Rundschau.

Postanweisungen für Soldaten An­läßlich der begonnene» Rekruleneinstellungen machen wir auf die Postvorschriften, welche bezüglich der an Soldaten gerichteten Sen­dungen bestehen, aufmerksam. Darnach kosten Postkarten und gewöhnliche Briefe an Sol­daten einschließlich Unteroffiziere überhaupt kein Porto. Für die an Soldaten gerich­teten Postanweisungen bis zu 15 Mk. ein­schließlich beträgt das Porto 10 Pfg. ohne Unterschied der Entfernung. Soldatenpackcte bis zum Gewicht von 3 Kilo kosten überall hin 20 Pf». Porto. Diese Vergünstigungen kommen jedoch nur dann zur Geltung, wenn die Briefe rc mit dem Vermerk:Soldaten­brief. Eigene Angelegenheit des Empfängers" versehen sind. Sendungen ohne diesen Ver­merk unterliegen dem tarifmäßigen Porto.

Stuttgart, 30. Okt. An der neuen Bahn­linie Untertürkheim-Kornwestheim stürzte ge­stern abend die Wand einer Fundamentgrube ein und begrub sechs Arbeiter, hiervon wa­ren drei sofort tot. Die übrigen sind schwer verletzt.

Stuttgart, 30. Oktbr. In vergangener Nacht sind tm Hotel Silber sechs Paar Stiefel und mehrere Ueberzieher, welche vor den Zimmern der Reisenden standen, resp. hingen und der Reinigung harrten, gestohlen worden. Bis jetzt hat man von den Dieben keine Spur.

Stuttgart, 31. Oktbr. hSchaberprozeß.) Der erste Staatsanwalt Nestle stellte gegen die Redakteure Eichhoff und Agster mit Rück­sicht darauf, daß sie in gutem Glauben ge­handelt haben, einen Strafantrag wegen Be­leidigung Buchcrs auf je 500 Mark Geld­strafe , sowie Publikationsbefugnis in der Tagwacht, im Staalsanzeiger und in der Ncckarzeitung.

Ludwigsburg, 30. Okt. Die Königin besuchte gestern in Begleitung ihrer Palast­dame Gräfin Uxkull und ihres Overhof­meisters Frhr. v. Reitzenstein die hiesige Mädchenmittelschule. Unter Führung von Oberbürgermeister v. Abel und Stadtpfarrer Haller (Ortsschulinspcktor) besichtigte die Königin sämtliche Klassen und hörte dem Unterricht zu. Sie erkundigte sich sehr ein­gehend nach den Lehrern, den Schulfächern, dem Unterrichtsziel und über die methodische Behandlung einzelner Unterrichtsfächer. Nach einem einstündigen Aufenthalt verabschiedete sich der hohe Schulbesuch wieder.

Ludwigsburg, 29. Okt. Heute waren die Oberbürgermeister Rümelin aus Stutt­gart und Hegelmaier von Heilbronn hier an­wesend, um in Gemeinschaft mit dem Vor­stände der Landarmcnbehörde für denNackar- kreiS, Regierungsrat Schneider dahier und Baurat Ehmann aus Stuttgart, das Areal zu besichtigen, auf welchem eine Beschäftig­ungsanstalt für die Landarmen des Neckar­kreises demnächst errichtet werden soll. Diese Anstalt kommt an die Staatsstraße zwischen Asperg und Markgröningen zu liegen und ist vorläufig auf 2500 Insassen berechnet. Um landwirtschaftlichen Betrieb zu ermög­lichen , sind vorläufig Grundstücke im Ge- samtmeßgehalt von ca. 50 Morgen ange­kauft. Die Errichtung einer derartigen An­stalt entspricht einem dringenden Bedürfnis und wird die definitive Ausführung derselben voraussichtlich in der nächsten Versammlung her Landarmenbehörde, welche Mirte kom­

menden Monats stattfindet, beschlossen wor­den.

Von Oehringen gingen Oberamts­tierarzt Seybold und Ockonom Gebert von Möhrig in die Schweiz, um im Aufträge des landwirtschaftlichen Bezirksverein Oehringen in der Gegend von Thun 60 bis 70 Ziegen anzukaufen. Dieselben werden an ärmere Leute des Bezirks um den Ankaufspreis ab­gegeben , wobei dem Vernehmen nach für besonders bedürftige Personen noch Vergünst- ungen eintretm sollen.

Margrethausen, 25. Oktbr. Schultheiß Schairer ist heute ganz rasch gestorben und zwar am Erstickungstode durch einen Zwetsch- genstcin, der ihm in die Luftröhre kam. DaS Bedauern über diesen Unglücksfall ist ein allgemeines.

Mannheim, 29. Oktober. Kürzlich lief durch die Zeitungen eine Mitteilung, wonach in einer chemischen Fabrik ein Arbeiter da­durch verunglückte, daß er durch Säuren vollständig aufgelöst wurde. Man halt ihn in das Kesselhaus gehen sehen, seidem blieb er verschwunden, man fand nur noch die Laterne, die er bei sich gehabt hatte und sonstige unverbrennbare Gegenstände, der Arbeiter selbst war von den Säuren durch irgend einen unaufgeklärten Unfall vollständig aufgelöst worden. Die Hinterbliebenen des Unglücklichen stellten bei der Berufsgenossen- schafl der chemischen Industrie Entschädig- ungsansprüch, die erst jwegen des unaufge­klärten Vorgangs in Frage gestellt, jetzt aber anerkannt wurden, nachdem die BerufSge- nossenschast die Ueberzeugung gewonnen, daß eS sehr wohl möglich ist, daß ein Mensch vollständig in Säuren aufgelöst werden kann. Der Beweis wurde dadurch erbracht, daß man Fleisch, Knochen und Knorpel von Rind­vieh in Säuren brachte, die von diesen that- sächlich aufgelöst wurden. Ein sehr teures Gastspiel kann unter Umständen der hiesigen Theaterkasse ein Auftreten des bekannten

Tenoristen Alvary werden. Alvary trat in

einer Gastrolle am 17. März hier auf, er­litt aber einen Unfall auf der Bühne, der ihn nötigte, für einige Zeit das Zimmer zu hüten. Alvary verlangt nun Entschädigung für verlustig gegangene Gastspiele, Kurkostcn rc. und zwar die Kleinigkeit von 37 000 Das Theater will nicht zahlen, weil es an dem Unfall keine Schuld träfe, so wird nun ein Prozeß die Frage entscheiden.

Berlin, 30. Okt. Der Kaiser empfing

heute mittag im Neuen Palais den bisherigen Reichskanzler Grafen Caprivi. Fürst v. Hohenlohc-Langenburg ist zum Statthalter von ElsafiLothringen ernannt worden. Der Fürst traf heute morgen ein und empfing alsbald den Besuch des Reichskanzlers Fürsten v. Hohenlohe-Schillingsfürst. Mittags wurde er vom Kaiser empfangen. Die Gerüchte, die schon als Thatsachen auftraten, werden von unterrichteter Seite mit der Bemerkung wiederlegt, daß bei der Wiederbcsetzung des Statthalterpostens in Straßburg die Persön­lichkeit des StaatSministerS Grafen zu Eulen- burg überhaupt nicht in Frage gekommen sei.

Berlin, 31. Okt. Reichskanzler Hohen­lohe hat gestern sämtlichen aktiven preußischen Staatsministern und Staatssekretären in den Reichsämtern Besuche abgestattet. Heute hat das Staatsministerium unter dem Vorsitze Hohenlohes eine Sitzung abgehalten, an welcher auch der Minister v. Köller teilnahm.

Berlin, 31.Okt. NachherVoss.Ztg."

wird Herr v. Bennigsen wahrscheinlich von seinem Posten als Oberpräsident zurücktreten. Die Ursache soll die Ernennung des Unter- staatssekretärs ». Köller zum Minister des Innern sein.

Berlin, 31. Okt. Nach einer Meldung aus Livadia hat das Befinden des Zaren die gefährlichsten Wendung angenommen. Die Aerzte konstatieren den Ausbruch der Lungen­krankheit. Allgemein wird angenvmmen, daß das Schlimmste bevorstehe. Die Zarin hat telegrapisch den Prinzen und die Prin­zessin von Wales sofort nach Livadia zu reisen gebeten, der Kronprinz von Dänemark begiebt sich ebenfalls dorthin.

Aus der Schweiz, 26. Oktbr. (Gold­funde.) In der Umgebung von Gondo, der letzten Ortschaft auf der schweizerischen Seite der Simplonstraße, ist Gold entdeckt worden und der Bau von Minen hat bereits be­gonnen. Bis jetzt ist die Ausbeute gering.

St. Petersburg, 29. Okt. Bei der Ein­weihung der neuen Kirche in OstrowSkaja ist eine Gaslampe explvdiert, wodurch das Kleid einer Frau Feuer fing. 8 Personen sind verbrannt, 27 verletzt, davon sind 18 gestorben.

Petersburg, 1. Novbr. Der Zar ist heute Nachmittag 2 Uhr Min. verschieden.

Die Hetze gegen den Präsidenten der franz. Republik hat zur Folge gehabt, daß nicht nur Herrn Casimir-Perier, sondern auch seiner Gattin täglich anonyme Drohbriefe zu­gehen. Die von Gemeinheiten strotzen. Zu­weilen liegen Zeichnungen bei, die Casimir- Perier auf dem Schaffst oder geköpft dar- stellen. Frau Perier war von diesen Roh­heiten so erschüttert, daß ihr Gemahl ihr riet, nur die Briefe zu öffnen, deren Schrift ihr bekannt sei und die übrigen durch einen Sekretär prüfen zu lasten.

Eine Pulvermühle in der Ortschaft Bisztra (Ungarn) ist in die Luft jgeflogen. Dabei wurden drei Arbeiter getötet und 14 tätlich verletzt. Die Pulvermühle enthielt angeblich 1000 Zentner Schießpulver.

Lyon, 28. Okt. (Erdrosselt.) In dem Armenhaus von Albiguy wurde ein 70jähr. Mann, welcher an einem Bronchialkatarrh darniederlag, von seinen Betttnachbarn er­drosselt, weil er sie mit seinem Husten und Stöhnen im Schlafe störte.

Vermischtes.

.'. Die Berliner Polizei sucht eifrig den unbekanntenWitzbold", der sich den nichts, nutzigen Scherz machte, sobald dis Entlass­ung Caprivi» bekannt war, bei zahlreichen Lohnfuhrwerksbesttzern unter dem Namen Caprivis große Möbelwagen zu bestellen, die dessen Inventar aus dem Reichskanzleramt abholen sollten. So erschienen zur selben Stunde 13 verschiedene riesige Möbelwagen in der Wilhelmsstraße, um Caprivis sehr bescheidenen Junggesellenhausrat einzupacken, worob großes Halloh entstand. Bis jetzt befindet sich Caprivi noch in Berlin, Ab­schiedsbesuche machend, so that er cS auch bei seinem hervorragenden Gegner Miguel.

Eine Schwindlerin. Nur allzu oft wird leider der Wohlthätigkcil»sinn der Berliner in schamloser Weise mißbraucht. So bot am Donnerstag nachmittag in der Leip­zigerstraße eine ärmlicki gekleidete Frau mit kläglicher Stimm W ctestreichhölzer an, die