Die Wallfahrt ncrcb KzenstcrehcLU.

Roman von Johanna Berger.

Nachdruck verboten.

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Jadwiga war an einen seitwärts stehenden Baum getaumelt, an dem sie sich festhielt, denn es schwindelte ihr. Sie starrte wie irrsinnig mit leeren, unheimlichen Augen den Priester an, der jetzt mit drohender Geberde vor ihr stand:

Was fällt Dir ein, wie kannst Du es wagen, die heilige Handlung zu stören und ein öffentliches Aergernis herbeizusühren! Es hat Dir von jeher an Demut gefehlt, doch solche Ueberhebung, wie Du heute be­wiesen, habe ich Dir doch nicht zugetraut. Darf ei» Findelkind, das zu Grunde gegangen wäre, wenn man es nicht barmherzig unter die gläubigen Christen ausgenommen hätte, dessen Mutter ohne Absolution hinter dem Zaun gestorben ist, sich unter die frömmsten vornehmsten Jungfrauen Czenstochau's drän­ge»? Darf es das, frage ich Dich? Ich sage Dir, Thörin, die Hoffahrt ist eine der sieden Todsünden. Darum gehe in Dich und bete. Ja, gehe in Dein Kämmerlein, knie nieder vor dem Höchsten und bete sechs Vaterunser und drei Ave-Maria's, damit Gott Dir vergebe» kann!" Er machte noch das Zeichen des Kreuzes über sie und schloß sich wieder dem Zuge an.

Wie ein Blitzschlag aus heiterem Himmel war all' das Furchtbare auf Jadwiga herab- gefahren. Es war ihr gerade, als wäre sie plötzlich in einen tiefen Abgrund gestürzt, aus dem sie nicht wieder emporklimmen konnte. Sie griff krampfhaft nach ihrem Kopfe, nach ihrer Stirn, war sie denn wahn­sinnig, oder waren es die Menschen, welche sie verhöhnt, beschimpft und mißhandelt hat­ten? Einen Findling, ein Ketzerkind hatte man sie genannt. Das war eine offenbare Lüge. Sie besaß ja einen Vater, der ein rechtgläubiger Katholik war und kein Ketzer. Daß er arm war und sich täglich in Brannt­wein des Guten zu viel Ihat, war hierorts keine Schande, das thaten die meisten Männer in Czenstochau. Und ihre Mutter? Sie war lange tot und zeitlebens eine brave recht­schaffene Frau gewesen; mit den heiligen Sterbesacramenten gestärkt, war sie selig in ihrem Bette entschlafen und nicht hinter dem Zaun, wie ein schlechtes Weibsbild. Ja gewiß, die Leute logen alle, sie konnten un­möglich die Wahrheit gesprochen haben. Aber der fromme Priester er log gewiß nicht. Allmächtiger Gott, dann war sie wirk­lich ein Findelkind, eines jener unglücklichen Wesen, welche von den eigenen Ellern ver­stoßen, fremden Leuten zur unwillkommenen Last werden. Diese Vorstellung raubte ihr alle Kraft und erfüllte ihre Seele mit einem ungeheuren Schmerz.

Sie brach in die Knie zusammen, wie vernichtet sank sie zu Boden. Wir ein fort­geworfenes Bündel lag sic auf den Fliesen deS Klosterhofes, ohne sich rühpen zu können. Sie blieb regungslos, trotzdem rings um sie herum noch immer der Menschenstrom wogte und flutete. Ihr Ohr vernahm den Lsbge- sang der Pilger, das Glockengrläute und die brausenden Posaunentöne sowie den tausend­fachen Lärm, aber sie hörte Alles wie im

Traum. Matt und kraftlos lehnte sie ihr bleiches Haupt gegen den Baumstamm und strich sich mit der Hand mechanisch die Stirn, als gäbe es dort etwas fortzuwischen. Denn wie eine Vision war urplötzlich ihre ganze Vergangenheit in leuchtenden Farben vor ihre Seele getreten in erschreckender Deutlichkeit. Schon als Kind in der Schule hatte man sie Nienka" oderZhganka" genannt. Sie hatte zornige Thränen darüber vergossen, ohne recht zu wissen warum. Auch im Herrenhause von Lygotta war mitunter ein Wort gefallen, dessen Sinn sie nicht zu deuten vermochte, von dem sie aber unwillkürlich verletzt worden war. Jetzt entsann sic sich auch, daß die frommen Klosterschwester» in Krakau, bei denen sie oft in Pflege war, oft so seltsam tröstende Anspielungen gemacht batten, die sie damals auf ihre Armut bezog. Nun wmde ihr plötzlich Alles klarAlles, Alle«. Es war nicht mehr ei» fürchter­licher Wahn, der sie ängstigte, sondern Wahr­heit, grausame Wahrheit, und die Leute hatten Recht. Eisiger Schauer durchrieselte sie, aber immer weiter, immer weiter flogen ihre Ge­danke» und richteten sich dann auf einen Punkt: Roman. Jetzt begriff sie Alles. Nun verstand sie die Bedeutung seiner gest­rigen Worte, sie waren ihr kein dunkles Rät­sel niehr, den» nun wußte sie, warum er sie niemals als s in Weib an's Herz nehmen durfte, warum eine Verbindung mit ihr ihm zur Schmack gereichte. Sie war ja auSge- stoßen von den Uebrigen, das Wahrzeichen ihrer Abkunft hing ihr an. Und ein pol­nischer Edelmann vom reinsten ältesten Adel konnte, durfte sich nicht darüber hinwkgsetzen, ohne seine Ehre zu verletzen. Diese letzte schreckliche Vorstellung überwog alle erlittene Qual und Demütigung. Nun war jede Hoffnung für sie vorbei, jeder Wunsch eine Vermessenheit; eine himmelhohe Schranke lag zwischen ihr und ihm, bis in alle Ewigkeit waren sie von einander geschieden.

Jadwig stieß einen Jammerlaut aus, der unheimlich über den jetzt gänzlich verödeten Klosterhof hinüberschallte. Dann raffle sie sich gewaltsam vom Boden auf und stürzte, wie von Dämonen gehetzt, in wildester Hast davon. Bald laufend, bald springend und stolpernd flog sie den Jasnagora hinab bis auf das weile kahle Feld, über dem die Son­nenstrahlen eine Giühitze entwickelten, daß die Luft rings umher zitterte und flimmerte.

Es trieb sie fort ohne Ruh und Rast, irgend wohin, in die weite Ferne, wo kein Mensch sie kannte, wo Niemand wußte, daß sie ein armes verachtetes Findelkind war, das Jeder nach Belieben schimpfen, verspotten und mißhandeln konnte.

Hart am Rande der Wartha stand ei» alter weitästiger Lindenbaum. Dort brach sie endlich in äußerster Erschöpfung zusammen, die Füße trugen sie nicht weiter. Mit un- sichern müden Blicken schaute sie in dikflim mernde, dunstige Luft, in das gleißende Son­nenlicht und dann starrte sie wieder in die Tiefe, in das rauschende, grünliche Wasser. Aber ein Gefühl dumpter Apathir lähmte ihr alles Denken, die furchtbare Anspannung ihrer Nerven ließ nach und allmälig fielen ibr die Lieder über die Augen, ihr Haupt sank langsam auf die Brust herab, sic schlief. Sie konnte endlich ausruhen von den viel­fachen Erregungen, welche seit gestern ihr

junges Herz erschüttert hatten bis in die tiefste Tiefe hinein.

Und rings herum wisperten die Gläser, dufteten die Blumen, saugen die Vögel in der heißen Svmmerluft. Wie goldglänzenbe Schuppen legten sich die Welle des Flusses über einander, um gleich darauf mied r zu zerfließen. Sie wogten auf und nieder, wie wonnetrunken von dem goldenen Sonnen­schein. Und in dem alten Lindcnbaum rausch­ten leise die Blätter, sie säuselten und flü­sterten und raunten sich eine Geschichte zu - eine Geschichte von Menschenlust und Menschcnleid eine tieftraurige Mär. Der Lieutenant Wytek batte erst gegen Mittag seinen Rausch ausgeschlafen. Er er­wachte in einem unbeschreiblich elenden Zu­stande. Sein Körper wie sein Geist waren gelähmt und er kämpfte vergebens gegen diese Schwäche, die ihn physisch ganz hinfällig machte. Als er sich von seinem Bette er­hob, versagte ihm alle Glieder den Dienst. Er konnte nur mühsam seinen Lehnsessel er­reichen, in den er matt hineinsank, t Fortsetzung folgt )

Verschiedenes.

(Ein Schwerenöter) A.:Also Sie lieben auch die Tiere?" B.:Jawohl !"

A.:Und welchem geben Sie den Vor­zug?" B.:Dem Kammerkätzchen I"

.'. (Ein Pechvogel.) Vorsitzender:An­geklagter, sind Sie verheiratet? Angeklagter: I hat schon g'möcht, aber vor lauter Ein- spcrrn bin st net dazu komma!"

.'. (Selbstbewußt ) Lieutenant (eine Statistik durchlesend): 1856 gesegnetes Jahr gewesen. Richtig bin ja auch in dem Jahr geboren!

.-. (Unter anderem Namen.)Fräulein Dietrich geht nächste Woche unter einem andern Namen auf Reifen."WaS Sie sagen!"

Jawohl. Sie heiratet am Dienstag und tritt ihre Hochzeitsreise an."

(Ein Geschäftsmann ) Waffenhändlcr (in der Zeitung von einem mißlungenen Sebstmord lesend, zu seinem Gehilfen): Meier, schicken Sie doch gleich dem Mann unseren Prospekt!"

.'. (Zu ängstlich.) . . - Denken Sie sich, Fräulein, heute Nacht träumte ich, ich lief mit Ihnen auf der Eisbahn da fiele» Sie ... ich aber fing Sie auf und gal^ Ihnen einen Kuß I"Ach! es hats doch niemand gesehen?!"

(Vermutung) (Auf der automat. Wage.) Seppl, wie kimmt denn dös? Du bist ja ak'rat 5 Pfund leichter wor'n seit dem letzten Mal I"I woaß oa' nöt . . . 'S müaßt nur sein, weil mir der Bader d' letzt Woch' an' Zahn zog'n hat I"

(Beim Optiker.) Käufer: Ich lasse ihnen also meine Adresse hier und bitte ein vollkommen verläßluhes Thermometer mir ehestens nachzusenden. Optiker: Nach Reaumur?Käufer:Nein, nach Pinne!

.. (Blasiert.) Fühler : Dort im Hinter­gründe sehe» Sie die Pyrenäen. Baron Lässig: Kolossale spanische Wand!

(Vorsichtig.) Fremder Herr, (sich vorstelleno) :Habe ich die Ehre, Herrn Bankier Meyer zu sprechen?" Bankier: Mein Name ist Meyer mit wem habe ich eventuell die Ehre ? I"

Druck und Verlag von Beruh. Hofmaun in Wildbad. (Verantwortlicher Redakteur Beruh- Hofmann).