Rundschau.

Stuttgart, 25. Aug. Ein Drehscheiben- Wärter des htcs. Hauptbahnhofes Namens Burkhard wettete gestern mit ?zwei andern Bahnhofbediensteten, ein neues leereS Wein­faß von 300 Liter Meßgehalt bei nur ein­maligem AuSruhen über die Feucrbacher Heide nach Feuerbach zu tragen. Die Wette kam unter persönlicher Kontrolle der Beteiligten sofort zum Austrag und wurde flott gewon­nen. Burkhard erhielt nur ein blaues Mal an einem Halsknochen, dafür aber auch von seinen beiden Wettgegnern zu je 3

Wangen, OA. Cannstatt, 26. August. Nach einem Beschluß der bürgerlichen Kollegien sollen weitere Schritte zur Ausführung un­serer geplanten Wasserleitung auf nächstes Frühjahr verschoben werden, weil von 315 Hausbesitzern sich vorerst nur 125 zur Ein­richtung einer HauSwasserlcitung entschließen konnten. Bei berauch auf hiesiger Mark­ung stellenweise bedenklich ausgetretenen Trau- bcnkrankheit konnte seit etwa acht Tagen kein Fortschritten mehr bemerkt werden, und heute kann dieselbe als erloschen betrachtet werden.

Reutlingen, 26. Aug. Eine eigentüm­liche Art von Sonntagsarbeit, wenn auch ein­zelnen bekannt, dürste auch weiteren Kreise namhaft zu machen sein. Als ich vor einigen Wochen in der Frühe eines schönen Som­mersonntags auf den prächtigen, hochragenden MädchenselS hinaustrat, unter dem die Welt weithin so friedlich-still, so sabbathlich-seier- lich dalag, bemerkte ich auf einer Wiese eine ganze Schlachtlinie von Sensenmännern, welche eisrigst dreinhieben, um das Gras nie- derzumähen. In Eningen erfuhr ich nach­her, das geschehe für einen kranken Tag­löhner, der selbst nicht arbeiten könne, durch seine guten Freunde, die am Werktag teil­weise in der Fabrik beschäftigt seien.Heute früh kurz nach 5 Uhr, als es kaum tagte, begegnete mir auf der Eninger Straße eine größere Anzahl Männer im Arbeitsgewand und die Hacke auf der Schulter; es mochten, die verschiedenen Gruppen zusammengerechnet, etwa zwanzig sein. Auf meine Frage: Wo­hin heute schon?In den Weinberg, falgen." Warum heute am Sonntag?Für einen Kranken." Warum so bald? bätder als am Werktag?Daß wir zmKirch wieder daheim sind." So lanteten die Antworten der Braven. DaS ist einmal eineSab- bathschändung". die man sich wohl gefallen lassen kann.

Dornstetten, 24. Aug. In große Ver­legenheit kamen einige Musikanten von B. Dieselben fuhren vormittag» mit der Bahn hieher, um in einer Wirtschaft auszuspielen. Beim Frühschoppen merkten dieselben, daß sie ihre Instrumente beim Aussteigen ver­gessen hatten. Die so notwendigen Blcch- werkzeuqe waren unterdessen glücklich nach Schiltach gekommen, von wo aus dieselben laut telegraphischem Befehl nachmittag« 5 Uhr hier eintrafen. Die heitern Klänge, welche von jetzt an den so schwer Vermißten entlockt wurde», entschädigten die wartende Jugend und erhellten in kurzer Zeit die be­kümmerten Züge der Musikanten.

Ravensburg, 24. August. Der gestrige Abend sollte für eine Familie unserer Stadt­gemeinde ein Abend deS Schreckens u. Jam­mer« werden. Die Sturmsignale verkündig­ten gegen '/,9 Uhr den Ausbruch eines Brandts im Gebiete der hiesigen .Stadtmgrk-

ung, aber außerhalb der Stadt. In dem '<L Stunde von hier entfernten Weiler Hin­zistobel stand bei Eriönen der Signale das Oekonomieanwescn deS Bauern Fuchs bereits in Hellen Flammen. Dasselbe wurde denn auch vollständig ein Naub der letzteren, wäh­rend es gelang, das anstoßende Wohnhaus, wenn auch beschädigt, zu retten. Das Vieh konnte noch gerettet werden, während der reichliche Erntevorrat zu Grunde ging. Ein Blitzstrahl, der während eines kurzen Ge­witters das abgebrannte Gebäude getroffen, ist die Emstehungsursache heS Unglücks.

Der frühere Bürgermeister von Leo­poldshosen bei Karlsruhe, Friedrich Nagel, der wegen Fälschung und Unterschlagung steckbrieflich verfolgt wurde, ist am verflosse­nen Dienstag in Newyork auf dem Dampfer Westernland verhaftet worden.

Aus Baden, 23. August. Während in Pforzheim der Typhus nahezu erloschen ist, tritt er in den Ortschaften des Pforzhcim-r Bezirks noch ziemlich häufig auf. In den verflossenen 3 Wochen kamen in den benach­barten Dörfern 12 Erkrankungen am Typhus zur Anzeige. -- In Durlach ist die Diph- theritis epidemisch ausgetreten und fordert viele Opfer. In verschiedenen Orten des Großherzogtums ist in den letzten Wochen wiederholt falsches Geld ausgegeben worden.

Berlin, 24. Aug. An den Rand eines Militärgericktserkenntnisses, wodurch ein Of­fizier wegen Beschimpfung Ungezogener Volks­schullehrer eine mehrmonatige Festungsstrafe bekam, schrieb der Kaiser nach derSlaats- bürgerzeilung" : ,Jch glaubte nicht, einen solchen ungebildeten in Meiner Armee zu haben." Der bctr. Offizier wurde nach Strafverbüßung veranlaßt, seinen Abschied einzureichen.

Berlin, 25. Aug. Die von der sozial, demokralstchen Partei auf gestern abend ein- berufenen 37 Versammlungen mit der Tages­ordnungDer gegenwärtige Stand des Bier- doykotts" waren von zusammen ca. 15 20,000 Personen besucht. In der von allen Versammlungen gleichlautend angenommenen Resolution erklären sich die Versammelten mit der Fortführung deS Bierboykotts ein­verstanden und verpflichten sich, denselben nach Kräften weiter anszudehnen, bis die Ar­beiter und Arbeiterinnen Berlins kein Ring­bier mehr trinken.

Die Treulosigkeit seines Weibes hat den 56 Jahre alten Inhaber desErsten Instituts für internationalenFremdenverkchr", Wilhelm Böttger in Berlin, in den Tod ge­trieben. Während er im vorigen Jahre in einem Krankenhause darniederlag, hatte seine noch junge hübsche Frau die Bekannnlschaft eines Kunstreiters gemacht, und ist mit diesem, nachdem sic die Wohnungseinrichtung zu Geld gemacht hatte, durchgegangen. Als Böttger nach seiner Genesung heimkehrte, fand er das Nest leer, später erfuhr er, daß seine treulose Ehehälfte sich in Neapel niederge­lassen habe. Der böse Streich, der ihm ge­spielt worden war, hat Böttger s» schwer getroffen, daß er die Lust am Leben verlor und auch wiederholt die Absicht auesprach, daß er einen Selbstmord begehen würde. Diese Absicht hat er jetzt auSgeführt, indem er in seinem in der Universitätsstraße Nr. 2 belegenen Bureau sich an der Thür erhängte. In einem Briefe, den Böttger an einen An­gestellten seines Geschäfts richtete, schreibt er, daß das Leben ihm eine Last geworden sei

und fügt die Bitte hinzu, seine Frau, die er stets geliebt habe, davon in Kenntnis zu setzen, wie er geendet habe.

Als in der letzten Nächte in Dres­den zwei Zivil-Feuer Wächter auf ihrem Dienst­wege durch die Augustusstraße gingen, über­holte» dieselben eine Person, welche lang­samen Schritts vor ihnen ging. Im Mo­ment des Vorübergehens wendete sich die Person gegen die beiden undsübergoß sie mit einer brennenden Flüssigkeit, wahrscheinlich Schwefelsäure. Der eine der Wächter wurde im Gesicht getroffen und ziemlich verbrannt, besonders die Augen schienen sehr verletzt zu sein. Der andere hatte die Flüssigkeit mehr über die Kleidung bekommen und skonnte die sich schnell entfernende Person verfolgen. ES gelang ihm auch, dieselbe festzunehmen und eS zeigte sich, daß es eine in Mannö- kleidern steckende Frauensperson war, welche ebenfalls bei dem Angriff im Gesicht Brand­wunden erlitten hatte. Es soll die Geliebte des einen schwer verletzten Wächters sein, den man in das Stadlkrankenhans übersührte.

Aus Braunschweig, 22. Aug., schreibt man der Fr. Ztg.: Tue weitere Untersuch­ung wegen der Diebstähle an Bahngütern zeigt, welche gefährliche Diebesbande man ermittelt hat. Bis jetzt sind 14 Rangierer rc. verhaftet, und voraussichtlich ist noch eine Anzahl weiterer Verhaftungen zu erwarten. Die Haussuchungen bei den Dieben fördern eine Unmasse gestohlener Gegenstände aller Art zu Tage; die Spitzbuben nahmen alles, was sie bekommen konnte», und habe» ihre Räubereien jahrelang ausgeübt. Sie bestahlen vorzugsweise durchgehende Wagen, von deren Thüren sie die Plomben entfernten und nach­her kunstgerecht wieder anbrachten. Der Um­stand, daß sie einem auf dem Bahnhofe be­schäftigten Maler die Farbentöpfe stahlen, führte zur Entdeckung der frechen Bande.

Bei der Station Köserung (unweit Regensburg) überfuhr ein Schnellzug ein Getreidefuhrwerk, dessen Lenker die Zugschrantc eigenmächtig geöffnet haben soll. Der Mann wurde schwer verletzt. Der Zug hatte 18 Minuten Verspätung.

Bei Simbach wurde am 24. ds. früh bei dem gefechtsmäßigen Schießen mit scharfen Patronen des 2. Bataillons des 2. bayer. Infanterie-Regiments ein 6jähriger Knabe erschossen. Die Hebung wurde sofort abge­brochen.

(Ein verwegenes Gaunerstückchen.) In einem Kupee 2. Klasse deS KnrierzugcS, der neulich nachts von Budapest nach Wien abging, saßen zwei Reisende, die sich über das ThemaGeld" unterhielten. Der eine der beiden Herren verriet, daß er mehrere Tausender bei sich trage, worauf der Zweite bemerkte, noch niemals im Leben eine solche Note gesehen zu haben. Vertrauend zog nun der Tausend-Guldemann seine Brieftasche heraus und reichte einen Tausender seinem Gegenüber, der nun aufstand, an's Fenster trat und so that, als ob er die Note bei Licht genau besehen wollte. Plötzlich öffnete er die Kupeethür und lief auf den schmalen Gang des Waggons hinaus, ohne baß der Andere sich rührte, da er das Ganze für einen Scherz hielt. Da öffnete aber Jener die Gangthüre, schwang sich blitzschnell bie Treppe hinab und war im Dunkel der Nacht verschwunden. Der so unvermutet seines Tausenders entledigte Passagier zog sofort die Notleine und in der Station Tests mach»