die Hände.

Die Dame war die Gemahlin des Schloß- Herrn, des Barons Windeck, nnd der Grund ihres tiefen Kummers war die ihr zur voll­ständige» Gewißheit gewordene, erst heute gemachte Entdeckung, daß die Existenz ihres Gemahles u>.d somit auch die ihrige und diejenige ihrer beiden Kinder von einer schweren Katastrophe bedroht sei.

Baron Harry von Windcck war immer leichtlebig und unberechenbar in seinen kost­spieligen Passionen gewesen, und dieser Cha- rokterzug hatte sich bei ihm auch nicht ge­ändert, als er seinen Abschied vom Oifiers- dienst genommen und sich der Bewirtschaf­tung seines großen Stammgutes Windeck gewidmet hatte. Schlimmere Dinge waren außerdem in den sieben Jahren, seit welchen nun der Baron mit seiner Familie auf Schloß Windeck weilte, hinzugekommen.

Als Lieutenant bei den Ulanen machte der Baron allerdings auch jedes Jahr schon eine hübsche Summe Schulden, aber sein sparsamer und tüchtiger Gutsadministrator, der alte Riemann, sorgte immer dafür, daß von der Guisverwallung zu N-ujahr immer so diel übrig war, um die Schulden, die sein Herr in der Residenz gemacht halte, z» bezahlen, und der Lieutenant Baron Wink,ck, welcher von der Landwirtschaft und von der Geldangelegenheit nicht viel verstand, ver­traute sich auch damals dem biederen Admini­strator Riemann noch an u,>d dörre aut dessen gule RaNchläg. Ganz a>>e,>§ wurd- dies aber, als eec Baion selbst die O er verwalrung seines Gutes in die Hand nahm und mit seiner jungen Frau auf Schloß W'ndeck seine» ständigen Wohnsitz nahm.

Flüchtig beschäftigte sich der Grttsh rr mir allerlei tandwirischaiUichen N>ueru»ge», die meist ganz nutzlos waren und doch viel Geld kostelen. Des stillen Landlebens unge­wohnt, suchte der Baron dann auch bald im Spiel und Sport Zeistreuung nnd Vergeudete damit große Summen. Er mnßie immer die schönsten Rttt- nnd Wagenpferde besitzen und wechselie außerdem mit seinen Pferden sehr ofi. Biel Geld kosteten ihn auch seine Jagden und Fischereien, womit er allen er deutlichen Sport verband, aber das meiste Geld verschlang natürlich der Spieltisch.

So war der begüterte Baron allmählich in große Schulden gerate», und seinen Leicht­sinn hatte außerdem noch ein Gulsnachbar, der Herr von Thümen, weidlich ausgenutzt, indem er den oft in Geldverlegenheiten stecken­den Baron bereitwilligst eine Summe nach der anderen geliehen und bei dem letzten Darlehen die Eintragung einer Hypothek von 150,000 Mark auf Schloß und Ritter­gut Windeck bei dem Baron durchgesetzt hatte. Herr von Thüme» bezweckte offenbar damit nichts Geringeres, als mit Hülfe dieser Hypothek und einiger dem Baron noch zu gewährenden Darlehen demselben demnächst

die schöne Besitzung Windeck abzuuehmen, und dann saß der Baron mit seiner Familie auf der Landstraße.

Die Angelegenheit mit der Hypothek hatte die Baronin von Windeck heute Vormittag erfahren, nnd sie war natürlich in große Aufregung darüber geraten. Kannte sie doch ihren Galten zu genau, um zu befürchten, daß er aus eigener Ke aft schwerlich der ihm gestellte» Schlinge entrinnen würde, und sie selbst fühlte sich auch nicht befähigt genug dazu, ihren Galten von dem drohenden Ab­grunde fern z» halten, denn sie war als Dame in geschäftliche» Dingen nicht erfahren genug und besaß auch von Hause aus zu wenig Vermögen, um rettend eingreifen zu können.

Es bleibt mir kein anderer Ausweg, als daß ich meine Sorge dem alten, treuen Administrator anvertraue," flüsterte die Baro­nin,dieser kluge Mann weiß vielleicht zu raten und zu helfen."

Sie klingelte dem Diener und befahl diesem, den Herrn Administrator zu ihr zu bitten.

Nach ungefähr einer halben Stunde trat der alte, Respect cinflößende Herr in das Zimmer und stellte sich mit einer Verbeug­ung der Baronin zu Diensten-

Bitte, nehmen Sie Platz, Herr Admini­strator," sagte die Baronin freundlich und winkte nach einem Stuhle,ich möchte mit Ihnen eine sehr wichtige Angelegenheit be­sprechen. Wir schätzen Sie als Ehrenmann nnd als Vertrauten unseres Hauses und des­halb kann ich mich Ihnen wohl anvertrauen."

Gewiß, gnädige Frau," erwiderte der Administrator mit einer neuen Verbeugung.

Sie wissen," fuhr die Baronin fort, daß mein Mann kein guter Wirtschafter ist, daß er Schulden gemacht hat und daß mir rückwärts in unseren VermögenSVerhält- insssn gegangen sind."

Leider ist es die Wahrheit, gnädige ä'ian," antwortete der Administrator und aus leinein ehrwürdigen Antlitze zuckle ein schmerzliche- Lächeln.Zu seinem großen Nachteile ist auch der Herr Baron in den letzten vier Jahren ganz taub gegen alle meine Bitten und Vorstellungen gewesen, nnd wenn ich es nichi den« seligen alten B-no» aus dem Sterbebette versprochen hätte, treu zu dem jungen Herrn zu batten, so hätte ich schon längst um meine Entlassung gebeten "

Ich danke Ihnen für die treue An­hänglichkeit an unser Hau-, Herr Admini­strator, denn mein Gatte weiß es leider nicht zu schätzen, was er an einem alten treuen WirlschaflSbeamten hat. Da Sie wissen, wie es um den Schloßherrn von Windeck steht, so möchte ich um ihren erfahrenen Rai bitten, wie mein Gemahl und wir überhaupt von dem drohenden Verderben zu reiten sind."

Der Administrator zuckte die Achseln und schüttelte sehr ernst sein graues Haupt.

Es ist da immer sehr schwer zu raten und zu helfen, wenn der Rat schließlich nicht beachtet wird, gnädige Frau," sagte er dann. Es bleibt doch immer die Hauptsache, daß der Herr Baron auf meine Ratschläge hören würde und dazu ist leider wenig Aussicht vorhanden."

O, ich werde ihm vorstellen, wie er sich an seinem Weibe, seinen Kindern und an seinem Stande versündigt, wenn die leicht­

sinnige Wirtschaft so weiter geht," erklärte die Baronin mit erhobener Stimme und ihre bleichen Wangen röteten sich vor innerer Erregung. Er muß umkebren von diesem Wege nach dem Abgründe, und er wird sich meinen B'tten nicht verschließen. Sagen Sie mir nur was in der Hauptsache zunächst zu thu» ist, um das Verderben fern zu halten, Herr Administrator, und unterstützen Sie mich bei meinen Bemühungen."

Mit wenigen Worten ist es gesagt, was Not thut, aber sehr schwer ist eS auszusühren", entgegnele der alte Mann.Der Herr Baron muß aus den Schlingen seines angeblich besten Freunde-, des Herrn von Thümen, befreit werden, er muß außerdem allen kost­spielige» Passionen entsagen und ein spar­sames und arbeitsames Leben beginnen."

Sie sprechen mir ans der Seele, denn eine innere Stimme sagt mir schon seit Wochen, daß dasselbe geschehen muß, aber ich schwache Frau kann allein dies nicht Alles bei meinem Gemahlc durchsetzen. Um ihn aus den Schlingen Thümens zu befreien, wäre nicht nur nötig, daß ich ihm die Augen über die verhängnisvolle Richtung, die sein Leben genommen ha«, öffne, sonder» zu dem Zwecke dürfte mein Gatte auch nicht mehr der Schuldner des Herrn von Thümen sein."

(Fortsetzung folgt.)

Vermischtes.

(Wie rnan's nimmt.) Dame:Ich finde das Wort Pantoffelheld abscheulich."

Herr:Wie soll inan es sonst nennen?"

Dame:Es gibt in der Ehe doch noch andere Dinge, die man d m Manne an den Kopf werfen kan, !"

.'. (Durch die Blume ) Gast:Kellner, wenn Sie sich 'mal ein Paar recht dauer­hafte Stiefel wollen machen lassen, dann kann ich Ihnen dazu nur dieses Brasstest dringend empfehlen!"

.-. (Aus dem Gerichtsaal.) Verteidiger:

. . . Ein mildernder Umstand wird es jedenfalls sein, daß mein Klient beabsichngte, einen Teil der gestohlenen Summe einer wvhllhätigen Anstalt zu überweisen . . ."

(Allzu ängstlich.) Alter Herr (im ersten Akt d,r OperFreischütz"):Sie bören wobl die Musik nicht g,rn, da Sie sich die Obren mit Baumwolle veistspft haben?" Fräulein:Das wohl, ich fürchte mich aber vor'm Schießen!"

(Besonderer Standpunkt. (Aus der Schule) Prolessor (bei der Lektüre von Taci- tns' Germania):Welches war wohl der Hauptvorzng der alten Deutschen vor den Römern?" Schüler:Daß sie keine Bücher schrieben!"

.-. (Vollendete Lebensart.)Wie war es doch, Herr Lieutenant, Sie haben einen Tag vor mir Geburtstag, nicht wahr?" Würde ich mir nie erlauben; immer nach Ihnen, meine Gnädigste!"

(Vorsichtig.) Dame (beim Engage­ment eines Kindermädchens):Ich hoffe, daß Sie Liebe zu den Kindern haben werden . . . meinen achtzehnjährigen Sohn schließe ich natürlich aus!"

(Genau.)Ist es wahr, daß Sie geheiratet haben, Herr Bahnhofsinspektor?"

Freilich!"Wann denn?"Am vergangenen Sonntag 11 Uhr 27 Min. Vormittags."

Druck und Verlag von Bernh. Hofmann in Wildbad. ^Verantwortlicher Redakteur Beruh. Hofmann),