Rundschau.
Stuttgart, 8. März. Die Stände solle» nächsten Mittwoch aus 6 Wochen vertagt werden, um der Finanzkommission Zeit zn ihren Arbeiten zu geben. Vorher findet am Mittwoch eine gemeinschaftliche Sitzung beide, Häuser statt.
Stuttgart, 6. März. An der Hul- digungsfahrt der deutschen Studentenschaft zum Fürsten Bismarck nach Friedrichsruh beteilige» sich von ter technischen Hochschule in Stuttgart außer den 3 Deputierten der Studierenden Frank, Mauser, Böhringer, noch 9 Herren auf eigene Kosten. Am 1. April 1 Uhr wird der Festzug, die Chargierten und Deputierten im Wichs und mit Fahnen voran, zum Schlosse gehen und der Empfang stausinden. Nachmittags wird die Umgebung von Fnedrichsruh besichtigt, gegen Abend nach Hamburg zurückqefahre», wo um 8 Uhr ein großer Kommers statlfindet. Die k. preuß. Eisenbahndirektion, sowie die betr. Privatbahnen haben Fahrpreisermäßigungen nach und von Hamburg bewilligt, jedoch nur in den Tagen des 3 k. März bis 3. April. Wegen der Kürze dieser Frist begab sich eine Deputation der Stuttgarter Teilnehmer zu Präs. v. Balz, um eine Ermäßigung und zugleich Verlängerung zunächst für Württemberg und dadurch vielleicht auch weiter hinaus, zu erreiche».
— (Entführung.) Aus Hamburg wird berichtet: DaS Herz eines 19 Jahre alten Gymnasiasten war für eine 2 Jahre jüngere Cannstätterin so heiß in Liede entbrannt, daß der junge Mann sich gemüßigt fühlte, sein Studium auszugeben und mit seiner Angebeteten nach Amerika zu entfliehen. In aller Eile wurden die Sachen gepackt und fort gings mit der Bahn nach Hamburg. Die Liebenden hatten jedoch die Rechnung ohne die beiden Väter gemacht. Aus der Reise über den Ozean wurde nichts. Als der glückliche Bräutigam am Donnerstag abend das Gepäck vom Hannoverschen Bahnhof abholen wollte, wurde er von seinem Vater und seinem Schwiegervater irr spv in Empfang genommen. Schleunigst ging nun in einer Droschke nach dem Hotel, wo die 17 Jahre alte Ausreißerin sich aufhielt. Mit dem nächsten Zuge fuhren vier Personen, von denen zwei recht betrübte Gesichter machten, wieder dem Neckar entgegen. Einen zweiten derartigen Ausflug werden die Angehörigen des Paares wohl zu vereiteln wissen.
Von der Iller, 6. März. Ein Rabenvater wurde kürzlich in der Person des Söldners Kraich in dem benachbarten bayerischen Orte Unterrieden verhaftet und nach Memmingen ins Gefängnis abgeliefert. Dieser Unmensch hatte, wie man dem Schw. B. schreibt, seinem etwa sechs Wochen alten Kinde Tabaksaft eingegeben und als die Vergiftung nicht löilich wirkte, demselben fünf Rippen eingedrückt, das Schlüsselbein zerbrochen und ihm die Hirnschale eingeschlagen. Ein schon voriges Jahr verstorbenes Kind soll ebenso aus dem Leben geschieden sein, weshalb die Leiche ausgegraben wird. Der Thäter zeigt keine Spur von Reue.
Berlin, 6. März. Da« Schwurg-rjchl verurteilte den Schuhmacher Buchest, welcher am 2. Dezember v. I. durch schwere Mißhandlung den Tod eines sechsjährigen Mädchens verursachte, zu lebenslänglichem Zuchthaus und lOjährigem Ehrverlust.
— Warme Abendkost für Soldaten. Zur
zweiten Etatsberatung ist dem deutschen Reichs tag .folgende R solntion des Abgeordneten Dr. Schädler in Betreff der warmen Abendkost für die Soldaten zugegangen: „Der Reichstag wolle beschließen: Den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, zu veranlassen, daß die mit der Verabreichung warmer Abendkost an die Mannschaften des aktiven Heeres angestellten Versuche fortgesetzt werden, und je nach dem Ergebnis dieser Versuche Mittel zur allgemeinen Einführung dieser Einrichtung in den Etat 1896/97 einzustellen."
— Aus D a r ui st a d t wird berichtet: Das Präsidium des etwa 700 Kriegervereine umfassenden hessischen Landesverbandes hat im Einverständnis mit dem Großherzog beschlossen, dem Fürsten Bismarck die Ehrenkameradschaft z» seinem 80 Geburtstage an- zuiragen.
Bonn, 5. März. (Ranbanfall.) Ein frecher Raub wurde gestern abend gegen 8 Uhr in der Poststraße am Bahnhofe, einem der belebtesten Teile der Stadt, verübt. In ein dort befindliches Korsettgeschäft traten zwei Strolche. Einer drang mit gezücktem Messer auf das allein anwesende Ladenmädchen ein, hielt ihm den Mund zu und drohte mit Tmstechen, wenn es Lärm mache. Unlerd'stcn bemächtigte sich der andere Räuber der Ladenkasse. Die Bedrohte griff nach der Kassette, wobei deren Inhalt teilweise auf den Boden siel. Der erste Strolch stach wiederholt mit dem Messer auf das Mädchen ein und verwundete es an Brust und Armen. Den Strolchen gelang es, mit einem Teile ber Ladcnkasse, ca. 20 zu enikommen.
Aus Ostpreußen, 27. Febr. (Einen seltsamen Fund) machte man in der Kirche zu Trempcn bei Insterburg. Unter dem Altar zeigte sich ein kleines Holzkästchen, das ein Hühner-Ei enthielt. Die beiliegende Urkunde läßt erkennen, daß das Ei im Jahre 1772 von einer Henne gelegt wurde, die eines Sonntags in der Kirche erschien- Als Symbol des Glückes wurde das Ei ausbc- wahrt. Es hat jetzt seinen alten Platz wieder erhallen.
Paris, 3. März. (Vom Löwen zerfleischt.) In der Menagerie Redenbach in Avignon führte eine Tänzerin im Löwenkäfig den sogenannten Serpentinentanz aus, als plötzlich das elektrische Licht erlosch. Der größte der Löwen wollte sich auf die Tänzerin stürzen. Der anwesende Tierbändiger warf sich jedoch dazwischen und rang mit der Bestie, die ihn so gräßlich zurichiete, daß sein Zustand hoffnungslos ist. Die Tänzerin rettete sich unterdessen. Als das Licht wieder aufflammle und das Publikum den zerfetzten Körper des Bändigers fand, geriet es in Wut und wollte die Bude zerstören.
Genua, 4. März. (Ein reicher Geizhals.) Dieser Tage ist hier im größten Elend ein Mann gestorben, der tatsächlich ein Opfer seines Geizes wurde. Den Arzt, den seine treue, seit Jahren nicht bezahlte Dienerin bei seiner letzten Krankheit gerufen hatte, wies er aus dem Hause, um Kosten zu sparen, und ging dann nach wenigen Tage» ohne ärztliche Pflege und ordentliche Nahrung zugrunde. I» dem Strohsack seine- ärmlichen Lagers fanden fick nach seinem Tode 750 000Fr:s. in Bankscheinen und Staatspapiercn.
- Am 6. ds. ist in Hüll eine Fischer- schmack mit der Leiche des Passagiers der
Elbe, Baumann aus Basel, eingetroffen. Die Leiche wurde bei Lowkstofi aufgkfischt. Die bei der Leiche Vorgefundenen Gegenstände (Geld, Papiere, Trauring und Uhr) wurden dem veulschen Konsul eingehändigt.
— Nach einer Depesche aus Port of Spain (Trinidad) ist der Geschäftsteil der Stadt abgebrannt. Der Schaden wird auf 4 Millionen Dollars geschätzt. Von engl, und amerikanischen Schiffen wurden Mannschaften gelandet, welche den Rest der Stadt retteten.
Antwerpen, 3. März. Ein Selbstmvrd- klub ist die neueste Entdeckung, welche die hiesige Polizei dieser Tage machte. Etliche 20 junge Lebemänner, den besten Familien angehörend, verpflichteten sich zu Beginn des Jahres durch einen regelrechten Schwur, noch den diesjährigen Karneval in Freuden mitzumachen, sich aber dann nach dem Aschermittwoch bis zum Beginn der 2. Fastenwoche eine Kugel durch den Kopf zu jagen. Drei dieser Verrückten führten auch am Mittwoch den Selbstmord aus. Aber nur zwei starben, der Dritte wurde schwer verwundet ins Spital gebracht und enthüllte hier den Bestand des Selbstmordklubs. Die Angelegenheit erregt begreiflicherweise das größte Aufsehen.
— Der New-Aork Herald setzt einen Preis von 10,000 Dollars (40,000 aus für den besten Roman von 60,000 bis zu 70,000 Worten, der ihm in einer näher bestimmten Frist eingesandt werden würde; der Roman muß jedoch einen Amerikaner zum Verfasser haben. Ein aus 3 Personen bestehender Preisrichterausschuß soll von den eingesandtep Manuskripten die drei besten auswählen, die dann im Herald veröffentlicht werden sollen. Jeder Leser des Blattes kann auf einem von dem Blatte abzutrennenden Zettel angcben, welcher von den drei Romanen nach seiner Ansicht der beste ist, und der Preis wird demjenigen Autor zu- crkannt werden, der die meisten Stimmen erhalten wird. Für kürzere Novellen hat der Herald außerdem Preise von 12,000, 8000 und 4000 ausgesetzt.
— (Der Affe im* Keller.) Aus Lesen- heim wird geschrieben: In dem benachbarten Stattmatten hat sich ein kurioses Stückchen abgespielt. Ein armer Mann, der einen Affen bei sich führte, den er vor den Häusern tanzen ließ, kehrte bei einem hiesigen Wirte ein und stärkte sich an etwas Essen und an einem Trünke Wein. Da seine Barschaft zur Neige gegangen und er außer stände war, die Zeche zu zahlen, behielt der Wirt den Affen als Ersatz und sperrte das Tier in den Keller ein. Dieser Verlust that dem Fremden sehr wehe; er entfernte sich mit dem Bemerken, das Tier wieder auszulösen, sobald er einige Groschen verdient habe. Kurz darauf stieg der Wirt in den Keller und holte eine Flasche Wein vom Faß. Der Affe merkte dieses, und als der Wirt sich entfernt hatte, sprang er an das Faß, drehte den Hahn auf — und das edle Naß floß in den Keller. Ob des Schadens geriet der Wirt außer sich vor Zorn, holte die Axt herbei und machte dem harmlosen Tiere den Garaus. Kaum Halle er die That vollbracht, als der Besitzer mit dem Lösegeld eintrat. Er erschrak nicht wenig, als der Wirt ihm das Tier tot vorlcgte. Die Geschichte wird wahrscheinlich ein gerichtliches Nachspiel bekommen.