Ostermontag, und da herrliches Weiter herrschte, unternahmen zahlreiche Bewohner von Bratla Ausflüge zu Schiff, und natürlich herrschte auf dem zwischen Bratla und Galatz ver­kehrenden Dampfer der größte Andrang. Als derselbe nun schon fast ganz gefüllt war und die Signale zur bevorstehenden Abfahrt ertönen ließ, stürmte die größte Menschen­menge, die sich noch auf der Schiffbrücke befand, so heftig vorwärts, daß der Steg barst und nahezu zweihundert Menschen, die auf demselben standen, unter markerschüttern­dem Geschrei in die Donau fielen. Es folgte nun eine unbeschreibliche Szene; im ersten Augenblick war die allgemeine Bestürzung so groß, daß kein Mensch an die Rettung der Verunglückten dachte und erst nach einer geraumen Weile gingen die Matrosen ans Retiungöwerk. Indessen waren aber viele Personen vo» den Wellen der Donau foit- geriffen und nur wenigen des Schwimmens Kundigen gelang es, an das Ufer zu ge­langen. Es war ein grauenvoller Anblick, als man einige Menschen ertrinke» sah, die noch Andere mit sich in die Tiefe rissen, a» welche sie sich geklammert Hallen. Die Zahl der Ertrunkenen konnte bisher nicht fcstge-

stelll werden. Bis Abends waren zehn Leichen an das Ufer geschwemmt worden. In ganz Braila herrscht tiefe Trauer. V ele Eltern sind ihrer Kinder, viele Familien ihrer Häupter beraubt worden.

Eine furchtbare Mordkatastrvphe er­eignete sich im Psarrhause in Huy (Pro vinz Lüttich). Ei» entlassenes Dienstmädchen schoß den Pfarrer, dessen Mutter und dessen Schwester nieder und jagte sich sodann eine Kugel in den Kopf.

Zehn Zentner Gold in Zwanzig­markstücken wurden am SamStag von der Zollkammer Sssnowice nach Warschau be­fördert. Diese Sendung, welche einen Wert von über 1,300,000 ^ repräsentierte, ist, wie der Oberschlesischc Anzeiger konstatiert, der Zollerlös für deutsche, nach Rußland ausgeführte Waren für einen Zeitraum von zehn Tagen.

Athen, 3. Mai, Gestern abend nach 9 Uhr wurden drei neue Erdstöße verspürt. Auf Euböa öffneten sich etwa hundert neue mineralhaltige Quellen. Die Bewohner fliehen erschreckt auf die Berge. Der König und die Königin haben sich nach den von den Erdbeben betroffenen Orten begeben.

Ein in Amsterdam wohnender geistes­gestörter Russe, Namens Similaneff, steckte sein Wohnhaus, in welchem fünfzig Perlenen wohnten, in Brand. Eine Familie, bestehend aus neun Personen, darunter vier kleine Kinder, fanden den Tod in den Flammen. Zahlreiche im oberen Stockwerke wohnende Personen sprangen aus den Fenstern auf auf die Straße und zogen sich schwere Ver­letzungen zu. Mehrere Häuser wurden ein­geäschert.

Verschiedenes.

(Wo befinden sich Steine im Acker?) Der Acker trocknet im Frühjahre und nach großen Regengüssen (im Frühjahre ist es am besten zu beobachten) stets zuerst da ab, wo in der Nähe der Erdoberfläche Steine liegen. Selbst solche Steine, welche ziemlich tief liegen, machen sich auf diese Weise be­merkbar und können ausgegraben werden.

.'. (Wehmütige Freude.) Familienvater (der von s»iner Familie an den reichbesetzten Geburis.ogslffch geführt wird):O du grund­gütiger Himmel müßt Ihr mich be­schummelt haben I"

Die Wallfahrt nach Gzenstachau.

Roma» von Johanna Berger.

Nachdruck verboten.

19.

Die Gräfin wurde bleich, sie biß zornig die Zähne aufeinander. E>ne lange peinliche Pause entstand. Endlich rief sie heftig aus : ,Wirklich, Casimira, auf eine so kindische Auffassung von Ihrer Seite war ich nicht gefaßt! Nehmen Sie mir es nicht übel, aber znweilen sind Sie schrecklich schwer vo» Be­griffen! Glücklicherweise wird Roman wie ich ihn kenne, andere Ansichten von der Sache haben, und vor allem daran denken, daß sein ganzes Lebensglück dabei in Frage kommt. Er ist hoffentlich verständig genug, um ein- zufehen, daß eine Verbindung mit der Toch­ter aus einem der vornehmsten Häuser großen Einstuß auf feine zukünftige Stellung in der Welt hat, abgesehen davon, daß seine kritischen pecuniären Verhältnisse mit einem Schlage geändert werden. Ein armer ver­schuldeter Edelmann wird sich gewiß nicht lange besinnen, wenn ihm solche brillante Aussichten gestellt werden, die ihm ein Para­dies aus Erden eröffnen ! Und sollte es den­noch der Fall fein, sollte er so wahnsinnige Scrupel besitzen, wie ich kaum glauben kann, dann nun dann müssen Sie für ihn ver­nünftig fein, Casimira, und die ganze Autorität der Mutter gegen ihn geltend machen. Stellen Sie ihm nur alle Vorteile in daS rechle Licht und dann wird er sich schon hüien, Nein zu sagen.«

Die Edelfrau machte noch einen schwachen Versuch, einige Bedenken über Roman's Will­fährigkeit zu äußern, es gelang ihr aber nicht, die Gräfin davon zu überzeugen, und nun sagte sie endlich im ganz weinerlichen Ton: Ach Gott, Sie haben Energie und Courage, um solche delicaten Angelegenheiten mit Er­folg duichzuführen. Sie haben auch keine schwachen Nerven wie ich, aber denken Sie nur, wenn ich dieser Sacken wegen mit Ro­man vielleicht Acrger, Aufregung und lar­

moyante Scene baden sollte, das würde meine zarte Constitution nicht ertragen!"

Ach sprechen Sie nicht immer von Nerven und zarter Constitution. Das ist pure Ein­bildung und Sie winden gar nichts davon wissen, wenn Sie sich mehr Bewegung mach­ten I Sie sollten nur an meiner Stelle fein, dann dächten Sie gar nicht mehr an ihre Ihre Nerven I Ich muß nicht allein sämt­liche Familienverhältniffe regeln und in Ord­nung Hallen, sondern mich auch um das Gedeihen unserer Güter bekümmern und eine Menge von Leuten controlieren- Seien Sie klug, Casimira, was ich Ihnen biete, ist wohl eines kleinen Kampfes wert. Auch bedenken Sie, daß Sie jederzeit aus Rat und Hülfe von meiner Seite rechnen können. Wie ein Paar treue Kameraden wollen wir unser Ziel verfolgen, was uuS hoffentlich zum Glück und Segen verhelfen wird. Also Vertrauen und gute Freundschaft auch ferner! Und jetzt glaube ich, wird cS wohl Zeit für uns fcin, die Proceffion anzusehen!«

Die Gräfin deutete mit der Hand nach der Richtung des Klosters, von welchem es wie ein dumpfes Brausen durch die Lüfte klang. Dann stand sie hastig auf und winkte Pavel herzu.

Frau von BielinSka lächelte verlegen, sie war es aber schon seit Jahren gewohnt, von der Freundin unangenehme Wahrheit anhören zu müssen. Sie erhob sich langsam, musterte mit kläglicher Miene den Himmel, an dem die Sonne höher gestiegen war, und dann den staubigen Weg, der bergan führte. Mit einem leisen Aufseufzen nahm sie ihre Schleppe über den Arm und trippelte verdrießlich hinter der Gräfin her, welche mit ihrer männlichen Energie und Thatkraft den vollkommensten Gegensatz zu ihrem eigenen kindischen, un­selbstständigen Wesen bildete.

Die Glockenstimmen welche während des feierlichen Hochamts geschwiegen, ertönten jetzt von Neuem und verkündeten den Beginn der Procession, welche sich vom Berge herab durch die festlich geschmückten Straßen der Stadl bewegen sollte. Noch erbrauste die Scklnßcadenz der Orgel, als durch das weit

geöffnete Kirchenportal eine Anzahl von Prie­stern in roten und schwarzen Ornaten Her­australen. In ihrer Mille befand sich der Bischof, der im langsamen Weitei schreiten mit lauten SegenSsprüchcn seine Hände über die zu beiden Seilen des Weges knieenden Wallfahrer erhob. Dann kamen Meßner mit den Kirchenfahnen, welche lustig im Winde flatterten, und dahinter ein Trupp Spielleute und Posaunenbiäser, die einen Choral bliesen. Au diese schlossen sich Mönche mit wehenden Heiligenbildern und zwei Chorknaben an, von welchen der Eine im Schweiße seines Angesichts ein großes Crucistx trug und der andere von Zeit zu Zeit das Rauchfaß in der Luft schwenkte. Um eine große Fahne mit den, Csnterfei der schwarzen Madonna halte sich eine Schaar Kinder gesammelt; sie trugen brennende Wachslichte auf bundbe- bändcrten Stöcken und sangen mit frischen Slimmen ein frommes Lied. Inmitten dieser Kinderschaar schritten unter einem rotsammet- nen, mit Flittergold verzierten Baldachin zwölf weißgekleidete Jungfrauen daher. Sie trugen zum Zeichen ihrer Unschuld und Sitt- samkeit weiße Rosenkränze auf den tief her­abgesenkten Köpfen. Es waren die» die Marienmädchen, die angesehensten und vor­nehmsten Edelfräulein der Umgegend, und unter diesen befand sich auch die Comteffe Spiridia. Hinter ihnen folgte ein unabseh. barer Menschenstrom im langsamen Proces- sionsschritt.

Die Wallfahrer waren meist polnische Bauern in ihren langen weiße« Schafpelzen, den bunlcn breiten Gürteln ' um den Leib, der dunklen viereckigen Tuchmütze auf dem Kopse und den Schnappsack mit Lebensmitteln über de» Rücken. Ihre Frauen und Töch­ter trugen heute die malerische Landestracht, den runden scharlachrote» Mantel, den di» an die Knöchel reichenden Rock und das reich mit Gold und Perlen gestickte runde Häubchen. Doch sah man auch elegante Damen in seidenen Kleidern und Schleierhüten, sowie Männer im feinen Nationalcostüm und un­zählige Bettler i» widerliche Lumpen gehüllt, i Fortsetzung folgt.)

Druck und Verlag von Bernh. Hofmann in Wildbad. (Verantwortlicher Redakteur: Bernh. Hofmann-1