Rundschau.

Heilbronn, 22. August. Abermals hat der Tod in die Reihen der hiesigen Volks- p,,rlki eine schmerzliche Lücke gerissen. Nach» t»m erst vor wenigen Wochen unser allv-r- chrter Härle zur letzten Ruhe bestattet wurde, halten wir vorgestern die traurige Pflicht, unserem entschlafenen Mitbürger und Partei­genossen G. N. Sauber die letzte Ehre zu erweisen. Ein stattlicher Trauerzug gab, wie tue H. Z- schreibt, Zeugnis von der Liebe und Achtung, deren sich der Verstorbene er­freute. Die Rede am Grabe hielt Stadt- pfarrcn Wurster, der in tiefempfundenen Worten das Leben und Wirken des Dahin- geschiedcnen schilderte, dabei besonders her- vorhebend, daß er stets ein warmes Herz für die Not und das Elend seiner Mitmenschen hatte und daß er stets ein treuer Berater der Witwen und Waisen war, den man schwer vermissen werde. Kränze legten nieder: Oberbürgermeister Hegelmanr namens d-r hiesigen Stadtgemeinde, Gemeinderat Haag namens des WeingärtnerVereins, G- Winter namens der VotkSpartei Heilbronn, I. Bauer namens des Familienpfletzvereins, H. Springer namens des Gesangvereins Ucbanus I, Kom­mandant Renner namens der Feuerwehr. Einen weiteren Kranz ließ der Winzerklub Stuttgart durch einen Vertreter nicderlegen. Tiefbewegt verließ die Versammlung die Trauerstätte, jedes das Bewußtsein in sich tragend, daß sie einen echten Volksmann und wackeren Mitbürger verloren haben.

Dürrenzimmern, 23. Aug. Eine bar­barische Tieiguälerei ließen sich zwei Burschen von hier zu Schulden kommen. Dieselben sollten laut N.-Z. einen jungen Stier nach Norvhausen verbringen; derselbe war aber das Führen am Stricke nicht gewohnt und legte sich zu Boden. Die beiden Treiber be­arbeiteten nun das Tier mit ihren Stöcken derart, daß der ganze Körper des Tieres, als es in Nordhausen cintraf, über und über mit Striemen und Beulen bedeckt war. Der Stier brach infolge dieser Behandlung in Nordhausen zusammen und hat sich (es sind jetzt 14 Tage) nicht mehr erhoben. Er muß jetzt laut tierärztlichen Ausspruches geschlach­tet werden. Eine strenge Strafe für eine solche abscheuliche Tierquälerei wäre ange­bracht.

Laudenbach, 23. August. Ein hiesiges Mädchen, das bei einem verwitweten Eisen- dreher in Unterdürrbach im Dienste war, aber nicht länger dort bleiben wollte, wurde vorgestern von ihrem Dienstherr» nahezu er­drosselt. Dem Arzte gelang es zwar, das bewußtlose Mädchen wieder ins Leben zurück- zuruseu, aber noch ist die Lebensgefahr nicht beseitigt.

Murrhardt, 22. Aug. Auf schauerer- regende Weise nahm sich am heutigen Vor­mittag i» unserer Teitgemeinde Käobach der 28 Jahre alte ledige Bauernsohn Kugler das Leben. Vom Felde heimgekehrt begab er sich zwischen 10 und 11 Uhr heute früh in seine Kammer und durchschnitt sich, auf dem Bette liegend, mittels eines Rasiermessers den Hals. Der Selbstmörder, Sohn acht­barer und vermöglicher Eltern, leidet schon über ein Jahr an Geistesgestörtheit und ist seine Thal jedenfalls auf einen Zustand gei­stiger Umnachtung zurückzuführen.

Pfullingen, 22. Aug. Dank der Be­mühungen des gegenwärtigen Leiters der hies. Flammschen Heil- und Pflegeanstalt, de»

Herr» Direktors Dr. Binder, wurde den Pfleglingen und einer Anzahl von Gästen am letzten Sonntag nachmittag ein seltener Genuß zu teil. Die Angehörigen der An­stalt , worunter auch Aerzte, gaben ihren HauSg. «offen und Freunden ein mehrere klassische Stücke umfassendes Konzert, be- welchem sowohl die Instrumental- (Klavier- und Violin-) wie die Vokalvorträge eine in jeder Weise gelungene Durchführung fanden. Die Freude des Gelingens war bei Mitwir- keudeu und Zuhörern eine allgemeine.

Berlin, 21. Aug. Der leidigen Ange­wohnheit junger Mädchen, beim Nähen Steck­nadeln im Munde zu halten, ist am Sonn­tag abend die einzige Tochter eines hiesigen Hafenmeisters zum Opfer gefallen. Sie war mit dem Anstecken der Gardinen beschäftigt, wobei sie die Stecknadeln im Munde behielt. Infolge eines herabfallenden Gegenstandes zuckte sie zusammen und verschluckte mehrere Nadeln, die sich in der Luft-, bezw. Speise­röhre festsetztcii. Das bedauernswerte Mäd­chen stürzte mit lautem Aufschrei vom Stuhle herunter und wälzte sich in Zuckungen auf dem Boden umher, wobei der Unglücklichen das Blut aus dem Munde hervorquoll. Auf Anordnung des hcrbeigerufenen Hasenarztes, der eine Durchbohrung der Lttftröhrenwand- ung feststellte, wurde das Mädchen schleunigst nach dem Krankenhause geschafft, in welchem es jedoch bald unter großen Oualcn starb.

Erfurt, 21. Aug. Ein entsetzliches Un­glück hat sich gestern abend hier ereignet. Ein Offiziersbursche führte das Reitpferd seines Herrn spazieren, das, wie es heißt, mehrere Tage nicht aus dem Stall gekom­men sein soll. Mit einem Male warf sich das Tier auf den Burschen und biß ihm den rechten Arm samt dem Knochen durch; so­dann warf das rasende Tier sein Opfer nie­der und schlug und biß den Unglücklichen so lange, bis er kein Lebenszeichen mehr von sich gab. Auch als Leute hinzueilten und mit Stöcken auf das Pferd einhieben, war es nicht von dem bedauernswerten Burschen weg­zubringen. Der Körper des Unglücklichen war furchtbar zugerichtet und an eine Rett­ung nicht zu denken. Bald darauf starb der Arme.

Mannheim, 21. Aug. Hier und ander­wärts war das Gericht verbreitet worden, Schneidermeister Dowe, der Erfinder de» schußsicheren Panzers, über den die Mein­ungen immer noch sehr geteilt sind, sei in Aachen erschossen worden. DieN. Bad. Landesztg." hat demgegenüber auf telegraphische Anfrage in Aachen erfahren, daß Dowe sich des besten Wohlseins erfreut und eine Reise noch Belgien angetreten hat.

Aus Neukirch wird derSchw. Bzlg." mitgeteilt, daß Farrenhändler Xaver Mey eine Kuh samt 5 Monate alten Kuhkalb um den seltenen Preis von 2300 ^ an Herrn Kommerzienrat Dnttenhofer verkaufte; auch von Mengen wird geschrieben, daß letzterer von Gerber Hepp dort ein Paar 2jährige Simmerthalerkalbeln für 2300 Mark kaufte.

In Barr im Elsaß wohnt ein Pho­tograph, der nicht mit sich spaßen läßt. Er hat im Schaufenster die Bilder der hartge­sottenen. Schuldner mit den Köpfen nach unten aufgehängt und einen Zettel daran geklebt mit der Aufschrift:Nicht bezahlt". Nur Zahlung bis auf den letzten Heller kann die armen Sünder aus ihrer peinlichen Lage befreien.

Aus Agram wird berichtet: Der Pharmazeut Anicmi, ein junger Mann aus guter Zaratiner Familie, wurde heute mit seiner fünfzehnjährigen Geliebten, einem Mädchen aus einem hiesigen Bürgerhaus?, tot im Bette aufgefunden. Die Leichen hiel­ten sich noch fest umschlungen. Aus zurück- gelassenen Briefen geht hervor, daß beide zuerst eine Cyankalilösbug genommen hatten, wor­auf Anicint dem Mädchen eine Kugel ins Herz jagte und dann sich selbst erschoß. I» einem der Briefe erklärt das Selbstmörder­paar, daß es glücklich und beseligt sterbe.

Aus dem Haag, 19. August, wird be­richtet : Großes Aufsehen erregt ein Raub­mordversuch auf den hiesigen belgischen Gc- sandtschaftS Sekretär Baron Wykerslooth. Als Genannter in der Nacht nach seiner Wohnung heimkehrte, wurde er von einem unbekannten Manne überfallen, mit einem Totschläger niedergeschlagen und beraubt. Der Mörder, der sein Opfer für tot hielt, raubte eine Baisumme von 8000 Gulden. Baron Wykerslooth wurde in seine Wohnung ge­bracht.

Letzthin starb in einem lothringischen Orte ein Knabe von 9 Jahren an einer Hirnkrankheit. Schon seit Wochen hatte das Kind über Schmerzen im Kopse geklagt. Wie nun eine ärztliche Untersuchung ergeben hat, ist ein heftiger Schlag an den Kopf die Krankheits- und Todesursache gewesen.

Ein furchtbares Verbrechen ist vor einigen Tagen bei Prettin hinter Werder ent­deckt worden: man fand dort im Flusse schwimmend die Leiche eines etwa 60 Jahre alten Mannes, welchem der Hals zugeschnürt und die Hände auf den Rücken zusammen- gcbunde» waren. Am Kopfe sandcn sich schwere Verletzungen vor, die anscheinend von starken Schlägen herrührten. Es hat sich nun ergeben, daß die Leiche die eines Häus­lers Gehrisch aus Mehderitzsch ist, welcher seit einiger Zeit verschwunden war. Der alte Mann ist nach einem stattgefundenen Wortwechsel von seinem eigenen 21jährigen Sohne erschlagen und dann in dem ange­gebenen Zustande in den Fluß geworfen wor­den. Der Unmensch ist der Staatsanwalt­schaft eingeliefert und hat bereits die That eingestanden.

Fiume, 23. August. Bei dem Hafcn- brande wurden 50 000 Meterzentner Waren zerstört; insbesondere Mehl, Zucker, Pflau­men und Wolle.

Verhungert ist in New-Iork d. Sängerin Madame Osborne, welche vor Jahren an der New-Iorker Oper große Erfolge errungen hatte. Später verlor sie ihre Stimme und gab nur noch Gesangsunterricht; doch reichte der Ertrag der Stunden, die sie für 20 Cents I I gab, nicht aus, um sie und ihre Kinder zu ernähren. Madame Osborne hatte das Londoner und das Leipziger Kon­servatorium absolviert.

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.'. (Ein Gestrenger ) Der Bürgermeister von Klyndale hat sechs Damen arretieren lassen, welche Bicycle fuhren. Er begründete seine Maßnahme damit, daß es Frauen ver­boten sei, in Männerkleidung auf die Straße zu gehen. Aller Protest und der Hinweis, daß die beanstandete Kleidung ja das Sport­kostüm der Damen sei, halfen nicht, denn die Damen hatten Hvsen an und Hosen find das Attribut des Mannes.