Rundschau.

Reutlingen, 9. März (Um 25 000 ^ gekommen.) Entschiedenes Pech Halle eine Bauernfrau aus Backnang, welche am Diens- laa den l-tzten R st ihr>s G ldeS dazu ver- wendcie, um zur Ziehung der Kircbendau- lolterie hierher zu fahren. Daß sic kein Kirchenbaulos hatte nnd auch kein Geld zum Ankauf eines solchen, war ihr Nebensache. Sic halte sich ein so lrcflicheg System zur Erlangung d>S Hauptgewinns ansgedacht, daß es ihr die Hanpifache war, für das Nachhausefchoffen der 25 000 Vorsorge zu tragen und zu dielein Zwecke brachte sie einen großen Getreides ck mit. Ihre Absicht war die, sich am hiesigen Effenbabnickaller, wo ja immer Geld genug sei, 2 ^ zu leihen, dann in das Ziehungslokal zu gehe», um dort zu warten, bis das große Loos ge zogen fei, worauf sie eiligst die betreffende Nummer kaufen wollte. Leider aber hatte sie mit ihrem Vorhaben, wie schon bemerkt, entschiedenes Pech. Schon der erste Streich mißlang, denn am Bahnhof wollte man ihr trotz ihrer glänzenden Aussicht auf 25 000 Mark nichts pumpen, und als sie dies auf dem Rathaus versuchte, hörte sie mit Schrecken, daß die Ziehung auf den 21. März ver­schoben fei. Der schöne, genial erdachte Plan war also vollständig ins Wasser gefallen und da die kluge Frau ohne jegliche Mittel war, mußte sie samt ihrem leeren Sack ans Armen- kosten wieder nach Backnang geschickt werden. So geschehen am 5 März im Jahre des Heiles 1895 zu Reutlingen. (Sch, Kztg ) Von der bayerischen Grenze, 8. Mmz. Der Mörder welcher den Jagdaufseher Wut linger von Wullenstetien meuchlings erlchoß, ist gestern in der Person des verheirateten Zimmermanns Ludwig Schneid von Böhringen, G.-G. Jllertissen festgenommen und in Un­tersuchungshaft gebracht worden. Derselbe hat die That eingestanden.

Von der hessischen Grenze, 5. März. Ein Bauer von G holte vorgestern bei einem Viehhändler in W. Geld für eine verkaufte Kuh. Der Händler zahlte den Betrag in Silber und mehreren Rollen ü 20 aus. Der Bauer packte das Geld in sein Schnupf­tuch und ging dann mit dem Händler in den Stall, um dessen Vieh zu sehen. Hie­bei legte er das Geld in den Futtertrog. Es wurde eine Weile hin und hrrgeredet, als der Bauer aber sein Geld wieder auf­nehmen wollte, fand sich, daß ein Rind das Tuch angefressen und das Geld zerwühlt halte. Es fehlten über 60 in verschied. Sorten, die daS Tier wahrscheinlich verschluckt hat. Schließlich kaufte der Bauer, um wie­der zu seinem Gelbe zu kommen, das Rind um billigen Preis.

Teure Briefmarken. In Baden-Ba­den ist vor kurzem eine Briefmarkensamm­lung für 70,000 verkauft worden. Von dem gleichen Sammler wurde eine wertvoll. Englandsammlung für 20,000 verkauft. Die für 70,000 verkaufte Sammlung enthielt nur 4000 europäische Marken, aber diese in seltener Vollständigkeit. Von 28 Ländern Europas waren alle bisher veraus­gabten Marken ungebraucht vorhanden, also jede Marke in gleich sauberen Zustande, wie man solche am Postschalter kaufte. Die Marken von weiteren acht Ländern waren gebraucht und ungebraucht komplet. Die größten Seltenheiten lagen in Blocks von 2, 4, 6 und 8 zusammenhängenden Exemplaren

vor, darunter von Württemberg alle 18 Kreuzer in Blocks von 2 und 4 Stücken, gebraucht und neu.

Heidelberg, 8. März. Heute (am 5. März) brachte ein Mann aus Viernheim ein Kind in die hiesige Augenklinik, dos ohne Augen geboren ist. Das Kind ist 6 Wochen alt und sonst gesund. Es fehlt ihm auf bei­den Seilen jegliche Spur eines Augapfels.

Berlin, 6. März. Ein Schneidermeister hatte in der Sonntagsnummereines hiesigen Blattes angezeigt, daß er einen Gesellen zur Anfertigung von Röcken suche. Als er Sonn­tag f>üh roch im tiefsten Schlafe lag und das Haus kaum geöffnet war, klingelte es um 5'/« Uhr an seiner Thür. Seine Frau war nicht wenig erstaunt, als sie beim Oeff- nen einen Mann mit einer Laterne vor sich sah. der sich um die Arbeitsstelle bemühte. Nach ihm kamen noch fünf andere mit La­ternen die Treppen hinauf, um sich gleichfalls für die Arbeit anzubieten. Das ZeitungS- blatt konnte erst bei einem kleinen Kreise von Lesern zugänglich gemacht worden sein.

Berlin, 7. März. Zahlreiche Gesuche um Abänderung des Jnvalidiläts- u. Alters- versicherungsgesetzes, insbesondere dahin, daß die Altersgrenze vom 70. auf das 65. Le­bensjahr herabgesetzt wird, ober wenigstens, baß Personen, welche das 70. Jahr erreicht haben, ohne weiteres in den Genuß der Rente treten, wurde heule von der Petitionskommis- üon des Reichstags dein R ichskanzler als Material für die künftige Aenderung des Ge­setzes z» überweisen empfohlen.

Augsburg, 2. März. DieAllg. Ztg,« benchtel t Als oer Pfarrer Münch in der Kirche zu Villenbach die Kommunion erteilte, nahte sich ihm die Wirtsfrau D. Ihr qer- weigerte der Pfarrer die heilige Handlung unter der Begründung, sie habe eine Feind­schaft gegen ihn, was nach dem Gesetz sein Verhalten rechtfertige. Der Vorgang machte das größte Aufsehen, nnd Frau D. verklagte den Pfarrer wegen Beleidigung. Er wurde vom Amtsgericht Wertingen zu 200 Mark Geldstrafe bezw. 20 Tagen Gefängnis ver­urteilt. Die von ihm eingelegte Berufung wurde vom hiesigen Landgericht kostensällig abgewiesen.

Am Backofen verunglückt. Ein merk­würdiges Ergebnis hatte die Obduktion der Leiche des Bäckergesellen Markwardt, welcher letzte Woche vor dem Backofen einer Bäckerei in Weißensee, auf einem Stuhl sitzend, tot aufgefunden wurde. Wie die gerichtSärztliche Sezierung der Leiche ergab, ist der Tod des Gesellen durch Erstickung herbeigeführt wor­den , welch letztere in höchst merkwürdiger Weise hervor gerufen ist: Vermutlich hat der Wind auf dem Schornstein der Backstube auf ihn derartig stark gedrückt, daß die ans dem Herde abziehenden unverbrannten Gase keinen Ausweg fanden und aus der Feuer­ungsöffnung hervorstiömtcn. Markwardt, der vor dem Backofen auf einem Stuhl saß und wohl eingeschlafen war, atmete die gif­tigen Dämpfe so lange ein, bis der Tod ein­trat. Der Fall steht in der Chronik der Betriebsunfälle vereinzelt da und mag für alle diejenigen Personen, welche in Heizräu­men zu thun haben, als ernste Warnung dienen.

Merseburg, 5. März. Ein Meineid um 60 Pfennige I Ein Arbeiter aus Teuchern hatte vor einiger Zeit vor dem dortigen Schöffengericht in einer Klagsache wider Hesse,

res Wissen beschworen, eine streitige Summe in Höhe von 60 Pfg. nicht erhalten zu ha- haben. Er hatte sich infolge dessen kürzlich vor dem Schöffengericht in Naumburg zu verantworte«, das ihn nach längerer Verhand­lung zu drei Jahren Zuchthaus und Ehren­verlust verurteilte. Zu der Verhandlung waren nicht weniger als 25 Zeugen geladen. Der Verurteilte ist Vater von acht unver­sorgten Kindern.

London, 5. März. Eine aufregende Szene spielte sich kürzlich um Mitternacht in DaY'S Menagerie in Blackbur ab. Eine ausgewach­sene 16jährige Löwin war aus ihrem Käfig entkommen und hatte den Elefanten, der für die Nacht angekettet war, angegriffen. Der Elefant schlug den ersten Angriff ab, indem er die Löwin mit seinem Rüssel umschlang, hoch in die Luft hob und nach dem anderen Ende des Zeltes schleuderte. Bei ihrem zwei­ten Angriffe gelang es ihr, ihre Krallen dem Elefanten in den Leib zu schlagen, inzwischen hatte das schreckliche Gebrüll, mit dem die anderen Bestien den Kampf begleiteten, den Löwenbändiger Martini Bartlett geweckt; er eilte mit seinem Rcpeliergewehr herbei, zielte und streckte die Löwin mit einer Kugel, die zwischen den Augen einschlug, nieder. Die gelötete Löwin kostete 4000 ^

(Fünfzehn neue Millionäre.) I» Bordeaux ist der Großkaufmann Godard ohne Hinterlassung eines Testaments und Leibes­erbe» gestorben. Das Vermögen von 22 Millionen Franken fällt fünfzehn in und um Angoulsme ansässigen Handwerkerfamilien zu, welche den gesetzlich noch zulässigen Ver­wandtschaftsgrad Nachweisen konnten. Unter den 15 neuen Millionären befinden sich zwei Böttcher, zwei Friseure, ein Schuster und mehrere Fabrikarbeiter.

Was ist eine Jungfrau? Auf diese Frage gibt Abraham a Santa Clara folgende Antwort:Eine rechte Jungfrau soll sein und muß sein, wie die Glocken am Karfrei­tag, sie muß sich nicht viel hören lassen. Die Männer können Vokales sein, die Weiber Konsonantes, die Jungfrauen aber müssen mutu« (stumm) sein. Eine rechte Jungfrau soll sein und muß sein, wie eine Orgel; so­bald diese ein wenig angetastet wird, schreiet sie. Eine rechte Jungfrau soll sein und muß sein, wie eine Spitalsuppe, die hat nicht viel Augen: also soll sie auch wenig um­gaffen. Eine rechte Jungfrau soll sein und muß sein wie ein Spiegel; wenn man diesem ein wenig zu nahe kommt und anhauchet, so macht er ein trübes Gesicht. Eine rechte Jungfrau soll sein und muß sein, wie ein Licht, welches versperrt in der Laterne viel sicherer ist, als außer derselben. Insonder­heit aber soll sein und muß sein eine rechte Jungfrau, wie eine Schildkröte; diese ist allezeit zu Haus, maßen sie ihre Behausung mit sich trägt, also eine rechte Jungfrau, sich mehresten soll zu Hause aufhalten, zur Meldung aller bösen Gelegenheiten, denn gleich wie jener gute Samen des evangel. Ackermanns, so auf den Weg gefallen, von Vögeln ist verzehrt worden, also seind die ehrsamen Jungfrauen, welche auf Weg und Gassen sich sehen lassen, vor den Erzvögeln gar nicht sicher.

(Gemütlich ) Richter:Also Ihre Frau hat mit dem Kochlöffel nach Ihnen geschlagen, und deshalb wollen Sie sich schei­den lassen?"Soll ich vielleicht warten, bis ste den Besenstiel nimmt?"