über Berlin geflüchtet sein. Die Kriminalpolizei suchte nach dem Flüchtling in sämtlichen Berliner Gasthöfcn, ermittelte ihn jedoch nicht. Auf seine Ergreifung sind 1500
Belohnung ausgcsetzt.
New-Aork, 22. Mai. Die Ueberschwem- mungen in Pennsylvanien und im Staale New-Aoik haben große Verheerungen angerichtet. Mehrere Eisenbahnlinien mußten de» Betrieb einstellen. — Heute sind 2 300 000 Dollars Gold mit einem deutschen Dampfer nach Europa abgegangen.
Vermischtes.
— Durch die Spalten der deutschen Blätter läuft eine Ente und schnattert: „Fürst Bismarcks Brust müßte, wie ein Statistiker ausgerechnet hat, einen Umfang von mindestens sieben Metern haben, wollte er alle seine Orden auf einmal tragen. Die Zahl der ihn, verliehenen Dekorationen beläuft sich auf 182." Nach der Rangliste, die bekanni- lich von der Geheimen Kriegskanzlei aufgestellt und das Jveal amtlicher Zuverlässigkeit ist, hat Fürst Bismarck 51 Orden und Ehrenzeichen, also genau 431 weniger, als der phanrasievolle Statistiker ihm angkdichtkt
Die Wallfahrt nach Gzenstochau.
Roman von Johanna Berger.
(Nachdruck verboten.)
25.
Später, als Du erwachsen warst, suchtest Du bei mir nach Kräften Ordnung zu schaffen, aber ich lohnte Dir schlecht dafür! Ich war w'ld und hart und böse achtete nicht Deinen stillen Gram. — Aber von jetzt an soll es anders werden, Du kannst mir'S glauben, Jadwiluschka, ich hab's geschworen und Wort halte ich — oder der Teufel soll mich holen!"
Doch nun versagte dem Alten die Stimme, er war von dem vielen Reden ganz hinfällig geworden. Das junge Mädchen kauerte in sich versunken regungslos auf ihrem Stuhl.
„Hat denn Niemand erfahren können, aus welcher Gegend meine arme Mutter nach Czenstochau kam?" fragte sie endlich. „Hat sie nicht hinterlassen, was Aufschluß über ihre Person, ihre Verhältnisse geben konnte?"
„Du lieber Gott, darum kümmerte sich kein Mensch. Wer fragt wohl viel nach einem fremden, kranken Weibe, das am Wegrain stirbt! Freilich zuerst, da jammerte der Wojewode über die Kosten, welche dem Stadlsäckel durch den Unterhalt eines fremden Kindes erwachsen würden, und die alten Weiber zeterten auch. Sie warfen die kleine Handtasche mit den Sachen der Unglücklichen in den liefen See bei der Rochuscapelik, damit sie keinen bösen Hexenspuk in Czenstochau anrichten konnten, und Alles, was die fremde Frau an ihrem Leibe trug, wurde mit ihr begraben. Nur ein kleines, goldenes Herz, daS an einer Bernsteinkette befestigt war, nahm meine Bona der Toten vom Halse, um rS für Dich zum Andenken an die nie gekannte Mutter aufzuheben. Es ist dasselbe, daS ich Dir bet der Firmelung übergab."
Jadwiga schnellte Von ihrem Sitze empor. „Das Herz, das goldene Herz!" jammerte sie auf. „Jesus Maria, es war von ihr
hat. WaS es mit der sieben Meter weiten Brust auf sich hat, braucht daher nicht weiter erörtert werden.
— Hochzeit ans hoher See. Eine ori. ginelle Hochzeit hat am letzten Samstag der Kapitän Kröncke von dem im Hamburger Hafen liegende» norwegischen Schiff „Helios" gefeiert. Als echter Seemann wollte er mit seiner aus Norwegen hcrbeigeeilten Braut
— auch Kröncke ist Norweger — auf hoher See getraut werden. Der Schleppdampfer „Terschelling" fuhr deshalb in vergangener Nacht mit dem Brautpaar, dem Pastor England aus Norwegen, zwei Brautjungfern und den übrigen Trauzeugen clbabwärts und begab sich weiter hinaus in die offene See. Es herrschte ein sehr stürmisches Weller und die Braut, der Pfarrer und verschiedene andere als Hochzeitsgäste mit auf die Fahrt gegangene Landratten sollen recht sehr ander Seekrankheit gelitten haben. In der Nähe von Helgoland machte der Dampfer fest — es war Morgens 4 Uhr — und der Akt der Trauung ging vor sich. Nach seiner Beendigung wurde die Rückfahrt angetreten. In Cuxhaven stieg die Hochzeitsgesellschaft a» Land und nahm in „ArrienS Hotel" ein
und ich wußte es nicht — ich gab es fort!
Aber Du mußt es mir wieder beischaffen
— Du mußt zum Propst gehen und ihn bitten, daß er mir das einzige Andenken an mein totes Mütterlein wieder giebt — Lu mußt, Vater, Du mußt es thun!"
„Zum Probst? — Ich Verstehe das nicht. Was hat der Probst mit Deinem goldenen Herz zu schaffen?"
Das Mädchen senkte erglühend das Köpfchen, sie flüsterte kaum hörbar: „Ich ging heute Morgen auf den Jasnagora zu unserer schwarzen Madonna und klagte ihr meine Seelennot, ich bat um ihre Hülfe und Gnade und schenkte ihr mein Herz. Ach, ich wußte ja nicht, von wem dasselbe stammt! Doch jetzt erzählst Du dem Prior, wie teuer mir das Kleinod ist, nicht wahr, Vater? Und dann versprich ihm ein anderes, besseres Geschenk für die Madonna. Ich will Tag und Nacht dafür arbeiten, ich will Alles geben, was der Prior haben will I" — Und nun barg sie das Gesicht in beide Hände und schluckte. ,Ach, daß ich auch so arm bin, so bettelarm, und nicht gleich etwas Anderes für die heilige Jungfrau habe!"
„Jadwiga!" rief voller Entsetzen der Alle. „Das geht nicht an, was Du Maria geschenkt hast, m„ß ihr verbleiben- Das Wiedernehmen ist Sünde und Dich trifft ihr Zorn I"
Das Mädchen schüttelte den Kopf. „Nein Vater, nein , unsere heilige Muttter von Czenstochau ist gut und milde. Und ich werde ihr Alles «»vertrauen — auch daß ich ihr gern mein Herzblut opfern möchte — Tropfen um Tropfen — für das goldene Herz, das meine arme Mutter mir hinter- laffen hat!"
„Ich will's versuchen, Jadwiga, ich will zum Prior gehen und Fürbitte für Dich thun aber lass' nur das schreckliche Weinen!"
Jadwiga stürzte zu dem Alten hin, ergriff seine Hände und preßte sie zärtlich an seine Brust. „Ach, Du lieber Vater," sagte sie, „wie soll ich Dir das v rgelien? Wie soll ich Dir Alles vergelten, was Du einst an mir armem verlassenen Wurme gethan?
Frühstück ein, das noch den überstandenen Strapazen prachtvoll gemundet haben soll. Hierauf wurde die Weiterreise nach Hamburg mit dem Vormiltagszug angetretcn.
4 - *
— (Beinahe von Dollars verschüttet) Der Gefahr, durch Silberdollars erdrückt zu werden, entkamen jüngst mit knapper Not mehrere Beamte der Münze in Philadelphia. Sic hatten den Auftrag, eine große Summe Geldes nachzuzählen, die seit Jahren in einem Gewölbe des Münzamts aufgespeichert lag. B-i der Oeffnnng des Gewölbes zeigte sich, daß die Säcke, in denen die Silberstücke verwahrt wurden, vermodert waren und auseinanderfielen, sobald man den Versuch machte, sie aufzuheben. Als einer der Beamten mit Mühe sich auf dar Gebirge von Geld hinaufarbeitete, um die losen Stücke zu sammeln, platzten eine ganze Reihe von Säcken und plötzlich setzte sich die ganze Masse der Geldstücke in Bewegung, so daß die in dem Gewölbe befindlichen Leute sich nur mit Mühe retten konnten. Der Sturz der Geldstücke, die eine Summe von 2 Millisnen Dollars auSmachten, erschütterte das ganze Gebäude.
Du gutes Väterchen, Du!" Und nun beugte sie sich noch tiefer herab und küßte die rauhe Faust, die sich so oft zum Schlage gegen sie erhoben hatte.
Dann raffte sie sich empsr und eilte in das kleine Cabinet, das ihr Schlafkämmerchen war. Sie legte rasch ein anderes Kleid an und ordnete ihr schönes wirres Haar. Dann band sie sich ihr Mäntelchen um und knüpfte einen blauen Schleier über den blonden Kopf. Wie w-ißer Marmor leuchtete das schöne bleiche Gesicht aus der duftigen Umhüllung hervor.
Gleich darauf trat sie wieder in die Stube des Alten und reichte ihm die Hand. „Leb' wohl, Vater," sagte sie leise, „Gott behüte Dich I"
Er faßte ihren Arm. „Was willst Du thun?"
„Fort will ich!" erwiderte sie.
„Fort, Weggehen von mir — mich verlassen ? — Das kann Dein Ernst Nichtsein. Ach, Jadwiluschka, Ihue es nicht, bleibe bei mir. Wie eine Prinzessin will ich Dich halten von jetzt an, nur geh' nicht fort!" Die Stimme des Alten zitterte, immer fester umklammerte er des Mädchens Arm.
Aber sie machte sich sanft von ihm los und nahm ihre Reisetasche in die Hano. „Laß mich gehen," sagte sie mit finsterem Gesicht, „ich muß fort, in Czenstochau ist meines Bleibens nicht mehr, ich kann die Menschen nicht wieder sehen, die mich so furchtbar gekränkt haben! Anderswo finde ich vielleicht ein Plätzchen, wo ich mir mein Brot verdienen kann. Darum halte mich nicht auf, es ist schon spät. Wenn ich kan», schreibe ich Dir. Und denk' manchmal an mich und wenn Du einmal hörst, daß ich gestorben bin, dann mach ein Kreuz an Deine Thür und bete für meinen Frieden."
„Ach Seelchen, ach goldenes Seelchen, rede nicht so! Sterben! — man stnblnicht so leicht. Und wenn Du doch gehen willst, so gehe mit mutigem Herzen! Vielleicht wendet sich noch Dein Schicksal zum Besten und Dein Leid ändert sich in Freude. Dann ist Alles vergessen!" <Fortsetzung folgt.)
Druck und Verlag von Beruh. Hosmann in Wildbad. (Verantwortlicher Redakteur Beruh. Hosmanu).