Das große Los.

Original-Novelle von Leo Werner.

Nachdruck verboten.

1 .

Der Com» nzienrai Malten galt in der Residenz als ei >er der angesehensten und reichsten Männ-r der bürgerlichen Aristokratie, aber wenn alle diejenigen Leute, welche Mal­ten wegen seines ReichtumeS, seine- geschäft­lichen Glücks und seiner bevorzugten Stell­ung beneidelen, genau gewußt hätten, wie trügerisch das Glück des Commerzienrats in Wirklichkeit war, so hätten wohl wenige der Neider in seiner Hrut stecken mögen. Wie nicht alle Leute wußten, verdankte Mallen sein Vermögen nicht nur den großen Er­folgen s.iuer Maschinenfabrik, sondern er hatte eS vor allen Dingen auch durch glück­liche Speculaticn.u und waghalsiges Börsen­spiel erworben. Das Glück, auf welches Malten so Irrüge gebaut, hatte ihn aber im letzten halben Jahre bei seinen Speculanten gänzlich verlassen, Unsummen hatte er ver­loren, ja, sein ganzer Credit wäre vernichtet gewesen, wenn ein namhafter Vertreter der Geschäftswelt eine Ahnung davon gehabt hätte, wie groß die Verluste des Commerzienrats Malten während der letzten sechs Monate gewesen waren. Derartige Erfahrungen konn­ten natürlich den einst von» Glücke so sehr verwöhnten Commerzicnrat im Herzen nicht froh und znveisinnlich stimmen. Zwar der Welt gegenüder und auch m.istniS in seiner Umgebung beherrschte er sich vollständig, und z igle wie immer sein stolzes Antlitz mit dem überlegenen Lächeln, aber im Herzen des Commerzienrats sah es wüst und öde aus.

Wenn Malten allein in seinen» Privat­konto! wa» oder ohne Begleitung sich in seinem schönen Garren befand, und den ungeheuren Vermögensverlust der letzten Monate über­schaute, da rieselte es ihm eiskalt durch die Adern und seine Hände ballten sich krampst basi. Doch Mauen war ein viel zu kluger Mensch und gewiegter Geschäftsmann, um sich trotz des furchldaren Schlages, der sein Vermögen betroffen, ganz der Verzweistlung hinzugeven. Er wußie, daß es nicht außer­halb deS Bereiches der Wahrscheinlichkeit war, daß ihm doch noch manche neue Specuiation getingen könne, und er glaubte noch an sein künst'aes G ück, denn er war charakterfest g nng, uw o-n Kopf nicht zu verlieren und rurch Ratlosigkeit seinen vollständigen Ruin herdeizuführen.

Mancherlei Möglichkeiten boten sich ihm dar, in kurzer Zeit sein Vermögen odersei­nen Credit zu vermehren. Maltens einziger, 'ehr lüchtiger Sohn Ludwig, der ein ausge­zeichneter Maschinen-Jngenieur vom Fach des VaierS war, gedachte sich demnächst öffentlich Mit der einzigen Tochter des begüterten Berg­werkbesitzers Matthias Hülsemann zu ver­loben. Diese Verlobung war eigentlich eine schon längst abgemachte und auch in den Freundeskreisen der Familien Malten und Hülsemann bekannte Angelegenheit, und man hatte den Tag der offiziellen Bekanntmachung der Verlobung nur deshalb um ein halbes Jahr hinausgeschoben, weil Frau Hülscmanu, die innig geliebte Mutter der Braut, plötz­lich an einem Herzschläge verstorben war, und man erst die Zeit des größten Schmer- zenS und der tiefste» Trauer im Hülsemann- schen Hause velfließen lassen wollte, ehe man

das freudige Ereignis aller Welt verkündigte.

Ohne eine bedeutende Mitgift würde natürlicher Weift Herr Hülsemann seine ein­zige Tdchter auch nicht als junge Frau in das Malten'sche Haus einziehen lassen, da« war klar. Dann boten sich aber dem Mal- ten'schen Geschäfte durch die neue bevorsteh­ende Familienverbindung auch noch weitere Vorteile, denn die Malten'sche Maschinen­fabrik war eine bedeutende Abnehmerin der Kohlen des Hülsemann'schen Bergwerkes.

Der Commerzienrat Malten hatte ferner mit gewohntem Scharfblick ein für Dampf­kesselanlagen wertvolles Patent von einem englischen Ingenieur erworben, und konnte damit vielleicht Hunderttausende verdienen. Auch hoffte Malten noch immer darauf, daß die Aktien eines Gußstahlwerkes, in denen er hauptsächlich große Summen engagiert halte, doch allmälich wieder steigen würden, und schließlich dachte er auch sein sonst sprich­wörtliches Glück mehr als er sonst gewohnt war in der Landeslotterie zu versuchen.

Bei dem ihm befreundeten Banquier und Hauptcollecteur Buchhsld hatte Malten ge­stern drei Voülose bestellt, und heute Vor­mittag, als der Commerzicnrat vor seinem Gange in die Maschinenfabrik noch bei dem Frühstück und hinter den Zeitungen faß, meldete der Diener die Ankunft des Herrn Buchhold selbst.

Ueberrascht erhob sich Malten vom Sopha, um den seltsamen Gast zu begrüßen.

Guten Morgen, lieber Herr Commer­zienrat," rief der eintretende Banquier leb­haft.Wollte mich nur einmal nach Ihrem Befinden erkundigen, wir sahen uns, wenn ich nicht irre seit zwei Monaten nicht. Bringe Ihnen auch gleich selbst die bestellten drei Lose. Es sind lauter Glücksnummern, ich kann sie Ihnen wirklich empfehlen."

Besten Dank für Ihre Freundlichkeit," erwiderte Mallen in jorialem Tone.Wir werden ja bald sehen, was an drei Glücks­nummern ist."

Nun, alle drei können freilich nicht das große LoS gewinnen, aber Vielleicht gewinnt eS eine von den drei Nummern. Bei Ihrem sprichwörtlichem Glück ist kein Ding unmög­lich," schloß der Banquier.

WffskN Sie so genau, daß ich immer Glück habe?" frug Malten jetzt forschend.

Buchhold blinzelte jetzt ein?» kurzen Mo­ment mit seinen klugen, grauen Augen auf die lauernde Miene des Commerzienrats, als wollte er in dessen Seele lesen, dann ant­wortete er aber kurz und scheinbar ohne jede Berechnung:

Erst heute morgen habe ich eS wieder erfahren, waS Sie sür ein Glück haben, Herr Commerzienrat."

Heute morgen?" gab Malten erstaunt zurück.Was soll ich denn heute morgen oder gestern abend für ein Glück gehabt ha­be», Herr Buchhold? Sie sprechen in Rät­seln."

Also Sie wissen nichts von dem großen Glück, welches Sie oder vielmehr Ihr Herr Sohn, nein, zweifellos beide haben," frug Buchhold lauernd.

Ich verstehe Sie nicht. Reden Sie endlich deutlich," entgegnet« beinahe ärgerlich Malten.

Nun, Sie wissen nicht, daß Matthias Hülsemann, mit dessen Tochter sich Ihr Herr Sohn zu verloben gedachte, seit letzter Nacht

so gut wie bankrott ist. Ist das nicht ein großes Glück für Sic und Ihren Sohn?"

Mensch,das nennen Sic Glück?" brauste Malten auf.Das betrachten Sie als Glück für mich, weil Hülsemann sein Vermögen verloren hat. Sind Sie bei Sinnen. Sie reden ja wie ein Rasender. Ist eS über­haupt wahr, was Sie da verkünden."

Einige Augenblicke Geduld, Herr Com- meizienrat, ich rede die Wahrheit und Sie scheinen mich mißzuvcrstehen. Matthias H. steht thatsächlich vor dem Bankrotte, denn in letzter Nacht ist in seinem Bergwerke ein Schacht eingestürzt, der ganze Bergbach fließt in das Bergwerk, die Wasserwerke sind zer­stört und die ganze Felix-Grube ist für lange außer Betrieb gesetzt, ja vielleicht vernichtet."

Starr, mit weit aufgerissenen Augen blickte der Commerzienrat den Unglücks­propheten an und erwiderte kein Wort. Da fuhr Buchhold in seiner unverfrorenen Weise fort:

Und da ist es doch als ein großes Glück zu bezeichnen, Herr Commerzienrat, daß/Jhr Herr Sohn noch nicht mit Fräulein Hülse- mann officiell verlobt oder gar schon ver­heiratet ist."

Der Commerzienrat brach in ein Wilde- Lachen aus und rief dann empört:

Und das nennen Sie Glück, Herr Buch­hold? Sie sollten sich schämen, mir in so taktloser Weise das schreckliche Unglück mii- zuteilen."

l Fortsetzung folgt.)

ReichsgerichtlicheEntscheidnng. Uebcr die für Mieter und Vermieter gleich wichtige Frage:In welchem Zustande muß eme Wohnung bei der Räumung derselben dem Vermieter zurückgeg >ben werden? sind bei den häufig vorkommenden Streitigkeiten Von den verschiedenen Gerichten bisher die verschieden­sten Urteile gefällt worden. Neuerding- ist nun durch das Reichsgericht anläßlich einer derartigen Strciisache eine sehr wichtige Ent­scheidung herbeignübrt worden. Danach ist die Klausel in den Mietsverträgen:Mieter hat die Wohnung z» übergeben, wie er sie übernommen hat," mit der Einschränkung zu verstehen,soweit sie nicht durch ordnungs­mäßigen Gebrauch abgenutzt, also abgewohnt ist." Dagegen bat der Mieter für allen durch Mutwillen, Unreinlichkeit oder schlechte Pflege der Wohnung entstandenen Schaden aufzukommen, insbesondere aus Schmutzflecken verunreinigte oder abgerissene Tapeten zu reparieren, zerbrochene Fensterscheiben wieder ganz machen zu lassen oder verlorene Schlüssel zu ersetzen. Abgelaufcne Dielen, durchgc- brannte Herde und Ofenröhren, zersprungene Kacheln und Eiseuplatten, schadhaft gewordene Lchlösser und Thürklingen sind dann zu er­setzen, bezw. zu reparieren, wenn die Be­schädigung nachweislich durch Fahrlässigkeit oder gewaltsame Behandlungsweise entstanden ist. Mieter hat beim Verlassen der Wohn­ung dieselbe vollständig zu räumen und dem Vermieter die Schlüssel zu übergeben. Bis zur Ablieferung der letzteren gilt der Miets- Vertrag als noch nicht beendigt, und der Mieter hat thatsächlich dem Vermieter den entfallenden Mietzins weiter zu zahlen. Die Wohnung ist dem Vermieter in gereinigtem Zustande d. h. beftnrein zu übergeben.

Druck und Verlag von Bernh. Hofmann in Wildbad. (.Verantwortlicher Redakteur Bernh. Hosmann).