Rundschau.

Wilddad, 19. Mai. Heule abend 6 st« Uhr Iraf I. M. die Königin mittels Wagen in Begleitung der Hofdame Gräfin Uxkull zum mehrwöchentllchen Kurgebrauch hier ein Dem königlichen Viererzug fuhren Obcrhof- marfchall Frhr. v. Wöllwarth und Oberhof meistcr Frhr. v. Reitzenftein vor. D>e Königin fuhr durch die reichbestaggte Stadt direkt nach der Villa Wetzet, wo dieselbe für die Zeit ihres Aufenthaltes Wohnung genommen Die Reiseroute war über LesnbergCalw. Schon eine halbe Stunde später, um 6'/« Uhr, traf S. M. der König in Begleitung feines Adjutanten, Rittmeister Bieber, mit Sonderzug zur Begrüßung feiner Gemahlin hier ein. Derselbe wurde vom K. Bad kom- missär Oberst v. Karaß und Stadtfchultheiß Bätzner empfangen. Mögen Wildbads Heil­quellen und die herrliche Schwarzwaldlnft unserer Königin wieder volle Genesung bringen I

Se. Maj. der König hat die evang. Pfarrei Ottenhausen dem Stadlpfarrer Christaller in Berneck, Dek. Nagsld über­tragen.

Stuttgart, 21. Mai. Das heute kurz nach 5 Uhr verkündigte Urteil des DiSci- plinarhofesjfür Körperschastsbeamte sprach den Oberbürgermeister Hcgelmaier von Heil­bronn von der Anklage der Amtsunwürdig­keit frei und hob die gegen ihn verhängte AmtssuSpenston auf. Dagegen wurde der­selbe zu 100 Ordnungsstrafe sowie zur Tragung der halben Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten für die Sachver­ständigen verurteilt.

In den Motiven des Urteils wird aus- geführt, baß Hegelmaicr zwar mehrfach seine Befugnis überschritten und auch gegen die Staatsbehörden die ihm obliegende Achtung verletzt habe, daß aber diese auf einen großen Zeitraum verteilten Vorwürfe keineswegs auS- reichen, um ihn der ferneren Bekleidung seines Postens für unwüidig zu erklären und ihn demgemäs seines Amtes zu entsetzen.

Cannstatt, 18. Mai. Die diesjährige Königsparade tür die Mannschaften der Gar­nisonen Stuttgart und Ludwigsburg findet am Samstag den 26. Mai auf dem großen Exerzierplatz bei Cannstatt statt.

Stetten i. R-, 18. Mai. Ein über die Pfingstfeienage beurlaubter Soldat aus der Garnison Karlsruhe bekam in der Nacht vom Montag auf Dienstag, als er mit seinem Bruder ruhig nach Hause ging, unversehens von hinten einen Stich in die Schuliergegend, welcher mit solcher Wucht geführt wurde, daß dem Thäler das Messer abbrach und die Klinge stecken blieb. Der Blutverlust war so stark, daß der Gestochene auf der Straße zusammenbrach. Derselbe wurde unter Be­gleitung des hiesigen Ortsarzies ins BezirkS- krankenhans Cannstatt überführt; sein Zu­stand soll hoffnungslos sein. Der Thäler, ein zurückgestellter Rekrut, mit welchem er vorher im Wirtshaus einen Wortwechsel ge­habt haben soll, war ihm laut Eßl. jZtg. hinterlistig nachgegangen. Derselbe wurde am gleichen Tage ermittelt und verhaftet.

Calw , 18. Mai. Bei der heute in Hirsau staltgehablen Ortsvorsteherwahl er­hielt Herr Schlosser Majer dort 43 Stimmen,

Herr Verwaltungsaktuar Müller von Neu- bulaeb 36.

Unterreichenbach, 18. Mai. Ein be­dauerlicher Unfall hat sich gestern abend hier ereignet. Ein unten an einem Wagen häng« ender Stamm Holz mußte wegen einer Bieg­ung der Straße vom Wagen abgehängt und dann von den Pferden eine Strecke weit ge­schleift werden. Hiebei kam, wie man an­nimmt, der Stamm in's Rollen, wobei er das älteste, 4 Jahre alte Kind des Land­jäger Vöhnnger, einen Knaben, so unglück­lich erfaßt', daß dieser an den erlittenen Ver­letzungen »ach kurzer Zeit gestorben ist. Wenige Minuten zuvor befand sich das Kind noch unter Aussicht feiner Mutter, während dessen Vater erst später vom Dienst nach Hause kam. Die Eltern sind über das sie so hart betroffene Mißgeschick untröstlich.

Villingen, 15. Mai. Das Lotterieglück hat hier zwei Leute ausgesucht, denen es zu gönnen ist. Ein städtischer Holzhauer und ein Militännvalide haben in der Darm­städter PferdcmarkiSlotterie 500 Mark ge­wonnen.

Crailsheim, 20. Mai. In unserer schönen St. Johanniskirche wurde dieser Tage im mittleren Fenster des Hochaltars ein pracht­volles Glasgemälde ciugefügt, die Bergpredigt Christi darstellend; dasselbe, eine Stiftung von Frau Kaufmann Welsch zum Andenken an ihren verstorbenen Gatten, wurde in Mün­chen gemalt und kam auf über 4000 zu stehen.

Ratzenried, 20. Mai. Das 6 Jahre alte Knäbchen des B. Beutel von vier ist laut S. B. in die im Stalle befindliche Güllengrube gestürzt und ertrunken. Der Vater hat während feiner Abwesenheit wohl die Stallthüre zugemacht, nicht aber die Grube gedeckt und fand nun bei seiner Rückkehrzu seinem größten Schmerze das Kind als Leiche.

Ulm, 21. Mai. Heute früh wurde der 15 Jahre alte Friseurlehrling Müller im Hause seines Stiefvaters, des Wagcnwärters Eisenhart, in der Schiffergasse mit aufge­schlitztem Bauch in seinem Bette tot anfge- fuuden. Es scheint ein M»rd vorzuliegen. Ein Messer oder sonstiges schneidendes Werk­zeug wurde nicht bei dem Toten vorgefunden. Auch ist zu bezweifeln, ob sich ein Mensch eine so schwere Verwundung in selbstmör­derischer Absicht bcibringen kann. Die Ge­därme waren aus dem Leib hervorgedrungen und die Leiche bot einen schrecklichen Anblick. Die Polizei fahndet nach dem Thäler I doch fehlt bis j-tzt jede Spur.

Berlin, Id. Mai. Zur Enthüllung des Kaiser Wilhelm Denkmals in Königsberg am 4. September, welcher der Kaiser beiwohnt, wird das Eintreffen der Könige von Würt­temberg und von Sachsen, sowie des russischen Thronfolgers erwartet.

Berlin, 19. Mai. DieVossische Zeit­ung" meldet: In der letzten Zeit seien in Bayern in eingeweihtcn Kreisen wieder Ge­rüchte verbreitet, daß der König Otto ent­mündigt und der Prinzregent zum König ge­krönt werden solle. Die Reichsratskammer habe nach zwei geheimen Sitzungen einstim­mig ihre Zustimmung ausgesprochen. Die Abgeordnetenkammer glaube man auch durch die Einwirkung des von dem Prinzen Lud­wig geleiteten Grafen Prcysing willfährig zu machen.

Ende März erhielten mehrere süd­

deutsche Blätter einen von einem Pfarrer in

Westfale» Unterzeichneten Bettelbrief mit der Bille um Veröffentlichung. Mildihätige Her­zen wurden darin gebeten, einem armen, aufs schwerste heimgcsuchten Studenten aus bitter- stcr Not und Verzweiflung zu, in die erobne daS geringste Verschulden geraten fei, zu er­retten. Als Deckadresse für Einsendung der bei den ZeitungS-Expebitioncn eiugegangenen Gaben war ein in der Niddastraße zu Frank­furt a. M, wohnender Dr. D- angegeben. Die Staatsanwaltschaft hat sich nun nach dem Verfasser dieses Bettelbriefs näher erkundigt und dabei erfahren, daß die ganze Geschichte von demarmen Studenten" erfunden war. Die in dem Begleitschreiben angegebenen Na­men sind fingiert. Gegen einige Zeitungen, zumeist Lokalblätter, die den Aufruf ver­öffentlichten, hat das Gericht bereits das Ver­fahren wegen Veranstaltung einer unerlaub­ten Sammlung eingeleitet.

Der 26jährige Gärtnergehilfe Lethen hat, wie berichtet wird, den Rentner Petiy zu Godesberg ermordet und beraubt. Kaum daß sein Opfer gräßlich verstümmelt leblos am Boden lag, fuhr Lethen nach Bonn, wo er vergnügt mit dem geraubten Gelde, ca. 700 eine Anzahl Einkäufe machte uuv mit einem Dicnstmann, den er zum Tragen der Sachen engagiert, sich heiter unterhielt. Unter anderem kaufte er auch Verlobungs­ringe! Und am Sonntage, als schon die Be­hörde mit allem Nachdruck nach der Spur des Mörders forschte, feierte er fröhlich seine Verlobung! Sodann brach er auf, um mit der Braut eine Tour ins Siehengebirge zu machen. Inzwischen war auch schon die Polizei ihm auf der Ferse. Nachdem er durch einen Sprung in den Rhein vergeblich zu flüchten versucht, zeigte er die größte Ruhe und Kaltblütigkeit. Er leugnet andauernd trotz der vielen und jeden Zweifel ausschließ­enden Schuldbeweise.

Nach mehrjähriger Arbeit ist jetzt der zweitgrößte schweizerische Tunnel, AlbiStun- nel bei Zürich, durch welchen eine direkte kurze Verbindung zwischen Süddeutschlaud und Voralberg mit der Gotthardbahn nach Italien hergkstrllt wird, durchgeschlagen. Der Tunnel ist 3358 Meter lang.

Am Mittwoch gegen 11 Uhr nachts brach in einem großen, von vier Familien bewohnten Strohhause in Fischdach bei Brem- garten (Kanton Aargau) Feuer aus und äschert dasselbe ein. Ein Mann und zwei Kinder find in den Flammen umgekom- mcn.

Vermischtes.

Der Herzog Karl von Württemberg, der im vergangenen Jahrhundert gelebt hat, war ein gar gestrenger Herr und wollte Alles in der Welt, d. h. in seiner württembergischen Welt, nach seinem eigenen Kopf ummodeln. Einstmalcn reitet der He,zog Karl auf einem schönen Schimmel durch das Städtchen Calw im Schwarzwalde. In dieser Stadt war ein sehr berühmter Färber, er steht eben vor dem Hause und zieht seine Mütze ab.Hör' Er einmal," sagt der Herzog,kann Er mir den Schimmel da blau färben?"Ja, Durchlaucht, wenn er das Sieden verträgt," antwortet der Färber. Der Herzog ist still davon geritten.

Wie die Völker schlafen. Der Euro­päer oder Amerikaner schläft nur dann an­genehm unk b quem, wenn er ein weiches Kopfkissen unler stimm Haupte hat, doch