Rundschau.
Stuttgart, 10. April. Nach einem nunmehr zwischen Württemberg, Baden und Bayern getroffenen Uebereinkommen wird auch im Eisenbahnfrachlverkehr vom 1. Mai ad eine gewisse Sonntagsruhe cintreten, indem an Sonn- und Festtagen gewöhnliche Eisenbahnfrachtgüter überhaupt nicht, von gewöhnlichen Wagenladungsgütern nur frisches Fleisch und Bier befördert wird.
Mühlhausen aN-, 9.April.Anfbedauerliche Weife verlor das zweijährige Kind eines hies. Fabrikarbeiters das Leben. In einem unbewachten Augenblick versuchte dasselbe, eine mit heißer Suppe gefüllte Schüssel vom Tische zu ziehen, wobei sich der Inhal! der Schüssel über Gesicht und Oberkörper des Kindeö ergoß. Das Kind wurde derart verbrüht, daß es am anderen Tag seinen Verletzungen erlag.
Freudeustadt, 9. April. In seiner von der Stadt ziemlich abgelegenen Villa hat sich heute der seit längerer Zeit kränkliche, sehr zurückgezogen lebende Apotheker Gustav Brucklacher, nachdem er vorher feinen Hund erschossen hatte, durch einen Schuß entleibt. Auch in weiteren Kreisen war derselbe durch seine früher in verschiedene» Blättern veröffentlichten Wetterprognosen bekannt.
Freudenstadt, 12. April. Das Maß des Unglücks scheint noch nicht voll zu sein. In der Nacht vom Gründonnerstag zum Karfreitag ist die Frau des abgebrannten Fuhrmanns H. tobsüchtig geworden. Sie halte beim Brand der letzten Woche zuerst den Nachbarn eifrig beim Retten ihrer Habe geholfen, als sic plötzlich ihr eigenes Haus vom Brand ergriffen sah. Zunächst blieb sie gesund ; der erneute Schreck der Brandnacht vom 10. d. M. jedoch hat das seelische Gleichgewicht, das vorher erschüttert war, vollends zerstört.
Tübingen, 12. April. Gestern abend 11 Uhr verschied an den Folgen eines Schlaganfalls Dr. Lothar v. M«yer, Professor der Chemie in Tübingen. Er hatte noch im Laufe de- Nachmittags dem scheidenden Professor Braun das Geleite zum Bahnhof gegeben und sich nachher in Garten undLaboiatorium beschäftigt.
Blaubeuren, 11. April. Gestern nachmittag fiel Sladtschullheiß Keller aus bis jetzt roch unaufgeklärter Ursache in den Blau- topf. Von zwei Pionieren der 3. Compagnie wurde er dem Wasser entrissen.
Pforzheim, 11. April. Der Besitzende und der Kassier der nationalen Krankenkasse für die Bijouteriearbeiler wurden gestern durch die Kriminalpolizei festgenommen und in Untersuchungshaft abgeführt. Es handelt sich um bedeutende Unterschlagungen zum Nachteile der Kasse, die in einer am Sonntag stattgehabten, sehr stürmisch verlaufenen Generalversammlung schonungslos ausgedcckt wurden.
Straßburg i. E. Der geschästsleitende Ausschuß sür die Straßburger Jndusirie- und Gewerbe-Ausstellung wendet sich an die Aussteller mit der Bitte, nicht dis zum letzten Augenblick mit der Etnlieferung der Ausstellungsgegenstände zu warten. Die Bauten und sonstigen Arbeiten auf dem Ausstellungs- Platz sind so gefördert worden, daß seit geraumer Zeit schon mit der Aufstellung der Gegenstände begonnen werde» konnte, wie denn überhaupt alle Vorbereitungen vollendet sind. Jetzt ist eS nur noch Sache der Aus
steller, keine Verzögerung cintreten zu lassen, damit Alles rechtzeitig fertig wird.
— Der Kaiser bestätigte dos Urteil des Kriegsgerichts, das den Zrrmonienmeister v. Kotze freisprach.
— Ein beachtenswertes Urteil über den Wert des Turnens ist jetzt von seiten des kaiserlichen Gesundheitsamts in Berlin ergangen in folgendem: „Der Turnunterricht fördert die Kraft und Gewantiheit des Körpers und seiner Gliedmaßen; auf etwaige Gebrechen ist dabei Rücksicht zu nehmen, und ängstliche Eltern handeln unverständig, wenn sie ihre Kinder ohne zwingende Gründe von jener nützlichen Körperausbildung zu- rückhallen. Die in den Turnstunden gelegentlich vorkommenden Körperverletzungen sind last immer leichterer Arl und geben hierzu keine Veranlassung, ja solche Unfälle würden ohne den Turnunterricht vielleicht noch häufiger sein; denn namentlich die männliche Jugend besitzt nun einmal das Bedürfnis, sich zu tummeln und würde dasselbe, wenn das Turnen und die Turnspiele Wegfällen, mehr, als es jetzt geschieht, in wilden Spielen ohne Aufsicht zu befriedigen suchen.
Paris, 9. April. Ein früherer Räuber- hauptman» als Rechtsanwalt waltet jetzt hier seines Amtes. Derselbe ist in Korsika geboren, kam doit mit dem Gesetz in Konflikt und sammelte eine etwa 100 Mann starke Räuberbande um sieb, stellte fick später freiwillig dem Gerichte und wurde von den Geschworenen freigesprochen. Die Pariser Advo- kaienkammer hatte ihm zwar die Aufnahme verweigert, indessen hat der Appelhof den Beschluß umgestoßen und so wird Herr Lsaud» ris — die» sein Name — ohne Zweifel mit Erfolg hier als Advokat wirken, vielleicht auch später in die Kammer gewählt werden.
Paris, 7. April. (Ein Brudermörder.) Schauerliche Dinge kommen mitunter in diesem lachenden Paris zutage. In einer der jüngstvergangenen Nächte wurde ein etwa 27 Jahre alter Mensch von der Polizei aufgegriffen, welcher vor einem Krankenhause Lärm machte und nach einem Arzte für seinen Bruder begehrte, weil es ihm „Stimmen" so geböten. Er trug einen schwarzen Sack auf der Schulter. Beim Verhör stellte es sich heraus, daß der Mensch seinen Bruder getötet habe, weil er ihn nicht bei dem liederlichen Vater habe lassen wollen ; die „Stimmen", denen er nicht habe wiederstehen kön- mn, hätten ihm das so befohlen. Richtig fand sich in dem Sack der kunstgerecht ab- geschniltene Kops eines hübschen blonden Knaben im Alter von etwa 12 Jahren. Die That mußte erst ganz vor kurzem Geschehen s in. Der offenbar geisteskranke Brudermörder, der die schreckliche That infolge von Hallueinationen des Gehörs verübt hatte, wurde in eine Anstalt gebracht.
Alls Pest, 11. April, wird gemeldet: In den Straßen von Semlin steht das Wasser l'/s Meter hoch. Die Drave, die Save und die Drina sindabermals gestiegen. Nach den bedrohten Ortschaften sind Pioniere mit Pontons abgegangen. Unterhalb Eion- grad wurden infolge eines Dammbruchs 20,000 Joch Aecker und Wiesen überschwemmt In Zösulll an der Weißen Körös sind 11 Häuser eingestürzt.
- Em großer Unglücksfall hat sich am 10. b. M. in den Woolung-Forts ereignet, die die Mündung des Woosungflussks und den Flußlauf bis nach Shunghai beherrschen.
Die Garnison war bis gegen Mittag mit Scheibenschießen beschäftigt, als eine 40 TonS- Armstrongkanone platzte und ein kleinesPul- vermagazin in Brand setzte. Ungefähr 50 chinesische Offiziere und Soldaten wurden gelötet oder verwundet.
öaibach, 13. April. Der Kurort Toep- litz steht in Flammen, 26 Häuser und 24 Wirtschaftsgebäude sind bereits eingeäschert.
Kunst u. Wissenschaft.
— Die schönste Zierde jeder Frau ist unstreitig ihr Fleiß, in welchem die gesamten weiblichen Tugenden ihren Kulminationspunkt finden. Daher ist auch das im Verlage von John Henry Schwerin, Berlin'lV, erscheinende Hanbarbeittublatl für die Familie, „Frauen Fleiß", in jedem Haushalte vorhanden, wo liebende und fürsorgenbe Framn- hände im Fleiß Betätigung suchen. Die eben zur Ausgabe gelangte Aprilnummer dieses Blattes bietet eine schier unerschöpfliche Fülle von Sachen und Sächelchen, wie sie gerade ans der Saison sich von selbst ergeben und täglich in Gebrauch oder zu Geschenkszwecken verwendet werden. Von größeren Arbeiten nennen wir nur: eine reiche Häkelarbeit, Bordüre zu Bettdecken etc., ein Dessin zu einer Decke in Flach- und Knötchenstickerei, eine prächtige Bordüre sür kirchliche Zwecke in Weißstickerei, von kleineren Arbeiten scköne Rosetten, Wandschoner, Lam- pensteller, Bordüren, Etagsre, Nachtmütze, Ueberhandtuch etc. etc. Zwei große Beilagen, enthaltend Klöppelarbeiten, naturgroße Stickerei-Vorlagen u. s. w., liegen auch dieser Früh- jahrSnummer wieder bei, deren Gesamteindruck ein vorzügliche ist. „Von dem Guten das Beste" heißt hier die Parole. Aber der Verlag bietet auch das Billigste, denn „Fraucn- Fleiß", der Liebling aller thätigen Frauen, kostet bei allen Buchhandlungen andPostan- stalten nur 75 Pf. vierteljährlich, ein Preis, für den kein anderes Blatt auch nur annähernd AehnlicheS bietet. GratiS-Probe- nummern in jeder Buchhandlung.
Verschiedenes.
— Eine köstliche Geschichte frischen jetzt sächsische Blätter wieder auf aus der Znt, wo der erste Landtag des Königreichs Sachsen oder wie man ihn damals noch nannte, der „Ständetag" in Dresden zusammennai. Damals beschlossen die Mitglieder, ein jeder solle sich abbilden und das Bildnis in Steindruck Herstellen lassen. Jeder Abgeordnete mußte seiner Namensunterschrift irgend einen schönen Spruch, momöglich die Worte eines großen Dichters beifügen. Wer nun selbst iu Dichterwerkcn keinen rechten Bescheid wußte, der zog einen Kundigen zu Rate. Das Ständemitglied Neumann, ein biederer Landwirt, geriet dabei an einen Spaßvogel, und auf dessen Rat schrieb er unter sein Bild: „Drei Worte nenn' ich Euch inhaltsschwer: Johann Gottfried Neumann."
(Dilemma.) Fräulein Anni (die zum ersten Mal ln die Malstunde gegangen, vor Beginn derselben): „Hm, nun weiß ich wirklich nicht, was ich zuerst mache — male ich mir lieber einen Lieutenant oder eine Konditorei!"
.-. (Unter guten Freundinnen.) Anna (Klara ihre neue Photographie zeigend): „DaS Bild ist gräßlich, nicht wahr?" — Klara: „Ja, aber es sieht Dir furchtbar ähnlich!"