(Seltsame Ehestandsfreuden.) Es war, wie dem „Eis." aus T er, Kreis Za- bern, gemeldet wird, eines Tags um die dritte Nachmittagsstunde. Bald war es ein Gejammer, bald ein Juchzen, bald ein Schimpfen, bald andere ähnliche Lante, die aus des langen Michels Gehöfte herüberklangen. Ein Mann ging mit einigen Nachbarn dahin, um zu erforschen, was los sei. Auch der Herr Pfarrer, der eben vorbeiging, schloß sich an. Was mar's I Der Michel hatte seine Frau, die Lene, am Scheunenthor fcstgebunden und warf fortgesetzt mit Schneeballen nach ihr. „Was machen Ihr dann do, Mechel?" fragle der Herr Pfarrer, >„wie kann m'r d'Frau so traktire, des isch net fcheen, Mechel, pfui I" „Des verstehn Ihr net, Herr Pfarrer", antwortete der Michel, „ihr sinn jo net g'hirot, des sinn EhestandS- fraide." „Wieso denn?" fragle der geistliche Herr weiter. „Gücka fe e mol, Herr Pfarrer," antworlete der Michel, „gücka se, wenn i mine Alt Ireff, so Hab ich Fraid; treff ich se net, so het sie Fraid, un so amüsere mer uns metnander. Wenn se als a Mol jüchzt, so esch's nuer ÜS Pläsir." „Was sage ehr dazü, Lene?" fraate der Pfarrer das vor Wut
Kerzenskärnpfe.
Roman von Theodor Schmidt.
Nachdruck verboten.
29.
Was blieb Graf Curl, da er keine Entschuldigung hatte, anderes übrig als der Aufforderung zu folgen ?
Von ihrem Fenster aus beobachtete die unglückliche junge Frau, wie ihr Gatte davon fuhr; wie lechzte ihr Herz nach einem Blick aus seinen Augen, nach noch einem Wort von seinen Lippen, — sie beobachiele ihn mit so bitterem, leidenschaftlichem Kummer, daß sie gern gestorben wäre. Glaubte sie doch nicht, daß sie ihn in dieser Welt je Wiedersehen würde.
In dieser einen Stunde entschloß sie sich zu einem Schritt, den sie später auf das Bitterste bereute. Nu» er Alles wußte und er ernstlich meinte, was er einst gesagt halte, beschloß sie, nicht erst zu warten, bis er sie von sich schicken würde, sonder» gleich zu gehen.
Wie sie da am Fenster stand, den heiler lächelnden Himmel, die duftenden Blumen und die in der Sonne erglänzenden Bülche und Bäume betrachtend, da zogen viele Bilder an ihrem inneren Auge vorüber. Wie würde die stolze Gräfin, die nichts so hoch stellte wie edles Blut, die Kunde aufnehmen, daß die Gattin ihres Sohnes die Tochter Werner Horsts sei? Sie stellte sich bas in ihrem Stolze tiefgekränkte Antlitz der Gräfin vor; sie hörte schon im Geiste die wenigen Verächtlichen Worte, mit welchen sie den Irrtum ihres Sohnes beklagen würde, — nein, besser gleich gehen, da sie doch einmal gehen müßte, als das ertragen I
Sie malte sich das Erstaunen Melanies aus — Melanies, auf der kein Makel von Sünden anderer ruhte. B-sscr für Curt, er hätte seine Liebe mit Füßen getreten und Melanie von Selten geheiratet. —
Das Schwerste, das Bitterste aber von Allem, das waren die letzten Worte ihres Gatten; die kalten, grautamcn Worte, mit denen er sie von sich schicken würde; der
grinsende Weib, „'s cch so I" antwortete diese trocken und bissig. „Na," sagte Se. Hochwürden weiter, „wenn's a so gemeint esch, so amüsere euch nuer witersch. Adiö bisamwe I" — Und da gibt's noch Leute in unserm Dorf, die da sagen, der Michel und seine Frau leben nicht gut zusammen. Seht doch, wie man sich irren kann.
— Die Getreuen zu Jever werden ihre diesjährige Sendung von Kibitzeiern an den Fürsten Bismarck mit folgendem Vers begleiten :
„Achtzig Joahr, 'ne lange Tied For't Vaderland in Sorg' und Fltet, Gotl lavt' uns dat Geburtstagskind Bis dat es hundert und eene sindl"
— Recht paradiesische Zustände scheinen noch in dem etwa 2 Meilen von Schivel- bein entfernten Dorfe R. zu herrschen ; friedlich leben ^dort noch Mensch und Vieh zusammen. Dort kam neulich ein Beamter zu einem Kolonisten, um Aufträge zu erledigen. Da bemerkte er, wie sich fortwährend die Bettdecke bewegte und er Vernahm auch leises Gequieke ans der Ecke. Ans sein Befragen, was daS sei, ob vielleicht ein Kind krank wäre, erhielt er zur Antwort:
„Ach, dat sünd uns Faken (Ferkel), in Stall is so kolt, und darüm heww wie dci Dinger int Beu (Bett) br öcht, dat sei uns nicht ver- freire." Plötzlich drang aus der „Hölle" hinterm Ofen ein Grunzen hervor. „Was ist denn daS?" „Dat iS uns Sög (Sau), det heil sich „verfängt", un »u heww wie s' in de Stuww, belt sei wcrre betcr is."
(Der Verlorene Faden.) Der Redner Schreier verlor einst den Faden des Vortrages. Ein witziger Herr aus dem Auditorium ruft: Man schließe die Thüren, wenn hier lauter ehrliche Menschen sind, muß der Faden sich durchaus wiederfiuden.
(Kindermund.) Herr: „Wie alt bist Du denn, mein Kleiner?" — Karlchen: „Ich bin noch gar nicht alt, ich bin noch ganz neul"
.'. (Er traut ihr nicht.) Pfarrer: „Und geloben Sie auch Ihrer Ehehälfte die eheliche Treue zu halten ?" — Der Bräutigam: „Ich schon I"
(Dors-Schlachtermeister.) „Da malen S' mir also meinen Namen hin: Friedrich Gottlieb Schulze, -- und dann ein felteS Schwein dazu, damit mau gleich steht, was ich bin I"
kalte, grausame Stolz, mit dem er seinen Irrtum wieder gut machen würde, — wie konnte sie das ertragen und weiterleben? O nein, sie konnte nicht warten, bis die Sonne ihrer Liebe untergegangen war: besser, sich mit einem Male loSreißen, als stücksweise. — Sie wollte fort, wollte Aller verlassen, was ihr lieb und lener war, und dahin gehen, wo Niemand, der sie je gekannt, sie wiedec- findcn würde I
Gekränkter Slvez, gekränkte Liebe hatten ihr fast die Sinne geraubt; die letzte Unterredung mit ihrem Gatten hatten ihre Nerven überreizt, ihren Kopf und ihr Herz in höchste Aufregung versetzt. Aus dem Chaos wilder Gedanken trat nur ein Eniscbluß klar hervor: „Ich muß fort, ehe man mich fortschickt !"
Heftig schrieb sie ein paar Zeilen an ihren Gatten und bedeckte sie mit leidenschaftlichen Küssen, dann öffnete sie ihren Schreibtisch und füllte ihre Börse mit allem Gold), das sie zur Hand Halle. Dann zog sie die Klingel und distcllte bel der eintretenden Jungfer ihren Wagen.
„Wollen Frau Gräfin ausfahren ?" fragte diese auf das Höchste erstaunt.
„Ja, ich will eine lange Fahrt machen," gab Martha mit eigentümlichem Lächeln zur Antwort.
Schweigend kleidete sie sich an. Aber mit keinem Blick mehr sah sie sich im Zimmer um, in dem sie eine so glückliche Zeit verlebt Halle. Und lange, lange Zeit sprach Nanetle von dem seltsam starren, unnatürlichen Ausdruck auf dem Gesichte der Gräfin, als sie das Schloß verlassen hatte.
„Wohin soll ich fahren?" fragte der Kutscher.
„Nach Gernsheim," gebot die Gräfin, „halten Sie wie gewöhnlich an der „Goldenen Krone" und warten Sie später dort auf mich."
23. Kapitel.
Graf Curt konnte die Zeit nicht erwarten, wo er wieder daheim sein würde. „Während der ganzen langen, einsilbigen Fahrt
schwebte ihm Marthas bleiches, thränenüber- strömtes Antlitz vor. Ja, er war hart und unfreundlich gegen sie gewesen. — Mochte sie ihre kleine Geheimnisse haben; Melanie hatte Recht — sie war sicher so rein, wie sie schön war. Und er trieb die Pferde zu schärferem Trabe an, ungeduldig wieder zu seiner Frau zu kommen, ungeduldig, dieselbe wieder in seine Arme zu schließen und den scheuen, angstvollen, verzweifelten Ausdruck von ihrem G>sichle zu bannen.
Zu Hause angelangt, begab er sich sofort nach Marthas Zimmer. Aus sein Klopsen erfolgte keine Antwort. Leise drückte er auf die Klinke und trat ein — aber nirgends war das liebe Gesicht zu sehen, das ihm sonst immer mit frohem Lächeln zu begrüßen pflegte.
„Ah, sie wird sich wohler fühlen und hinuntergegangen sein," dachte er erfreut.
Doch wie er da inmitten des eleganten Boudoirs stand, beschlich ihn eine selsame nicht zu beschreibende Angst — war es ein Vorgefühl des nahenden, Unglücks? Da aus dem Tische lickte eine kleine, reich mit Juwelen besetzte Uhr, — in den Vasen verbreitete üppig blühendes Heliotrop, — Marthas Lieblingsblume — einen köstlichen, faßt berauschenden Duft: — dort lag ein »och aufgeschlozenes Buch, in dem sie kürzlich gelesen halte: Alles wies auf ihre Nähe hin — aber wo war sie?
Curt begab sich in das Wohnzimmer; da faß Melanie und las, aber kein goldener Kopf hob sich bei seinem Eintritt.
„Wo ist Martha?" fragle er erregt.
„Ich weiß nicht," entgegnetc Melanie und sah ihn betroffen an, „ich habe sie seit heute Morgen nicht gesehen."
In dem Augenblick trat seine Mutter ein; auf ihren Zügen lag der kalte stolze Ausdruck, den Curt so gut kannte.
„Wo ist Martha, Mutter?" fragte er heftig, „ich glaubte, sie wäre bei Dir." l Fortsetzung folgt.)
Gedenket der hungernden Vögel!
Druck und Verlag von Beruh. Hosmann in Wildbad. ^Verantwortlicher Redakteur Beruh. Hofmann).